Mit Retro Hard Rock, selbst in urigster Seventies-Attitüde, ist es seit geraumer Zeit schwieriger geworden, die unmodernen Headbanger aus ihren Höhlen zu locken. Zu viele Kapellen haben sich in den vergangenen Jahren der besonderen Ästhetik verrauchter und gänzlich analog ausgestatteter Proberäume verschrieben. Ist schon nix Besonderes mehr. Und nun? Tauschen wir die Protagonisten aus packen Ladies statt Gentlemen aufs Cover! Im Falle von The Oath dürfte schon allein die Optik gewisse Reize auf männliche Rezipienten ausüben (Wer hat das jetzt gesagt? Wir kümmern uns doch um die Musik! Uiuiui ...).
Aber nein - ganz so ist es ja gar nicht. The Oath sind ja gar nicht die Umsetzung einer Marketingstrategie (auch, wenn sich die beiden Frontfrauen optisch in ihren knappen Leder-Outfits sicherlich prima vermarkten lassen [Ruhe jetzt!]). Sie sind echt. Richtig echt. Linnea Olsson, Gitarristin aus Schweden, zog es nach Berlin. Dort wollte sie eine Band gründen. Über einen Freund lernte sie dort Sängerin Johanna Sadonis kennen, die gerade auf der Suche nach jemandem war, der (bzw. die) eine Gitarre bedienen konnte. Und es hat gepasst.
Das schwedisch-deutsche Bandprojekt The Oath wird komplettiert durch Bassist Simon Bouteloup (u. a. Ex- Aqua Nebula Oscillator) und Drummer Andrew Prestidge ( Angel Witch, Winters). Und nun: Willkommen in der Zeit, als gestern noch heute war! The Oath klingen dreckig und doomig, roh und urmetallisch. Alles gleichzeitig. Die röhrende Energie von Motörhead trifft auf tieftönige Dunkelmystik à la Black Sabbath, angerührt mit einer schmutzigen Portion Urpunk. In diesem Mix ist die Powerstimme von Johanna Sadonis ein ordentlicher Hinhörer - feminin und technisch fein, aber auch kehlig und dank nebulösem Halleffekt schön unheilschwanger.
Das Ganze ist mehr als bloß ein Gimmick. Die Instrumentalisten haben Klasse und sind verdammt nochmal bereit, sie zu benutzen - prachtvoll polternde Drum-Fills, abgedrehte Bass-Spaziergänge und rhythmische Sperenzchen sind die Folge. Und im Songwriting stecken gute Ideen. Wie "Silk Road" düster drückend im Stile sehr flotter Sabbath-Songs voranpeitscht, um dann jäh das Tempo zu drosseln und fast in sich zu erstarren, bevor ein B-Part mit Doppel-Leads Werbung für epischen US-Metal macht - boah, is das gut. Aber es geht noch besser ...
... wenn auch nach ähnlichem Strickmuster. "Black Rainbow" ist eine dämonisch dröhnende Uptempo-Nummer; und auch hier gibt es ein Break zum Niederknien. Als stünde man plötzlich vor einem Abgrund - Clean-Arpeggien in überspannten Harmonien, dazu etwas Rumgezirpe an den Becken sorgen für eine schön schauderhafte Stimmung. Und dann hat dieser Song auch noch den eindrucksvollsten Chorus von allen - hochgereckte Fäuste zu jeder Viertelnote dürften live on stage garantiert sein. Auch RockTimer wurden schon überzeugt. Apropos live. Laut Promo-Foto (© Kieran Behan) stellt sich die Band selbst da so vor:
Schlichte Scheinwerfer durchbrechen das neblige Dunkel, dazwischen wallende Mähnen und viel Mimik und Gestik. Das hat durchaus was von Led Zeppelin. Ohnehin klingt das akustische Instrumental-Intermezzo "In Dream" wie das Intro von 'Stairway To Heaven, Part II'. Das Feeling stimmt! Und überhaupt machen The Oath nirgendwo was 'falsch': "Death Delight" ist dank schöner Melodiespitzen die Nummer mit dem beeindruckendsten Gesang, "Silver And Dust" ist ein Glücksfall für Fans von True-Epikern à la Atlantean Kodex. Und "Leaving Together" sticht heraus, weil es sich so gespenstisch langsam entfaltet.
Alle Songs von "The Oath" sind wie Lava. Mal brodelt der Vulkan und das Feuer spritzt mit schwefligem Geruch durch die Luft, mal kommt die höllisch heiße Masse fast zum Erstarren, bleibt aber immer noch bedrohlich - auf jeden Fall hört sie nie auf zu Glühen! Zu den Highlights auf "The Oath" gehört neben "Silk Road" und "Black Rainbow" unbedingt auch das abschließende "Psalm 7". Nach dreiminütigem akustischem Minimalismus aus verstörenden Slow-Riffs mit riesigen Pausen geht die Nummer nach gut drei Minuten in einen amtlichen Maiden-Galopp über. Überraschungen haben sie drauf!
Ein Kritikpunkt bleibt: Die Elemente, mit denen die Band arbeitet - schnell und wild oder schleppend und mysteriös - ähneln einander. Und auch der (wirklich gelungene) Sound ist so speziell, dass beinahe jeder Song auch der B-Part zu jedem anderen sein könnte. Schwer vorstellbar, dass das Potenzial für mehr reicht als dieses eine Album - aber diese Scheibe macht ordentlich Spaß! Und nun lassen wir noch Gitarristin Linnéa mit wenigen Worten über sich und Sängerin Johanna beschreiben, was The Oath ausmacht: »Musically, my riffs are the dirt and her vocals the diamonds.«
Line-up:
Johanna Sadonis (vocals)
Linnéa Olsson (guitars)
Simon Bouteloup (bass)
Andrew Prestidge (drums)
Henrik Palm (guitar solos - #1,7,9)
Tracklist |
01:All Must Die (6:36)
02:Silk Road (4:17)
03:Night Child (3:41)
04:Leaving Together (6:05)
05:Black Rainbow (5:49)
06:Silver And Dust (4:52)
07:Death Delight (3:19)
08:In Dream (2:13)
09:Psalm 7 (7:13)
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