Nun war es Zeit, die im Hintergrund 'wartende' Bühnendeko mit Burgenwand zu enthüllen. Die Augen der Totenköpfe begannen zu glühen, das Intro wummerte bombastisch aus den Boxen und ARP betraten die Bühne. Der Fünfer legte erwartungsgemäß energisch los und startete innerhalb von einer Sekunde von Null auf Hundert. Die Nummer eins vom aktuellen Album, "Ghost In The Black", war der optimale Opener. Und beim folgenden "Strong As A Rock" nahm Sänger Johnny Gioeli gleich das Publikum mit ins Boot und forderte im Chorus die 'Rock'-Rufe. Der Mann gab unheimlich Gas, forderte und förderte die Stimmung.
Gitarren-Wizard Pell bearbeitete stoisch-geheimnisvoll seine Saiten, stand vorm Burgen-Backdrop wie das Maskottchen seiner eigenen Band und zeigte zwischendurch immer wieder zustimmende Gesten in Richtung Fans - einfach kultig, einfach sympathisch. Bassist Volker Krawczak, cool aufgemotzt mit Piratenkopftuch und hochgesteckter Sonnenbrille, brummelte fein vor sich hin, sang hier und da die Texte der Klassiker mit und flachste auch schon mal mit dem Sänger. Und während Keyboarder Ferdy Doernberg hinter seinen Tastenkästen lässig und zufrieden vor sich hin grinste, fegte Gioeli über die Bühne, als ob man ihm die Wasserflaschen mit Energy-Drinks gefüllt hätte. Mit großen Gesten und viel körperlicher Präsenz interpretierte er den über weite Strecken sehr bekannten Stoff, und sang dabei so genial...
Bei den rockenden Nummern wie "Fool Fool" oder "Carousel" wunderte man sich, woher der Mann die Puste nimmt! Schlag auf Schlag Weltklasse-Vocals. Und noch ein Stück genialer: die epischen Teile! Die Strophe von "Mystica": Doernbergs gespenstische Keyboard-Atmo, und dazu nichts als der Gesang, diese expressiven Screams Gioelis... das sitzt wie im Studio und ist noch eine unglaubliche Klasse besser. Es jagte einem heiße und kalte Schauer über den Rücken. Auch bei der Powerballade "Oceans Of Time" konnte Gioeli seine Stärken zu hundert Prozent ausspielen; ebenso beim frühen Höhepunkt der Show, dem Medley aus "Masquerade Ball", "Casbah" und "Dreaming Dead" mit einem Schnipsel Whole Lotta Love. Das war eine viertel Stunde voller musikalischer Gänsehaut!
Bei "Mystica" mit ausgedehntem Mistreated-Mittelteil bewies Gioeli dann auch noch mit allen möglichen Sperenzchen, was für einen genialen Blues Rock er in der Stimme hat. Für einen herrlichen Moment sorgte ein Metalhead im Publikum, der die Nummer genau so gut hätte ruinieren können, wenn dieser Johnny Gioeli nicht so spontan wäre... Da setzte er zum finalen »Since my baby left me...« an, dann Stille - Kunstpause - und dieser Typ gröhlt hinein »I've been losing my mind.« - »That's right. But only it goes like this« antwortete Gioeli und zog die Töne mit einer Extraportion Tremolo aus den tiefsten Tiefen seiner Seele. Wie im Drehbuch, klasse!
Vom neuen Album gab es außer dem Opener 'nur' "Before I Die" und den Titeltack "Circle Of The Oath", der brillant rüber kam. Der Song hat alles, was ARP ausmacht: das Geheimnisvolle, das Epische und das Rockende. Es mögen manche Mitsing-Klassiker wie "Snake Eyes" oder "Nasty Reputation" gefehlt haben - aber man wird bei einer so immensen Diskografie immer irgendetwas vermissen. Etwas schade war es, dass die Masse der Konzertgänger nur selten richtig euphorisch mitgegangen ist. Vielleicht ist es schon so 'erwartbar', dass die Band live tatsächlich so klasse ist wie man es erwartet? Vielleicht gab es ja deswegen mit "Rock The Nation" nur eine einzige Zugabe - weil die Band fühlte, dass es nicht ganz stimmte. Das lag aber keinesfalls an ihr - die Performance war hingebungsvoll!
Ausgerechnet beim Schlagzeugsolo kochte die Stimmung am meisten - das ist schon eine Seltenheit! Aber bei ARP ist halt ein Kult-Promi am Werk. Schlagzeug-Tier Mike Terrana malträtierte sein Werkzeug mit gewohnter und geliebter Energieverschwendung. Da hängen die Becken absichtlich so hoch, dass er sich auch schön strecken muss - gut für die Show, das sitzt! An sich machte er da nichts Spektakuläres - aber alleine Mimik und Gestik des Irokesen-Trommlers sind schon ein Hingucker. Und wenn man dann noch als Rausgeher Jacques Offenbachs berühmten Cancan aus "Orpheus in der Unterwelt" vom Band laufen lässt und drübertrommelt, dann ist das Spektakel perfekt.
»Well done, grandpa!« Kommentierte Gioeli, »muscles of steel. And the brains of an ice cube...« Mann, die haben schon Spaß. Eine klasse Liveband! Und nach 95 Minuten ARP waren die Bayern immer noch nicht fertig, sondern in der Verlängerung. Das Spiel soll hochspannend gewesen sein - aber ich traue mich zusagen: Die Metalheads in der Garage nahmen noch ein bisschen mehr fürs Langzeitgedächtnis mit als die Fußballgucker.
Danke schön an Heiko Renno von der Garage für die problemlose Akkreditierung.
Line-up Axel Rudi Pell:
Axel Rudi Pell (guitars)
Johnny Gioeli (lead vocals)
Volker Krawczak (bass, backing vocals)
Ferdy Doernberg (keyboards, backing vocals)
Mike Terrana (drums)
Setlist |
Ghost In The Black
Strong As A Rock
Before I Die
Medley:
Masquerade Ball / Casbah / Dreaming Dead / Whole Lotta Love
Drum Solo
Mystica (incl. Mistreated)
Circle Of The Oath
Oceans Of Time
Fool Fool
Keyboards Solo
Carousel
Encore:
Rock The Nation
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