Mich beeinflusst beim Schreiben der Musik auch der Umgang mit Mitmenschen und ihre Beziehungen...
Rocktimes Interview Mikael Persson ist einer der Musiker, die außerhalb Schwedens noch nicht so bekannt sind, es meines Erachtens jedoch verdient haben, weil auch er Musik von hoher Güte abliefert.
Durch Vermittlung von Peter Holmstedt von Hemifrån kam dieses Interview zustande.

Interview vom 25.08.2013


Wolfgang Giese
RockTimes: In welchem Alter hast Du herausgefunden, dass Du Dich wirklich für Musik interessierst und welche Musik war es, die Du zuerst hörtest?
Mikael Persson: Ich interessiere mich für Musik, solange ich mich erinnern kann. 1960 geboren, war ich erst drei Jahre alt, als "She Loves You" 1963 veröffentlicht wurde. Dieses Lied war das erste, an das ich mich bewusst erinnere, wahrscheinlich durch das Transistorradio, das meine Eltern in der Küche stehen hatten. Ich nehme einmal an, dass dieses Lied meine Entscheidung, Musiker zu werden, mit auslöste.
RockTimes: Hat Dich diese Musik beeinflusst?
Mikael Persson: Ja sicher... und da gab es dann noch eine Menge anderer Lieder, die mich fortan beeinflussten, wie "Indian Reservation" (The Raiders), "In The Ghetto" (Elvis Presley) und "Lola" (Kinks) unter anderen...
RockTimes: Haben Deine Eltern musiziert oder waren sie zumindest Musikliebhaber?
Mikael Persson: Nun, ich wuchs in einer sehr religiösen Familie auf. Ganz offensichtlich gab es so eine Menge Musik, obwohl das die Art Musik war, die ich nicht unbedingt sehr mochte. Dennoch war ich recht aktiv in der 'Jesus-Bewegung' der Siebziger und einer meiner Kernpunkte war die Stellungnahme aus dem Jahr 1882 von William Booths, dem Gründer der Heilsarmee, aus 1882: »Why sould the Devil have all the good music?« Mein Vater spielte French Horn in der Bläserband der Kirche und meine Mutter liebte es, zu singen. Ich denke, beide mögen bzw. mochten (meine Mutter starb im letzten Jahr) Musik und man erzählte sich auch, dass sie in ihrer Jugend sehr gerne tanzten.
RockTimes: Machst Du hauptberuflich Musik oder hast Du einen anderen Beruf, den Du ausübst, wenn ja, welchen?
Mikael Persson: Ich bin kein professioneller Musiker. Ich bin als Familien- und Kunsttherapeut ausgebildet und arbeite zur Zeit an einer Therapie mit Straftätern in Verbindung mit häuslicher Gewalt.
RockTimes: Welches sind Deine musikalischen Einflüsse?
Mikael Persson: Ich liebte schon immer gute Musik und gute Melodien, so kommen meine Einflüsse aus jeder Richtung in der Musikgeschichte, von klassischer Musik bis hin zu simplen Popsongs. Um ein paar zu nennen: Mozart, Stravinsky, Frank Zappa, Deep Purple (der Gitarrensound und das Spiel von Ritchie Blackmore sind meine Haupteinflüsse für meinen eigenen Gitarrenstil), Hoola Bandoola Band, Coste Apetrea, Al DiMeola, Elvis Costello, Joe Jackson, Jam, Kate Bush, Peter Gabriel, U2. Mich beeinflusst beim Schreiben der Musik auch der Umgang mit Mitmenschen und ihre Beziehungen, Treffen und Erzählungen unter ihnen, ebenso beziehe ich meine Inspirationen aus anderen Kunstformen wie Malerei, Bildhauerei, Literatur und so weiter...
RockTimes: Was ist Deine Lieblingsmusik?
Mikael Persson: Gerade höre ich sehr viel von Mark Lannegan, Jackie Leven und Bow Thayers. Aber Musik ist bei mir stimmungsabhängig und so wechselt das oft täglich.
RockTimes: Gibt es einige Musiker, die Du bevorzugst?
