Es ist wirklich nicht einfach, sich nach einem Album wie Eleven. Return And Revert weiterzuentwickeln. Mit ihrem Debüt von 2010 hatte sich die Band aus UK stante pede als stattliche Eigenmarke etablieren können. Man könnte aber auch sagen: Sie hat sich damit einen engen stilistischen Rahmen gesetzt; und die Erwartungen für ihr weiteres Schaffen erhielten enge Grenzen. Mit dem Nachfolger "Wilderness" schafft es die Band aber, sich weiterzuentwickeln. Genau genommen geht dieses 'weiter' aber eher in die Breite als nach vorn, was man sich bei Album Nummer zwei durchaus noch leisten kann. Midas Fall experimentieren etwas mehr, lassen mehr elektronische Zutaten einfließen und arbeiten auch mehr mit Streichern. Midas Fall werden der Stilrichtung des Post Rock zugeschrieben. Dagegen haben sie sich ohnehin nicht gewehrt. Und mit "Wilderness" ziehen sie sogar eher einen dicken Strich darunter.
Das Line-up hat sich leicht verändert, aber der Kern von Midas Fall, das bleiben zwei Frauen: Elizabeth Heaton und Rowan Burn. Und, ohne nun unbedingt Geschlechterklischees bedienen zu wollen: Man hört es der Musik deutlich an - denn es ist diese Sinnlichkeit, die einen auf "Wilderness" ebenso wie auch schon beim Vorgänger von Beginn an berührt und nicht mehr loslässt. Voraussetzung ist eine gewisse Stimmungslage. Man muss bereit sein, sich auf diesen wehmütigen Trip zwischen zerbrechlich-melancholischem Minimalismus und elegisch-intensivem Expressionismus einzulassen. Die Songs von Midas Fall sind bildschöne, nachdenkliche bis teils tieftraurige kleine Gefühlssttudien - introvertiert, aber plötzlich, immer wieder, wundersam kraftvoll.
Midas Fall bauen ihre Songs mit kleinen Mosaik-Stückchen auf. Leise elektronische Loops, minimalistische Pianoklänge, und dazu kristallene Gitarren, die (nach)wirken wie ein Kiesel, den man in einen Teich wirft und der viele kleine, kreisförmige Wellen auslöst. Es werden unglaublich viele, hauchzarte Details zum Leben erweckt, die gar nicht viel Schwerkraft benötigen, um zu existieren, aber einander anstecken und sich schier endlos fortspinnen. Und doch plätschert die Musik nicht einfach so vor sich hin. Intuitive Crescendos und Decrescendos lassen wie aus dem Nichts das Energielevel anschwellen oder sich wieder binnen weniger Takte in verschwindend zarte Klanggebilde zersetzen.
Die Songs auf "Wilderness" bauen ihre klagende Spannung wie immer schneller ansteigende und abrupt zusammenfallende Wellen auf. Kritisch lässt sich sagen: Dieser Ansatz wiederholt sich recht oft. Eine zufällig ausgewählte Passage mitten im Album ließe sich nur mit viel Übung schnell identifizieren. Nichtsdestotrotz gibt es zahlreiche Momente auf "Wilderness", die einfach formidable akustische Erlebnisse sind: Dieses verklärt-hallende Gitarren-'Tremolo', mit dem Midas Fall immer wieder die Spannung anziehen, die verstörend-verzerrte Heaviness von "BPD" oder einige außergewöhnlich schöne Gesangsstellen Elizabeth Heatons - besonders bei "Borders" läuft einem der ein oder andere heißkalte Schauer über den Rücken.
Midas Fall haben ihren Prog Rock auf "Wilderness" mit mehr Details ausgestattet - mehr elektronische Ambient-Elemente und mehr ganz klassische Streicher zugleich. Es fehlt auf diesem Album ein einzelner ganz herausragender Track wie der "Nautical Song" auf dem Vorgänger. Dafür ist "Wilderness" eine große akustische Einheit - die Hörbarmachung eines emotionalen Grundtons. Midas Fall machen Musik, die auf das Gefühlszentrum zielt, die tief ins Innere dringt und dort viel bewegt. Aber man muss schon in der Stimmung und bereit sein, diese Musik auf sich wirken zu lassen. Ob Midas Fall wissen, dass sie mit Frequency Drift eine bärenstarke fränkische Konkurrenz haben?
Line-up:
Elizabeth Heaton (vocals, guitar, keys)
Rowan Burn (guitar, piano, bass)
Steven Christopher Pellatt (drums, percussion)
Tracklist |
01:The Unravelling King (5:37)
02:Borders (3:27)
03:Carnival Song (5:04)
04:Our World Recedes (5:21)
05:Tiny Pieces Will Always Remain (3:46)
06:Fight First (2:12)
07:Your Heart, Your Words, Your Nerves (3:29)
08:The Moon And The Shine (5:50)
09:BPD (4:27)
10:Wilderness (5:42)
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