Mr. Big / Back To Budokan
Back To Budokan Spielzeit: 72:27 (CD 1), 74:50 (CD 2)
Medium: DoCD
Label: Frontiers Records, 2009
Stil: Melodic Rock

Review vom 24.10.2009


Boris Theobald
»Mr. Big... is bahaaack!«
... feixt den jubelnden Fans ein ewig jugendlicher Eric Martin zu und geht seiner Lieblingsbeschäftigung nach: gute Laune verbreiten! Das fällt nicht so schwer; begehen die Amis ihr Comeback doch wohlkalkuliert in dem Land, wo sie nie aufhörten, Superstars zu sein und wo man nach der Auflösung im Jahr 2002 immer noch am lautesten nach ihnen gerufen hat: Japan!
Lange galten (Ex-) Mr. Big als viel zu zerstritten, wie es sich für Musik-Koriphäen nun mal gehört. Und dann doch, nachdem man durch mancherlei Begegnung und gemeinsame Jam-Sessions wieder Blut geleckt hat: die Reunion - und zwar im Original-Line-up, also nicht mit Ritchie Kotzen, der zuletzt Teil der Band war, sondern mit Ur-Saitenderwisch Paul Gilbert. Die neu aufflammende Lust auf Rockstar und die rejustierte Chemie im Zwischenmenschlichen - beides transportiert sich mit diesem prickelnden Gig ausgezeichnet ins heimische Wohnzimmer!
Mr. Big packen ein Greatest Hits-Sortiment der ersten Jahre aus, ohne die späteren Kotzen-Alben "Get Over It" und "Actual Size" zu berücksichtigen. Zum Programm gehören einige der schönsten Rockballaden seit Erfindung der Rockballade, wie "Promise Her The Moon" oder das 'geklaute' "Wild World", melodische Naturwunder wie "Green-Tinted Sixties Mind" oder "Just Take My Heart", aber natürlich auch treibende Hard Rocker mit brennendem Zunder. Wer Mr. Big auf die Billboard-Balladen reduziert, hat ohnehin keine Ahnung...
Im Heavy-Bereich zelebriert das Quartett seine Fähigkeiten. Schließlich war und ist Mr. Big nicht irgendeine Rockband, sondern besteht aus vier der begnadetsten Könner unter der Sonne. Was die hier vom Stapel lassen, hat Witz und Wahnsinn. "Shy Boy", "Temperamental", "Colorado Bulldog" - verrückt und heavy, heavy, heavy interpretiert - damit kann man die ahnungslosen Balladen-Bummler mit ihren Kuschel-Rock-CDs mit Blaulicht in die Psychiatrie bugsieren. Bei Double Bass, Spinnenbeinen-filigranen Bass-Breaks und glühenden Stahlspänen am Gitarrengriffbrett brennt die Luft.
An der Solo-Front zaubert Pat Torpey in der Schlagbox; Paul Gilbert filettiert seine Saiten zunächst allein und dann im Kinnladen-Klapper-Duett mit Billy Sheehan. Aber nicht nur da, wo 'Solo' in der Setlist steht, gibt's das große Spektakel. Auch sonst verzichtet man im Hause Budokan zum Gefallen des Musikkritikers nur widerwillig und selten auf Schreddereinlagen und Bass-Brummeleien, die nicht auf der Partitur zu finden sind. Höhepunkt der ungebremst undisziplinierten, frech und spontan rüberkommenden musikalischen Dehnungen auf der Zeitachse ist "Addicted To That Rush". Mehr als neun Minuten dauert das Ganze mit bluesrockigem Jam und diversen Albernheiten. Heidewitzka!
'Schmusesänger' Eric Martin erweist sich mal wieder als äußerst launiger Anheizer der ganzen Veranstaltung. Er heult und pfeift beim 'Bulldog', 'scattet' bei "Temperamental", spielt mit dem Publikum. Stimmlich ist der Mann völlig auf Höhe, hat null Probleme mit den hohen Tonlagen von früher und kein bisschen Ausdruckskraft eingebüßt. Ist der jetzt 20, oder 40, oder...? Und da die komplette Band nach wie vor großartig singt, werden sämtliche Refrains zur Wonne. Mein Favorit: Der feurige Gute-Laune-Schub "Alive And Kickin'", wo der Band-'Chor' und der Front-Zappler einander hervorragend ergänzen.
Wie viel Spaß die Band hat, zeigt sich übrigens auch am Cover-Faktor. 'Versteckt' klingt da
Iron Maidens "Tailgunner" im Gilbert/Sheehan-Duett an; und Pat Torpey gibt in seinem Schlagzeug-Solo den McCartney-Song "The Long And Winding Road" zum besten. Ganz offen auf der Setlist stehen unter anderem das akustische "It's For You" mit mehrstimmiger a-capella-Performance (Three Dog Night) und eine superlebendige Version von "Baba O'Riley" (The Who). Und "Smoke On The Water" - eigentlich eher zum Gähnen; denn dass die vier Bandmitglieder dabei die Instrumente tauschen... dieser Gag taugt nur für die DVD-Version.
Ansonsten erntet die Band für diese Doppel-CD von mir nur Anerkennung. Überraschend gut sind Mr. Big nach jahrelanger Abstinenz aber nicht; denn "Back To Budokan" ist unterm Strich exakt so stark, wie es zu erwarten war. Dieser Auftritt macht tierisch Stimmung - spektakulärer wäre allerdings ein neues Studioalbum. Zwei neue Studio-Tracks gibt's schon mal... vielleicht ja als Vorgeschmack? "Next Time Around" könnte auf "Lean Into It" stehen und klingt, als wäre die Zeit stehen geblieben; und mit dem Argent-Cover "Hold Your Head Up" beweisen sie wieder mal, dass sie mit 'Geklautem' bestens umgehen können. Beide Stücke sind auch Teil der Live-Setlist - vielleicht ja ein Zeichen dafür, dass sie auch wieder Lust auf neue Mucke haben...
P.S.: Ich hatte mir extra vorgenommen, dieses Review zu schreiben, ohne "To Be With You" zu erwähnen. Bis hierhin ist mir das auch ganz gut gelungen.
Line-up:
Eric Martin (vocals)
Paul Gilbert (guitar)
Billy Sheehan (bass)
Pat Torpey (drums)
Tracklist
CD 1:
01:Daddy, Brother, Lover, Little Boy (The Electric Drill Song)
02:Take Cover
03:Green-Tinted Sixties Mind
04:Alive And Kickin'
05:Next Time Around
06:Hold Your Head Up
07:Just Take My Heart
08:Temperamental
09:It's For You - Mars
10:Pat Torpey Drum Solo
11:Price You Gotta Pay
12:Stay Together
13:Wild World
14:Goin' Where The Wind Blows
15:Take A Walk
CD 2:
01:Paul Gilbert Guitar Solo
02:Paul Gilbert And Billy Sheehan Duo
03:Double Human Capo
04:The Whole World's Gonna Know
05:Promise Her The Moon
06:Rock & Roll Over
07:Billy Sheehan Bass Solo
08:Addicted To That Rush
09:Introducing The Band
10:To Be With You
11:Colorado Bulldog
12:Smoke On The Water
13:I Love You Japan
14:Baba O'Riley
15:Shyboy
16:Next Time Around (New Studio Track)
17:Hold Your Head Up (New Studio Track)
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