Mikael Persson: In den letzten fünfunddreißig Jahren gibt es immer wieder Perioden, in denen ich zu Frank Zappa zurückkehrte, als Komponist und Musiker. Es gibt so viel und glücklicherweise kann man sehr viel im Netz über ihn hören (und sein Sohn Dweezil Zappa ist schließlich auch live zu erleben)
RockTimes: Für mich sind Schweden und seine Musik immer etwas besonderes gewesen, im Vergleich zu internationaler Musik. Schließlich habe ich schwedische Musik durch mein Interesse an skandinavischem Jazz - beginnend mit den frühen Siebzigern - kennengelernt und herausgefunden, dass es dort sehr viele wunderbare Musiker gibt und entsprechend hervorragende Musik. Was glaubst Du, warum schwedische Musiker international so wenig bekannt sind, außer Abba??
Mikael Persson: Wirklich weiß ich es nicht, obwohl ich vermute, dass viel bei den Produktionen vom Bekanntheitsgrad abhängt, und da gibt es schon einige schwedische Produzenten, die in ihrem Umfeld gutes Geld einfahren. Mit Namen kann ich da leider jetzt nicht dienen, aber diese Musik ist letztlich sehr globalisiert und im Stil der internationalen nicht unähnlich. Andererseits, was traditionelle Formen schwedischer oder skandinavischer Musik betrifft, ist davon sicher nicht viel bekannt, ich nehme an, vielen vielleicht zu exotisch oder in der Stimmung so anders. So bleibt dies dem Independent-Markt offen und letztlich - so hoffe ich - wird das Internet dazu beitragen, die Musik bekannter zu machen. Schließlich entwickelt sich der gesamte Musikmarkt immer schwieriger und die Tendenz geht einfach dahin, dass sich Nischen für unterschiedliche Musiken ausbilden werden.
RockTimes: Gibt es Deiner Auffassung nach Musiker und Bands in Schweden, die es verdient hätten, so berühmt zu werden wie Abba?
Mikael Persson: Eine Menge! Ich kann jetzt nicht spontan jemanden nennen, außer vielleicht das neue schwedische Talent Laleh... und Citizen K natürlich, und Little Green, unbedingt.
RockTimes: Tourst Du regelmäßig?
Mikael Persson: Nein, leider nicht - infolge so vieler 'ordinärer' Arbeiten und wegen der Familie. Üblicherweise versuche ich einige Gigs zusammenzusuchen und eine Band für den Anlass zusammenzustellen.
RockTimes: Bist Du bereits außerhalb Schwedens aufgetreten, im Besonderen in Deutschland und werden wir das Vergnügen haben, Deine Musik eines Tages auch hier live zu erleben?
Mikael Persson: Ich würde gern für Konzerte unterwegs sein. Meine Musik ist - soweit ich weiß - bereits viel im Radio gelaufen, in Deutschland, Holland und Belgien und vielleicht würde es mal möglich sein, mit einer kleinen Band und einem engen Budget (das wäre gut). In der Vergangenheit hatte ich einst eine kleine Clubtour in den Neunzigern mit einer Band namens Boogie Inc., so in der Gegend um Paderborn herum, aber ich habe da nicht meine eigene Musik gespielt.
RockTimes: Was war der erste Song, den Du geschrieben hast und wann war das?
Mikael Persson: Ich glaube, meine erste Komposition schrieb ich, als ich zehn Jahre alt war. Heimlich lieh ich mir die Gitarre meines Bruders aus und lernte, wie man spielt. Während des Lernens bemerkte ich, dass es recht einfach war, Melodien zusammenzubringen und zu den Akkorden Texte hinzuzufügen. Aber an einen bestimmten Song kann ich mich eigentlich nicht erinnern. Aber seitdem habe ich regelmäßig Stücke geschrieben bis heute, obwohl das Album Mrs. Carter (2007) erst meine erste Veröffentlichung war.
RockTimes: Gibt es einen Lieblingssong, den Du gerne selbst geschrieben hättest?
Mikael Persson: Yeah... der Song, der mir spontan einfällt, ist "Sailing To Philadelphia" von
Mark Knopfler, ein fantastischer Song und Vortrag, der ebenfalls eine großartige Geschichte erzählt.
RockTimes: Mit welchen Musikern würdest Du gerne einmal ein Album aufnehmen?
