Christine Owman / Little Beast
Little Beast Spielzeit: 37:23
Medium: CD
Label: Glitterhouse Records, 2013
Stil: Alternative Music

Review vom 24.01.2013


Joachim 'Joe' Brookes
Rustikal und so zart... kontrastierender kann ein Coverbild kaum sein. Das Handwerkergerät Säge steht der filigranen Machart eines Netzhandschuhs gegenüber. Nicht nur was hohl ist, kann zum Klingen gebracht werden. Die Schwedin Christine Owman bringt die Säge zum Singen und ist allem Anschein nach eine talentierte Künstlerin, deren Fähigkeiten schier unerschöpflich zu sein scheinen. Sie ist in der Lage, neben der Säge alles zum Klingen zu bringen, was Saiten oder Tasten hat (s. Line-up).
Was sie uns auf ihrem zweiten Werk "Little Beast", dem Nachfolger von "Throwing Knives" (2010) bietet, ist Magie in viel Moll und wenig Dur. Davor erschien "Open Doors" (2008).
Christine Owman ist die Meisterin des Schwermuts. Song für Song lädt sie dem Hörer eine Tonne nach der anderen auf die Schultern (oder vielleicht Trommelfell?). Unglaublich, mit welch langem Atem sie die anscheinend ausgehungerte Melancholie ohne Unterlass füttert. Alleine schon Songtitel wie "Deathbed" oder "I'd Rather Die Than Play Dead" lassen bereits nach dem Opener "Wait No" Dramatik erahnen. Bei Christine Owman nur von Gesang zu sprechen, wird dem Einsatz ihrer Stimme nicht gerecht. Die Protagonistin ist so überzeugend-gewandt im Einsatz des gesungenen wie auch gesprochenen Wortes. Da dürfte an dieser Stelle nur ein Hinweis auf Laurie Anderson reichen. Die Spannweite ihrer Stimme geht allerdings bis zur elfenhaften Intonation.
"Little Beast" gibt der Traurigkeit einen neuen Namen. "Devil's Walk" scheint Christine Owmans musikalische Schminke für Fröhlichkeit, wie sie sie versteht, zu sein. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass die Künstlerin auch in einer Psychedelic Stoner-Band namens DunDun (mit Magnus Sveningsson und Lasse Johansson von den Cardigans) Mitglied ist. Dem einen oder anderen mag sie durch ihr Mitwirken bei Golden Kantine oder Andi Almquist bekannt sein. Außerdem war sie unter anderem Gast auf Bring The Mourning Ons Going, Going, Gone.
Die Songs "One Of The Folks" sowie "Familiar Act" erreichen durch die zusätzlichen Vocals von Mark Lanegan (Screaming Trees) eine transzendentale Ebene. Erstgenannter Track könnte direkt aus der untersten Schublade eines Tiefkühlschrankes entsprungen sein. Die gesamte Atmosphäre der Nummer scheint einem einen Schauer nach dem anderen über den Rücken zu jagen. So etwas eine Gänsehaut der anderen Art, verfehlt aber seine Wirkung in keiner Weise. Hammer! Die Vielzahl von Instrumenten, die Christine Owman einsetzt, werden für die einzelnen Kompositionen mit Fingerspitzengefühl ausgewählt und fast schon minimalistisch eingesetzt. Folglich verfügen die Nummern über eine ausgesprochen außergewöhnliche Intensität. Auch wenn bei "Familiar Act" abermals das Cello das im Zentrum stehende Instrument ist, schafft es die Künstlerin, beiden genannten Liedern ein unterschiedliches Ambiente zu verleihen. Das sich monoton wiederholende Cello gibt dem Track den industriellen Groove einer veralteten, heruntergekommen Lagerhalle mit zerbrochenen Fenstern, verrosteten Eisenträgern und im Zeitlupentempo aus der Decke tropfendem Wasser.
Die wie eine Amöbe unter die Haut des Hörers kriechende Kühle hat eine anziehende Faszination. Der Schlusspunkt einer musikalischen Reise in die Abgründe der Seele, dort, wo kaum jemand mit dem Besen säubert, wird durch "Your Blood" gesetzt. Das Glockenspiel trifft auf die singende Säge sowie fein-dezente Percussion und verdeutlicht, dass auch das Chaos eine Ordnung hat. Den Gegenpart spielt hier der Text einer innigen Liebesbeziehung:
»When you bleed I bleed as well
when your heart aches mine aches too
Like a chill a sunny day
frightens first but goes away«
Das im Digipak befindliche Booklet enthält alle Texte und die erste Seite des Heftchens ist wie ein Geschenk gestaltet. Christine Owmans "Little Beast" ist ein verblüffendes Präsent mit Tiefen- und Langzeitwirkung. Das Album ist ein Magnet in Moll.
Line-up:
Christine Owman (vocals, cello, saw, ukulele, guitar, bass, violin, percussion, drum machine, piano, melodica, glockenspiel)
Mark Lanegan (vocals - #2,4)
Carolina Carlborn (drums, percussion - #5)
Jonas Hagberth (drums - #7)
Tracklist
01:Wait No (2:57)
02:One Of The Folks (4:06)
03:Fear & The Body (3:28)
04:Familiar Act (3:35)
05:Deathbed (3:42)
06:Day 1 (4:11)
07:I'm Sorry I (4:31)
08:Devil's Walk (3:36)
09:I'd Rather Die Than Play Dead (4:08)
10:Your Blood (3:10)
(music and lyrics by Christine Owman)
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