Im Jahr 1975 traten Smokie zu einem triumphalen Siegeszug rund um die Welt an, der von mehr als einem Dutzend Top-20 Hits unterlegt wurde. 1986 folgte nach Chris Normans Ausstieg die Zusammenarbeit des Sängers mit einem deutschen Produzenten, woraus sich ein Solo-Hit in Form von "Midnight Lady" ergab. Danach war erstmal lange Pause, bis es für Norman in den 2000ern wieder steil bergauf ging (unter anderem hier dokumentiert). Mit "Time Traveller" stellt er nun sein neues Album vor, auf dem sich ausschließlich Cover-Versionen befinden. Die Idee dazu schwirrte dem Engländer schon an die zwanzig Jahre im Kopf rum, was ihm reichlich Zeit für die Song-Auswahl bescherte.
Ehrlicherweise ging ich mit gemischten Gefühlen an dieses Album heran, da die Befürchtung einer glatt gebügelten Studio-Produktion ja nicht wirklich meilenweit von der Hand zu weisen war. Nach einer stattlichen Anzahl von Durchläufen bin ich aber deutlich mehr positiv als negativ beeindruckt. Chris wollte nicht ausschließlich in die weite Vergangenheit abdriften und so befinden sich neben alten Gassenhauern der Sechziger und Siebziger auch einige wesentlich jüngere Tracks unter den zwölf Titeln. Sehr zum positiven Eindruck beitragend ist der Fakt, dass es mitnichten ZU glatt klingt, sondern gelegentlich schon richtig mit Ecken und Kanten zur Sache geht.
Der Genesis-Hit "I Can't Dance" kommt zum Beispiel im rockigen Gewand, von den Pop-Sounds des Originals weitgehend befreit. Ganz frei von geschmacklichen Fragen bezüglich der Musik Normans aus den vergangenen Jahrzehnten betrachtet, steht wohl kaum zur Diskussion, dass der Mann schon immer ein guter, raspelig-rauer Sänger war, was nicht nur dieser Nummer zu Gute kommt. In denselben Kanon fällt auch "Moonlight Shadow" ( Mike Oldfield). Normans Stimme wie Gesang ist klasse, am Arrangement wurde wenig bis gar nichts geändert. Außer, dass es hier erneut rockiger zugeht, als beim Original. Für beide Tracks dürfte aber gelten, dass man, wenn man sie vorher nicht mochte, auch hier keine Erfüllung finden wird.
Mein absoluter Favorit auf dieser Zusammenstellung ist der Tim Rose-Song "Morning Dew". In der Vergangenheit bereits massenhaft von Koryphäen wie etwa The Grateful Dead, Nazareth oder der Jeff Beck Group gecovert, hat sich seit jeher herausgestellt, dass diese magische Nummer einfach nicht kaputt zu kriegen bzw. zu spielen ist. Und auch bei dieser Version besticht eine fiebrige, angespannte Atmosphäre, der durch den starken Gesang etwas Luft verschafft wird. Sehr stark! Ebenfalls sehr gut interpretiert Norman "Sweet Caroline", im Original von Neil Diamond. Und wenn der gute Chris auch nicht über so viel (oder sagen wir mal 'anderes') Charisma in der Stimme verfügt wie Diamond, so liefert er hier dennoch eine starke Version ab.
Eröffnet wird die Scheibe von einer 'Naja'-Version des alten T. Rex-Kloppers "Get It On". Nicht schlecht, aber auch nicht berauschend. Einen drauf legt da schon Primal Screams "Country Girl", das etwas langsamer als das Original, dafür aber mit einem feinen Rock/Boogie-Einschlag gebracht wird. Es liegt wie immer beim Gusto des Hörers, aber ich persönlich kann Titeln wie "Back For Good" ( Take That) oder "Chasing Cars" ( Snow Patrol) auch in der Bearbeitung Normans nicht sonderlich viel abgewinnen. Dafür macht allerdings der Ronettes-Klassiker "Be My Baby" wieder richtig Spaß. Ungewohnt ist, die Nummer von einem Mann gesungen zu hören, nichtsdestotrotz zaubert sie immer wieder ein liebestrunkenes Lächeln ins Gesicht.
Auch die Rolling Stones hat Norman ins Visier genommen. Und zwar in Form ihres Sechziger-Hits "19th Nervous Breakdown", der heutzutage der breiten Masse vielleicht nicht mehr allzu geläufig ist. Ganz nett, aber obwohl es sich um einen geilen Song handelt, springt der Funke hier nicht wirklich über. Aber die Stones sind vielleicht auch nicht wirklich Norman-kompatibles Material. Gut ausgefallen dagegen ist Simon & Garfunkels "Homeward Bound", bei dem es der Engländer schafft, die Einsamkeit bzw. Verlorenheit des Besungenen einzufangen. Schließlich wird das Album mit Green Days "Wake Me Up When September Ends" beendet. Hier fehlt mir der Vergleich mit dem Original, aber Norman bringt den Track eindringlich, mit schöner Piano-Begleitung.
Wie gesagt, die positiven Eindrücke überwiegen bei "Time Traveller" deutlich. Inwieweit die Songauswahl zusagt, mag bei jedermann unterschiedlich sein. Die Scheibe ist auch weder sehr tiefgehend, noch wird sie in meiner Jahres-Bestenliste auftauchen. Aber klasse gemacht ist das schon und es handelt sich zweifellos um ein Qualitätsprodukt. Und anhören kann man sie auch immer und zu jeder Zeit. Meine Favoriten habe ich bereits genannt, also hört mal rein. Bei der ein oder anderen Nummer werden einige ganz sicher überrascht sein.
Line-up:
Chris Norman (lead vocals, electric & acoustic guitars, background vocals)
Geoff Carline (electric guitars)
Jesper Edvardsen (bass)
Morten Hellborn (drums & percussion)
Peter Bodker (piano, organ, Wurlitzer, acoustic guitar)
Christina Groth (background vocals)
Bjarke Falgren (violin, bratsch, cello)
Thomas Edinger (saxophones, clarinets, flutes)
Tracklist |
01:Get It On
02:Country Girl
03:Back For Good
04:Be My Baby
05:Chasing Cars
06:Morning Dew
07:Sweet Caroline
08:Homeward Bound
09:Moonlight Shadow
10:I Can't Dance
11:19th Nervous Breakdown
12:Wake Me Up When September Ends
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Externe Links:
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