New Boys & Old Songs
Jau, was gibt es nicht alles über einen immer noch vergleichsweise jungen Mann zu lesen, der auf den wenig verkaufs- und karrierefördernden Namen Aynsley Lister hört, eine hammergeile E-Gitarre spielt, sowohl Gibson Les Paul als auch Strat, schöne melodiöse, rockige Songs schreibt, denen stets eine gewisse Bluesgrundierung zu eigen ist, mittlerweile veritabel ins Mikrofon pustet und nicht zuletzt inzwischen gar als Produzent seines aktuellen Longplayers zu glänzen weiß!
Richtig, auch in unserem heißgeliebten Mag taucht dieser Name bereits mehrfach auf. Völlig zu Recht, denn die britische 'Guitarslinger-Nachwuchshoffnung' spielt zweifelsfrei in Liga 1 und wird stetig besser.
Ungeachtet des privaten Glücks mit Ehefrau Anne-Marie und den zwei Nachwuchsrockern Keiana und Riordan hat Mister Lister noch genug Feuer unter'm Arsch, um das verträumte Künstlerdorf Worpswede bei Bremen kräftig aufzumischen.
Leider ohne Miss Sarah Jones hinter der Schießbude, dafür mit Jo Nichols am Tieftöner abermals weibliche Würze in der Band und mit Rich Spooner einen Trommelberserker erster Kajüte an Bord.
Ach ja, nun habe ich fast vergessen zu erwähnen, dass die aktuelle Lister-Tour kein Soloprogramm ist, sondern im Paket mit Ian Parker stattfindet, einem Landsmann, Generations-, Blues Caravan Tour 2006 - und Labelkollegen, welches unter dem Titel 'Double Vision 2007' firmiert. Beide scheinen sich inzwischen regelrecht angefreundet zu haben (oder alles nur Show?) und zollen gegenseitigen Respekt. In welcher Reihenfolge aufgetreten wird, ist keineswegs festgelegt, vermutlich um die Gleichrangigkeit der Künstler zu gewährleisten.
Rein subjektiv betrachtet gibt es selbige aber nicht, denn im Vergleich zu Parker rangiert Lister bereits in einer anderen Liga. Das wird sofort ohrenfällig, als beide zusammen auf der Bühne den Abend eröffnen, mit Schlagwerker und Tastenmann aus der Parker-Band, sowie Bassistin aus der Lister-Band.
Parker hat zwar eine vergleichsweise größere Bühnenpräsenz, eine tolle, raspelige und knapp am Nebelhorn vorbei gelagerte Stimme, aber Bühnengehabe und Saitenspiel wie -sound, kurz gesagt, der künstlerische Ausdruck, gemahnen durchgehend und ziemlich penetrant an einen gewissen Herrn Clapton, auch Erich genannt. Das irritiert mich von Anfang an und zieht sich durch den gesamten folgenden Auftritt, denn an diesem Abend spielt die Ian Parker Band den ersten Gig.
Musikalisch weiß Parker durchaus zu gefallen, aber zu selten wird es richtig packend. Er changiert zwischen Blues, Rock, Soul, Pop und offeriert eine gewisse 'Singer-Songwriter'-Note, die dem Auditorium Konzentration abverlangt. Hier geht's nicht um Partymucke, sondern zuhören ist gefragt. Aber leider gibt es im Grunde nur ein richtiges Highlight, das längste Stück vom aktuellen Album, mit zündender Akustikgitarre, einer stetig steigenden Spannungsverlaufskurve und emotional mitreißendem Gesang. Hier kann Ian Parker fesseln, selbige in Gestalt des allgegenwärtigen Clapton-Sounds abstreifen und sich richtig freischwimmen. Ansonsten aber baut Parker zu häufig Spannungsbögen auf, die dann nicht wirklich ausgespielt werden und ergo in sich zusammenfallen. Hier schlage bitte mal nach im Kapitel Warren Haynes!
Ansonsten ist vielleicht auch das Problem, dass Parker neben der fehlenden Eigenidentität weder richtig bluest, noch richtig rockt. Das Ganze ist einfach etwas irgendwo zwischen Baum und Borke, obwohl der Mann durchaus seine Qualitäten hat.
Fazit: Entwicklungsfähig!
