Hier habe ich im vergangenen Jahr meine Ungeduld beim Warten auf eine neue CD von Ana Popovic beschrieben, zugleich aber darauf hingewiesen, dass die Protagonistin aktuell im Aufnahmestudio sei, so dass berechtigte Hoffnung auf ein baldiges Erscheinen einer neuen Studio-Produktion bestünde. Jetzt liegt das neue Werk "Can You Stand The Heat" bereits seit einigen Wochen vor, und - um dieses bereits vorwegzunehmen - das Warten hat sich m. E. gelohnt.
Für die Aufnahmen begab sich die mittlerweile zweifache Mutter in die berühmten Ardent Studios in Memphis/Tennessee. Wen sie dort traf, lässt sich dem Booklet zur CD leider nur mit erheblichen Anstrengungen entnehmen, da die Angaben jeweils bei den fast vollständig abgedruckten Songtexten (sehr lobenswert!), jedoch in allzu kleiner Schrift (nicht lobenswert!) vermerkt sind. Immerhin bedankt Ana sich ausdrücklich bei Lucky Peterson, der sie bei "Hot Southern Night" begleitet, sowie bei »the fabulous musicians who played on this record«. Dass diese nicht Mitglieder ihrer üblichen Band waren, ergibt sich aus deren gesonderter Erwähnung im Rahmen der Credits (einschließlich des charismatischen Ronald Jonker, obwohl dieser im vergangenen Jahr auf seiner Homepage den Ausstieg aus der Band bekannt gegeben hatte). Auch das Gruppenbild mit Dame(n) im Booklet zeigt keinen der bekannten Musiker der Band. Das u. a. Line-up ist daher nach bestem Wissen und Gewissen erstellt.
Mehr und mehr habe ich allerdings bei CDs von Ana Popovic das Problem der Zuordnung zu einem bestimmten Genre, zu vielschichtig ist ihre Musik mittlerweile geworden. Waren frühere auf RockTimes besprochene CDs stets dem Genre "Blues" zugeordnet, habe ich gewisse Zweifel, ob diese Eindimensionalität und insbesondere die Zuordnung zum (reinen) Blues richtig ist - die von mir verwendeten Media-Player geben hingegen für das vorliegende Album das Genre "Rock" an, was m. E. allerdings auch nicht passt.
Unterstützt durch phantastische Bläser gibt der Titelsong jedenfalls eine Stilrichtung vor, die am ehesten für eine Gesamtcharakterisierung des Werks passen dürfte: Funk ist angesagt, mit viel Soul. Der Blues ist ebenfalls nicht zu verleugnen, auch wenn der klassische 12-Takter praktisch nicht zitiert wird. Natürlich kommt die typische Ana-Gitarre - jaulend, schluchzend, schreiend - überall zum Tragen, wie bereits das Intro zum folgenden "Can't You See What You're Doing To Me" eindrucksvoll zeigt, dem längere Soli folgen. Schreien tut auch Ana, wenn sie ihre Gitarre gesanglich begleitet, nicht zuletzt, um auch gegen die Bläser anzutreten. Wer bei diesem Song nicht wiederum den Titel des Albums verspürt, der muss in der Arktis leben!
Absoluter Stimmungswechsel zu "Mo' Better Love"; eine in der Tat sehr bluesige Ballade, von der es am Ende des Albums noch eine lateinamerikanische Variante als (zweiten) Bonustrack gibt, die am Ende mit ihrem starken Background-Chorgesang sehr an etliche Werke von Stevie Wonder erinnert - wie auch immer, jedenfalls sehr interessant, beide Versionen auch einmal unmittelbar nacheinander zu hören.
Starker Rhythmus prägt "Object Of Obsession", bei dem der Bass stark im Vordergrund zu vernehmen ist. Und schon wird bei "Boys' Night Out" das Tempo wieder hoch gefahren, begleitet von erneut starkem Gebläse; wenn das kein Funk ist! Blues-Rhythmen sind hingegen bei "Hot Southern Night" zu vernehmen. Das Gitarren- und Gesangs-Duett mit Lucky Peterson bringt erfrischende Abwechslung in die Scheibe.
