24.05.2014, Rainers Rockhaus, Algermissen (Jürgen Bauerochse)
Die Zeit vergeht wirklich wie im Fluge. Inzwischen ist es auch schon wieder fast genau drei Jahre her, dass mein Bluesbruder Joe mich durch seinen Konzertbericht über den allerersten Gig von Ryan McGarvey in Europa mit dem Namen dieses Gitarristen aus Albuquerque, New Mexiko bekannt machte. Ryan hatte damals gerade seinen ersten Longplayer Forward In Revers veröffentlicht, der in der Fachpresse gleich wie eine Bombe einschlug. Seitdem gehört der junge Amerikaner zum festen Bestandteil der Berichterstattung in unserem Magazin und steht somit unter ständiger Beobachtung von RockTimes. Inzwischen ist auch sein zweites Album Redefined auf dem Markt, das ebenfalls keinen Deut schwächer ausfiel als das Debüt. Außerdem sind die Arbeiten am dritten Langeisen von Ryan McGarvey abgeschlossen, auf das man sehr gespannt sein darf.
An diesem Samstag ergab sich nun endlich mal wieder die Gelegenheit, die Band live on stage zu erleben, was wir natürlich sehr gerne wahrnahmen. McGarvey ist auch weiterhin in Trio-Besetzung unterwegs, allerdings sind im aktuellen Line-up mit Chris Hill am Schlagzeug und dem Bassisten Sam Miller, der schon bei den Aufnahmen zum zweiten Studio-Album dabei war, zwei Leute mit an Bord, die in der Anfangsphase der Band noch nicht mitwirkten. Dieses Konzert fand in Rainers Rockhaus, Algermissen statt, wo Ryan zum ersten Mal zu Gast war und sich von der heimeligen Atmosphäre dieser kleinen Location überzeugen konnte. So gab es in dem recht gut besuchten Saal eine ganz relaxte Show von ca. 105 Minuten Länge, in der den Musikern die Spielfreude deutlich anzusehen war.
Die Band wirkte vom ersten Ton an perfekt eingespielt, als sie gegen 20.30 Uhr die Bühne enterten. Hill und Miller waren die ideale Ergänzung zum Namensgeber und bildeten mit ihrer unaufdringlichen und grundsoliden Arbeit die perfekte Grundlage für die teilweise sehr schön ausgedehnten Soloeinlagen des Saitenhexers. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sich Ryan McGarvey in seine Songs hinein versetzt und sie im wahrsten Sinne des Wortes auslebt. Allein schon durch seine intensive Gestik und Körpersprache unterstreicht er die Gefühle zu seiner Musik, ohne dabei übertrieben und aufgesetzt zu wirken. Da kommt jede Bewegung ganz tief aus dem Bauch heraus. Und das war auch für das Publikum zu spüren, das den Gitarristen immer wieder mit herzlichem Zwischenapplaus belohnte und zu weiteren Höchstleistungen anspornte. Aber auch stimmlich war Ryan in Topform. Je nach Bedarf sang er druckvoll und eindringlich, oder drosselte seine Vocals, wenn es nötig war, um dann ganz gefühlvoll zu singen. Großes Kino!
So lief ein äußerst stimmungsvoller Gig in Rainers Rockhaus ab, bei dem Ryan McGarvey alle wichtigen Songs seiner beiden Alben aneinander reihte. Lediglich das ruhige "Sweet Little Angel" fehlte in meiner persönlichen Setlist. Das hätte ich wirklich sehr gern auch noch auf die Ohren bekommen. Ansonsten war vom Boogie bis zum Slow Blues (eine wunderschöne Version von "Crying Over You") alles vertreten, was man sich vorstellen konnte. Und es gab auch einige Titel des kommenden Silberlings zu hören, von denen mir besonders "Memphis" im Gedächtnis geblieben ist. Das lässt uns erneut auf ein wunderschönes Album hoffen. Einzige Coverversion war an diesem Abend Rory Gallaghers "A Million Miles Away", das die Zuhörer sofort zum Mitsingen des Refrains veranlasste. Noch immer sorgen die Songs der irischen Legende bei mir für Gänsehaut pur, und die Fassung von Ryan McGarvey tat ihr Übriges dazu. Dieses Konzert in Algermissen war mal wieder ein Gig voller Feeling von einem großartigen Gitarristen, der auf der Bühne immer ein absolutes Erlebnis ist. Ryan, komm bitte bald wieder!
Jetzt wollen wir mal sehen, wie Bluesbruder Joe 'sein' Konzert von Ryan McGarvey bewertet hat, das vier Tage später stattfand.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Rainer und seiner Familie für die problemlose Akkreditierung und herzliche Aufnahme.
28.05.2014, blues, Rhede (Joachim 'Joe' Brookes)
Fünf Jahre blues, Rhede! Die RockTimes-Redaktion gratuliert ganz herzlich. Zu einem Geburtstag gehören auch Geschenke. Das blues steht natürlich auch für Blues, allerdings finden daneben noch viele andere Veranstaltungen statt. Im Vorfeld der Feierlichkeiten wurde ein Special Guest angekündigt.
Der amerikanische Künstler Ryan McGarvey war der besondere Geburtstagsgast und als Geschenk hatte er nicht nur ein Ständchen auf Lager, sondern spielte zum Club-Jubiläum ein ganz besonderes Konzert. Danach gab es von diversen DJs bis spät in die Nacht Musik aus den Bereichen Charts, Rock, Schlager, House oder Hip Hop/R&B. Dabei konnte man auch spezielle Getränke genießen.
