Molly Hatchet / No Guts... No Glory
No Guts... No Glory Spielzeit: 20:08 (Side 1), 21:08 (Side 2)
Medium: LP
Label: SPV Records (Epic), 2013 (1983)
Stil: Southern Rock


Review vom 11.11.2013


Steve Braun
Ich liebe diese Neuauflagen von Klassikern bei SPV. Nicht nur, weil die Hannoveraner sie meist als Vinyl - im vorliegenden Fall ist es blaues - herausbringen, sondern vor allem wegen der Gelegenheit, sich mal an lange gehegten Vorurteilen persönlicher Art abzuarbeiten. Stellen wir einmal eine (nicht allzu gewagte) Arbeitsthese auf und klopfen diese auf ihre Belastbarkeit ab: "No Guts... No Glory" war das letzte große Album der Originalausgabe von Molly Hatchet und schließt dabei nahtlos an die beiden ersten Alben der Southernrocker an.
So oder zumindest so ähnlich werden es viele Freunde des klassischen Three-Lead Guitar-Line-up beim Erscheinen von "No Guts... No Glory" anno 1983 gesehen haben und - wie viel zu oft - halten sich solche Urteile mit einer unglaublichen Hartnäckigkeit.
Die Euphorie hatte einen Namen: Danny Joe Brown! Der charismatische Sänger war nach einer über zweijährigen Pause und überwundener Diabetes-Krise wieder zurück an seinem angestammten Platz, dorthin, wohin keiner (wirklich KEINER) außer ihm gehört!! Aber in der Retrospektive - der selig zu sprechende DJB möge es mir verzeihen - stellt sich heraus, dass Jimmy Farrar seine Sache gar nicht mal so schlecht gemacht hatte. Mehr noch: Er war der bessere Sänger (obwohl man solche Kategorien äußerst kritisch betrachten muss). Der Niedergang Molly Hatchets, vor allem mit "Take No Prisoners" eindrucksvoll der Nachwelt dokumentiert, lag wohl in erster Linie an der Ideenlosigkeit der Songschreiber... und am beständig wachsenden Druck von Epic Records. Danny brachte trotzdem ziemlich eindeutig den alten 'Spirit' zurück und beflügelte die ausgebrannten Hlubek/Roland/Holland noch einmal... ein letztes Mal.
Die Euphorie hatte aber auch noch einen zweiten Namen: "Fall Of The Peacemakers"!! In der Rückschau ist ein Großteil des Glanzes von "No Guts... No Glory" an dieser Nummer festzumachen; einer der besten, die der 'Sassernrock' (Nee, Quatsch - die gesamte Musikhistorie!) hervorgebracht hat. Es war kaum zu glauben, aber das völlig eigenständige ABB-Cover des Debütalbums, "Dreams I'll Never See", wurde noch einmal übertroffen. Wenn man aber von der zurückgekehrten Spielfreude einmal absieht, kann das restliche Songmaterial von "No Guts... No Glory" diesem Überflieger trotzdem kaum das Wasser reichen; vor allem wenn man berücksichtigt, wie ausgeglichen Flirtin' With Disaster bestückt war!
Der Mythos nährte sich sicherlich auch aus der A-Seite der (damaligen) LP. Diese drei Knaller vor "Fall Of The Peacemakers" schlossen in der Tat wieder zu "Flirtin' With Disaster" auf.
Gleich mit dem rüpelhaften Rotzer "What Does It Matter?" ist Molly Hatchet wieder im gewohnten Fahrwasser. Die komplett umformierte Rhythmusgruppe (Riff West hatte Banner Thomas,
B.B. Borden Bruce Crump ersetzt) macht mächtig Alarm, DJBs Pfiffe signalisieren den Wechsel des 'Solierenden', noch etwas verschämt darf John Galvin im Hintergrund 'honkytonken'. Dieser Befreiungsschlag setzt sich mit "Ain't Even Close" gnadenlos fort. Erstmals slidet Duane Roland (»Ahuuuuuuh«) hier wie der Teufel persönlich, Jay Windings Hammond sorgt für schöne Fills. Southern-Boogie par excellence folgt mit "Sweet Dixie" - Groove, Biss, Frische, Inspiriation, alles wieder da...