Und wieder einmal werden für "Every Kind Of People" Tempo und Lautstärke deutlich zurückgenommen. Das ist ja schon am ehesten Bar-Jazz, begleitet von zarten Piano-Klängen, doch auch der kommt überzeugend rüber. Und dann folgt mein absoluter Favorit auf dem vorliegenden Album: "Ana's Shuffle" sagt schon im Titel, was einen bei diesem reinen Instrumentalstück auf der CD erwartet, und daher will ich gar nichts Weiteres dazu sagen, außer, dass das flotte Teil leider viel zu schnell zu Ende ist.
Auch das nächste Stück sagt schon, was man zu hören bekommt: "Blues For Mrs. Pauline" - mit über sieben Minuten der mit Abstand längste Track auf dem Album - ist der wirklich einzige eindeutige Blues-Song. Aber was verarbeitet Ana denn mit diesem Song für ein Trauma? Hat denn wirklich eine böse Nachbarin ihren gerade fünfjährigen Sohn derart angegangen, wie darin beschrieben? Oder meint sie da etwas vorweg nehmen zu müssen? Man nimmt ihr bei dem äußerst intensiv interpretierten Song jedenfalls ab, dass sie ihren Sohn zu beschützen bereit ist.
Mit "Leave Well Enough Alone" wird wieder verstärkt dem Funk gefröhnt, wohingegen das zweite Instrumental-Stück "Tribe" eher eine Fortsetzung der 'Slideshow' darstellt, die sie auf Unconditional mit niemand Geringerem als Sonny Landreth dargeboten hat. Was ich damals als Anspieltipp bezeichnet habe, kann heute auch nicht schlecht sein; und in der Tat macht es eine reine Freude, Ana sliden zu hören.
Eine wirkliche Überraschung stellt für mich "Rain Fall Down" dar, eine Cover-Version der gleichnamigen Single der Rollenden Steine aus dem Jahr 2006. Wollte Ana damit Mick Jagger ein Geburtstagsständchen anlässlich dessen 70. Geburtstags bringen? Wie dem auch sei, jedenfalls ist auch diese Interpretation sehr hörenswert - mir gefällt sie sogar besser als das Original. Versucht sich schließlich Ana Popovic bei "Growing Up To Soon" noch am Reggae? Letztendlich nicht, aber der Song enthält zahlreiche sehr unterschiedliche Stilelemente (einschließlich Kinderchor), bevor die schon erwähnte zweite Ausgabe von "Mo' Better Love" den Abschluss eines wirklich abwechslungsreichen Albums bildet.
Bei doch vernehmbaren unterschiedlichen Stilrichtungen harmoniert die Zusammenstellung dennoch. Es hat wirklich Spaß gemacht, die Scheibe anzuhören, auch wenn die mit dem Albumtitel sowie dem Opener versprochene Hitze nicht durchgehalten wurde. Und letztendlich ist es ja wirklich egal, ob man die neue CD in eine bestimmte Stil-Schublade stecken kann oder nicht. Jedem Ana Popovic-Fan kann ich die CD nur empfehlen, und auch Neueinsteiger bekommen Interessantes geboten, das sich von massentauglichem Einheitsbrei deutlich abhebt.
Line-up:
Ana Popovic (vocals & electric, acoustic and slide guitar)
John Williams (bass guitar)
Frank Rey jr (keys)
Harold Smith (rhythm guitar)
Tony Coleman (drums)
Mark Franklin (trumpet)
Kirk Smothers (saxophon)
Felix Hernadez (percussion)
Lucky Peterson (vocals, guitar & organ - #6)
Tommy Sims (bass guitar)
Sherry Williams, Stefanie Bolton & Sharisse Norman (backing vocals)
Tracklist |
01:Can You Stand The Heat (5:00)
02:Can't You See What You're Doing To Me (3:53)
03:Mo' Better Love (3:27)
04:Object Of Obsession (4:14)
05:Boys' Night Out (2:27)
06:Hot Southern Night [w/ Lucky Peterson] (3:40)
07:Every Kind Of People (4:10)
08:Ana's Shuffle (4:07)
09:Blues For Mrs. Pauline (7:12)
10:Leave Well Enough Alone (4:11)
11:Tribe (5:48)
12:Rain Fall Down (4:08)
13:Growing Up To Soon (2:59)
14:Mo' Better Love [w/ Tommy Sims] (3:27)
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