Aber der Reihe nach. Gegen 21:00 Uhr betrat der Protagonist alleine die Bühne, griff zur akustischen Gitarre und setzte sich auf einen Barhocker. "Four Graces" war das dynamische Intro-Instrumentalstück zu einem Gig, der den Nennwert des Blues extrem in die Höhe trieb. Ein kristallklarer Klang seiner Gitarre ging durch Mark und Bein. Wie selbstverständlich ließ Ryan McGarvey seine Finger, auch in Höchstgeschwindigkeit über das Fretboard wandern. Unglaublich, mit welcher Leichtigkeit er dieses Lied präsentierte.
Die Begeisterung war entfacht und nach einem Song im Country Blues-Stil stand der Track "Always & Forever" symbolisch für die Kohärenz von melodischer Gitarre sowie Gesang. Rhythmus und Solo verbanden sich zu einer ganz feinen Allianz. Dann ließ er in einer neuen Komposition den Blues mächtig grooven. Bei Ryan McGarvey als Alleinunterhalter verdichteten sich die Perspektiven des Genres auf sechs Saiten und einem fingerfertigen Musiker.
Die Pluralität des 12-Takters wurde dann mit Sam Miller am Bass und dem Schlagzeuger Chris Hill zelebriert. Man kam fast nicht aus dem Staunen heraus, denn Ryan McGarvey servierte dem Publikum neue Songs, die in ihrer Dynamik nichts zu wünschen offen ließen. Apropos neue Songs: Diese Tour scheint damit gespickt zu sein. Das dritte Album ist unterwegs und vielleicht könnte sich Ryan McGarvey mit dem Gedanken anfreunden, auch die Titel der neuen Nummern zu nennen. Melancholie tropfte förmlich aus den Bünden seiner feuerroten E-Gitarre daneben platzierte der Frontmann dann den Rock'n'Roll eigener Prägung. Sam Miller trieb mit seinem melodisch-fließenden Spiel an, baute Druck bis in die Magengrube auf und Chris Hill zeigte unter anderem, wie sehr man mit dem Spiel auf den Becken beeindrucken konnte. Über die vielen, bereits absolvierten Touren konnte man feststellen, wie sehr sich die Umlaufbahnen der Konzerte veränderten.
Ryan McGarvey vereinte Lichtjahre des Blues auf seinem Griffbrett und gewährte den Zuschauern einen Blick durchs Schlüsselloch auf seine expandierte Vorstellungen des Genres und sein überdimensionales Können. Emotionen wurden wie überschüssige Materie freigelassen und in diesem Gig spiegelten sich die verschiedenen Elemente des Genres in leuchtenden Farben und herber Schönheit. Ryan McGarvey & Co. brachten bekannte Lieder in eine andere Rotationsrichtung und vor dem geistigen Auge der Anwesenden entstand eine eigene Galaxie im Universum des Zwölftakters. Bei dem Amerikaner beinhaltete sein Sternensystem fast ausschließlich magnetische Partikel, von denen man sich nicht befreien konnte. Chris Hill war kein extrovertierter Schlagzeuger. Bei ihm zählte, welche Rhythmen er mit seinen beiden Drumsticks auf den Fellen und Becken kreierte. Knapp eine Stunde bot das hervorragend aufgelegte Trio beste Unterhaltung in Sachen Blues. Angekündigt wurde ein »special second set.«
Die Bedienungen im Club waren so emsig wie immer und sorgten mit einem stets perfekten Timing für den gewünschten Flüssigkeitsnachschub. Nach einer kurzen Pause wurde die zweite Stufe der Geburtstags-Rakete gezündet und die knisternde Spannung entlud sich schon in den ersten "Foxy Lady"-Tönen. Wow! Hammer! Die gesamte zweite Abteilung des Konzerts war Jimi Hendrix, dem Gitarristen, der Musikgeschichte geschrieben hat, gewidmet. In Ryan McGarveys Retrospektive regenerierte er unter anderem auch "All Along The Watchtower", "Hey Joe" oder "Voodoo Chile" mit einem unglaublichen Weitblick. Bei der Vorstellung der Band hatten Chris Hill sowie Sam Miller die Gelegenheit für kurze Solo-Ausflüge und beim letztgenannten Song konnte der Schlagzeuger über psychedelischer Gitarren-Grundierung abermals solistisch auftrumpfen. "Voodoo Chile" wurde zu einer extrovertiert-expressiven Angelegenheit mit Überlänge. Diese Session hatte gigantische Ausmaße und der beschrittene Weg reichte bis zu einem Besuch bei Billy Cobhams "Stratus". Heavy Blues, der schließlich seine finale Erlösung durch die wohlbekannte Tonfolge des Hendrix-Songs fand. Meinte man! Über seine E-Gitarre äußerte sich dann noch eine dramatische Gefühlswelt, die schlussendlich in einer Feedback-Session am Verstärker ihr großes Finale hatte. Vor der Zugabe hörte man Rufe nach "Mystic Dream". Auch schön! Als Schlusspunkt schoss ein knackig-krachend-rockendes "Joyride" durch das blues.
Wenn man einer Person Launen unterstellt, kann so etwas bei Ryan McGarvey nur positiv gemeint sein. Er ist der Künstler, der sich aus den ersten europäischen Auftritten freigeschwommen hat, Konzerte quasi je nach Belieben gestaltet und immer einen Treffer landet. Ryan McGarvey ist der Christopher Columbus des Blues Rock.
Wir bedanken uns bei André Knoch für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Ryan McGarvey (guitar, vocals)
Sam Miller (bass)
Chris Hill (drums)
Bilder vom Konzert in Rhede
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