Anders als in der Erinnerung baut die B-Seite nach dem alles überragenden "Fall Of The Peacemakers" doch ziemlich ernüchternd ab. "What's It Gonna Take?" geht zwar richtig gut ab, aber die Vorboten für die Stadionrockphase Molly Hatchets, die das 'denkwürdige' The Deed Is Done zeitigen sollte, kündigen sich bereits deutlich vernehmbar an. Das Grauen hat einen Namen: (»Uh-huh-huuuh«) "Kinda Like Love". Dieser aalglatte Schlauch stellte auf jeden Fall den (zwischenzeitlichen) kreativen Tiefpunkt der Band dar. Beides übrigens Fremdkompositionen - ein Schelm, wer Böses dabei denkt...
Zum Glück bekommt Hatchet mit "Under The Gun" noch einmal kurz vor der Zielgeraden die Kurve. Bis an die Zähne bewaffnet rockt hier der Sechser, was die Magazine nur hergeben!! Sehr cool groovt B.B. Bordens Einstand als Songwriter, "On The Prowl", daher... obwohl? War da nicht was?? »Eleven times I been busted, eleven times I been to jail«... das Ding erinnert ziemlich eindeutig an Double Trouble, aber was soll's eigentlich?!? Das Instrumental "Both Sides" 'surft' auf einem melodisch-satten Southern-Riff und lässt den Gitarren viel Freiraum, der ausgiebigst für zahlreiche Soli genutzt wird. Erstmals darf sich John Galvin, der nach diesem Album (endlich) ins feste Line-up aufrückte, mit einer zauberhaften Pianofigur ein kleinwenig in den Vordergrund spielen. Ein überaus gelungener Abschluss...
...eines - insgesamt betrachtet - gelungenen Comebacks. Hinsichtlich der Eingangsthese müssen allerdings Fragezeichen angebracht werden. »Das letzte große Album der Originalausgabe von Molly Hatchet«? Ja, aber... die Größe von "Molly Hatchet" und "Flirtin' With Disaster" wird dann - "Fall Of The Peacemakers" hin, "Under The Gun" her - doch nicht ganz erreicht. Zwei Zitronen können einem problemlos das vollkommene Vergnügen versauern! »Nahtlos«? Genau deshalb nicht...
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass "No Guts... No Glory" immerhin das drittbeste Album Molly Hatchets darstellt und somit - für meinen persönlichen Geschmack - selbst die gelungensten Scheiben ab den Neunzigern auf die Plätze verweist. Von daher könnte man auch zwei Worte aus dieser These streichen »Das letzte große Album von Molly Hatchet«, um sich mit dieser gewagten Aussage allerdings ganz weit aus dem Fenster zu lehnen...
Unter dem Strich ist die LP-Ausgabe von "No Guts... No Glory" nicht nur wegen des blauen Vinyls ein echter Hingucker, sondern überzeugt obendrein mit einem sehr viel besseren Klang als die CD-Edition. Ein echtes, 180 Gramm schweres Schätzchen!!!
Line-up:
Danny Joe Brown (lead vocals)
Duane Roland (guitars)
Steve Holland (guitar)
Dave Hlubek (guitars)
Riff West (bass)
B.B. Borden (drums)

Additional Musicians:
John Galvin (piano)
Jai Winding (Hammond, keyboards)
Dru Lombar (guitar - #2/4,2/5)
Scott Shelly (guitar - # 2/2)
Tracklist
Side 1:
01:What Does It Matter? (3:32)
02:Ain't Even Close (4:35)
03:Sweet Dixie (3:55)
04:Fall Of The Peacemakers (8:06)

Side 2:
01:What's It Gonna Take? (3:59)
02:Kinda Like Love (4:11)
03:Under The Gun (3:53)
04:On The Prowl (4:05)
05:Both Sides (5:09)
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