Mikael Persson: Außer denen, mit denen ich gerade zusammenspiele und sehr zufrieden mit ihnen bin: The Rigolettoz; Tobbe Bäckstrand (Bouzouki), Pelle Johanson (Vocals, Bass), Hasse Lindström (Drums, Percussion) und Citizen K, das hilft mir sehr. Eine interessante Konstellation wäre am Schlagzeug Ian Paice, am Bass Graham Maby (oder Bruce Foxton), an der Gitarre Mark Knopfler, an verschiedenen Streichinstrumenten Ale Möller (der schwedische Star des Folks) an den Keyboards Citizen K (oder Jon Lord, R.I.P) , als Harmoniesängerin Laleh (der fantastische neue schwedische Star!) Nun, wenn das klappen würde…
RockTimes: Hast Du enge Freunde im Musikgeschäft?
Mikael Persson: Ich habe eine Menge guter und enger Freunde im Musikgeschäft. Unter ihnen würde ich meinen Nachbarn nennen, das schwedische Poporakel Citizen K, die kalifornische Singer/Songwriterin Janni Littlepage und Luisa Jordan-Killoran sowie all die guten Freunde, die so nett waren, bei meinem letzten Album Marks & Bleeds zu helfen. Ebenso würde ich Arne Johanson nennen, den Gitarristen und Komponisten in der berühmten schwedischen Band Freda.
RockTimes: Wer ist Dein beliebtester Songschreiber?
Mikael Persson: Nun, es gibt da einige, aber ich mag sehr gern Mark Knopfler, Bruce Cockburn. Eben Leute, die gute Songs mit guten Melodien schreiben können und dabei auch eine Geschichte erzählen.
RockTimes: Würdest Du Deinen Musikstil ändern für den Fall, dass Dir jemand viel Geld verspricht? Das heißt, welche Musik würdest Du spielen, wenn man von Dir erwartet, damit in die Charts zu kommen?
Mikael Persson: Nun, wahrscheinlich könnte ich einen Dancefloor-Remix von "Man With Hound By His Cottage" vorlegen, wenn mir jemand die Knarre an den Kopf hielte. Ich bin grundsätzlich nicht interessiert an Musik, die ich mir nicht selbst anhören würde. Andererseits ist das eine schwierige Frage. Eine Menge Geld würde mir ermöglichen, mehr von der Musik zu spielen und aufzunehmen, die ich gern mag, sicher würde ich so noch einmal darüber nachdenken. Es würde auch Spaß machen, für jemanden anders zu schreiben, vielleicht für einen großen Künstler.
RockTimes: Wie denkst Du über die Entwicklung der Musik während der letzten Jahre - mehr positiv oder eher negativ?
Mikael Persson: Eines der positiven Dinge ist der Einzug von mehr Demokratie im Prozess des Aufnehmens von Musik, unterstützt durch Computer und das Internet. Es hat die Bedingungen für Musiker wirklich verändert und es handelt sich um eine Entwicklung, bei der der Gipfel noch lange nicht erreicht sein dürfte, so vermute ich einmal. Es ist eben so, dass Du aufnehmen kannst, mischen, mastern und auch noch die Promotion vieler Songs einfach von zu Hause durchführen kannst, was letztlich nur noch etwa ein Zehntel von dem kostet, wie noch vor zehn bis fünfzehn Jahren. Andererseits ist so etwas nicht unbedingt gut für Deine Gesundheit in psychischer (und auch physischer) Hinsicht, auch wegen fehlender sozialer Beziehungen, das Gefühl und das Erfolgserlebnis mit anderen Menschen zusammen. Ich habe versucht, diese Dinge zu kombinieren. Wiederum andererseits: Alles, was aus dem Computer kommt, ist nicht unbedingt auch gut, weil es doch recht einfach herzustellen und billig in der Produktion ist.
RockTimes: Wird Schweden erneut den European Song Contest gewinnen? [Anm.: diese Frage wurde noch vor der Veranstaltung im Mai d. J. gestellt]
Mikael Persson: Aber sicher, obwohl ich nicht die leiseste Ahnung habe, wer für uns mit welchem Song auftritt, und ehrlich gesagt, ist mir das auch egal. Aber ganz tief in mir muss ich gestehen, dass ich denke, "Euphoria" [Anm.: Gewinner des ESC 2012] ist ein toller Song (und natürlich auch "Waterloo").
RockTimes: Gibt es noch irgendetwas, was Du den Lesern von RockTimes sagen möchtest?
Mikael Persson: …the present-day composers refuses to die…[Anmerk.: die Antwort lasse ich mal so im Original stehen!]
RockTimes: Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, und vielen lieben Dank an Peter Holmstedt, der dieses Interview ermöglicht hat.
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