Genau an diesem Punkt ist Mister Lister schon weiter, denn er hat unzweideutig eine eigene Handschrift beim Songwriting und einen eigenen Ton beim Schrubben der sechs Saiten. Dieser ist herrlich schnoddrig, fast schludrig, um dann doch, letztlich punktgenau, sein Ziel zu finden.
Der Mann haut derart lässig Licks, Riffs und Läufe raus, dass einem gerne mal die Spucke wegbleiben darf. Zudem macht das Ganze einfach an, vielleicht der große Hauptunterschied zum Kollegen Parker. Denn Aynsley Lister und Band rocken, poppen, dancen (hallo Radio Bremen Vier, ihr Schnarchnasen!), haben Groove, Schmiss und Verve, dazu noch viel Melodie, ohne Gevatter Blues zu leugnen. Und irgendwie klingt das Gesamtergebnis erstaunlich wenig retro, obwohl natürlich das Rad der Bluesrockschublade beileibe nicht neu erfunden wird.
Das Volk ist jedenfalls schwer begeistert, übrigens erstaunlich altersheterogen, und lauscht neben den Listerschen Darbietungen einer unauffälligen, aber enorm rhythmusfesten und effektiven Jo Nichols und einem Drummer, der geradezu wie diese Type aus der Muppet-Show auf seine Felle und Becken eindrischt, so dass ich jederzeit erwarte, dass die Sticks brechen und die Becken völlig verbeult ihren Geist aufgeben. Aber der Mann spielt bei aller Gewalt enorm präzise. Ein Schweizer Uhrwerk ist nix dagegen. Außerordentlich formidabel!
Die Setlist hat einiges vom sehr guten aktuellen Longplayer Upside Down parat, ansonsten werden die Perlen der bisherigen Veröffentlichungen herausgepickt, freilich mit unvermeidlichen Lücken.
Zum Ende des Gigs gibt es dann diverse Coverversionen, der Protagonist ist warm gespielt und letztlich wollen wir alle doch auch mal richtig mitbrüllen. Und so setzt Aynsley Lister Songs wie "Little Wing", "Hush" oder "Purple Rain" seinen individuellen Stempel auf, rechtfertigt damit sogleich das nicht immer wohlgelittene Covern und macht besonders mit letzterem Titel sein Meisterstück. Erstens, weil das Teil nicht zwingend in seinem Repertoire zu erwarten war (zumindest für alle, die den letztjährigen Blues Caravan verpasst haben) und zweitens, weil er aus diesem geilen Song endlich mal das rausholt, was TAFKAP damals versaubeutelt hat. Um schließlich mitten in einem irrwitzigen, intensiven Solo auf den sechs Saiten den Faden zu verlieren. Aber Aynsley ist inzwischen derart gereift, dass er sich ob dieses Missgeschicks schier kaputtlachen will und das Auditorium fröhlich mitlacht. Genau hier gibt es das größte Gejohle und den heftigsten Applaus. Jawohl, der Mann ist auch nur ein Mensch und hört wenigstens auf, bevor er Knoten in den Fingern hat. Das kann noch lange nicht jeder Flinkfinger von sich behaupten!
Fazit: Ein Mann für höhere Aufgaben!
Zum Schluss steht übrigens der Doppelpack wieder gemeinsam auf der Bühne und es werden Gassenhauer wie "Goin' Down" oder "Everyday I Have The Blues" abgefeiert. Das ist nun wirklich Party pur, Ian Parker wird förmlich vom Rock'n'Roll-Sog mitgerissen und läuft dabei zu großer Form auf. Na also, geht doch. Auch sein offenkundig größtes Vorbild braucht immer ein Pendant an seiner Seite, um richtig explodieren zu können.
Nach dreieinhalb Stunden ist dann leider Schluss und der Rezensent als Gesamtfazit um die Erkenntnisse reicher, dass schlussendlich immer die guten alten Gassenhauer richtig Schwung in die Bude bringen und letztlich doch die Briten bezüglich der Zukunft des Rock'n'Roll die Nase vorn haben. Wir haben die gesamte Zeit über genau das präsentiert bekommen, was gemeinhin als Bluesrockschublade postuliert wird und nicht ein einziges Mal kam mir Stevie Ray Vaughan in den Sinn, selbst Meister Hendrix nur selten. Das können die Amis nicht!!!
Bilder vom Konzert
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