Pathosray / Sunless Skies
Sunless Skies Spielzeit: 51:05
Medium: CD
Label: Frontiers Records, 2009
Stil: Prog Metal


Review vom 04.06.2009


Boris Theobald
Pathosray erhoben mit ihrem Debüt von 2007 schon einen fundierten Anspruch auf höchste Weihen im Prog Metal-Zirkus. Eine bloße Fortsetzung auf dem selben Niveau wäre schon aller Ehren wert gewesen. Doch mit "Sunless Skies" schaffen die Italiener nun, zwei Jahre später, noch mehr. Die Band ist erstaunlich gereift. Der Unterschied: Das erste Album war eines, auf das man sich wunderbar einlassen konnte - freiwillig; und man sollte es nicht bereuen. "Sunless Skies" aber ergreift unwillkürlich Besitz vom Hörer: Keine Chance auf ein Entrinnen!
In Empfang genommen wird man von brachialen Gitarrenwänden, tierisch aggressivem Riffing, röhrenden und jaulenden Gitarren. Da ist schon nach zwei Takten des Openers "Crown Of Thorns" die Überraschung perfekt. Man schaut schon mal schnell nach, ob man nicht aus Versehen die letzte Nevermore eingelegt hat...
Fehlanzeige - es sind definitiv Pathosray, die mit einer technisch höchst anspruchsvollen, detailversessenen und tierisch verzwickten Rhythmussektion in hohem Tempo losknüppeln. Nix für Weicheier! Ein beachtlicher Thrash-Faktor hat bei Pathosray Einzug in den Einflussbereich gehalten. Damit folgen sie in etwa der Tradition von Symphony X, die auf "Paradise Lost" auch kaum einen Stein auf dem anderen gelassen haben.
Irgendwie kriegen sie es hin, dass diese Entwicklung nicht - oder sagen wir - kaum zu Lasten der ausschweifenden Melodien geht. In der Strophe passt Sänger Marco Sandron - bis auf ein paar Aussprachedefizite eine Glanz-Performance - den 'Aggro-Faktor' an das Hightech-Geholze an. Derart facettenreich hätte man ihn kaum erwartet! Dann folgt dieser Kniefall-Chorus mit der Intensität einer 80er-Jahre-Power Metal-Hymne und einer überirdischen Melodie, die einen noch bis in den Schlaf hinein verfolgt.
Mancher Song ist generell melodiebetonter als der Opener. So treten die Vorlieben für verspielte Gesangslinien - immer noch ein Markenzeichen der Band - beim Mid-Tempo-Track "Behind The Shadows" stärker zu Tage. Ultraharte Züge haben aber fast alle Songs hier und da. Dennoch lebt die Spannung von sehr gegensätzlichen Atmosphären auf engstem Raum und wesentlich kompakteren Spannungsbögen als noch beim ersten Album.
Überhaupt agieren Pathosray sehr songdienlich. Und das bezieht sich auch auf den instrumentalen Bereich. Es gibt keine gestreckten Soli à la Dream Theater, stattdessen bleibt's kurz und knackig. Und soooo gut! Die Soli sind wehmütig, expressiv, dramatisch. Man hat, in "Behind The Shadows" beispielsweise, das Gefühl, ein gutes altes Queensrÿche-Parallelsolo der Marke 'Mindcrime' zu genießen - jedoch nicht mit zwei Gitarren, sondern in der Kombination Gitarre-Keyboard.
Und auch sonst widersprechen 'songdienliche Strukturen' keinesfalls modernem Prog Metal und machen die Stücke nicht einfältig. Im Gegenteil: Pathosray heben den Abenteuerfaktor! Zu Beginn von "Aurora" wird man spacig-atmosphärisch angefixt, bei "Quantic Engima" mit einem Akustikgitarren-Drive, bevor sich Spannung aufbaut. Ein paar Takte Hammond-getriebener Classic Rock ("Quantic Enigma"), ein paar orientalische Anderthalbtonschritte ("The Coldest Lullaby"), kurz angedeutete spanische Gitarren ("For The Last Time") - all das sind Details, die beim ersten Hören überraschen und auf die man schon beim zweiten Mal gebannt wartet, weil sie einfach perfekt ins Spannungsfeld der Stücke passen.
Unverhofft kommt oft: Anfangs des Quasi-Titeltracks "Suns Of The Sunless Sky" klingt man nach Melodic Death Metal; und doch folgt Klar-Gesang - düster, im Stile von Evergrey. Am Schluss von "Quantum Enigma" hätte dagegen nach einer süß-balladesken Atmosphäre keiner mehr mit Growls gerechnet. Willkommen in der Musik der unbegrenzten Möglichkeiten - das ist Prog Metal par excellence!
Eine starke Bereicherung des Spektrums sind auch die Beteiligungen zweier Gast-Sängerinnen. Bei "The Coldest Lullaby" ist es Klaaire, deren Stimme einen gelungenen lieblichen Kontrast zum druckvollen Gesang Marco Sandrons bildet. Bei "Poltergeist" tritt Silvia Marchesan in einem fesselnden Finale auf.
Achteinhalb Minuten dauert dieser längste Song des Albums und entwickelt seine Bannwirkung wie kein anderer aus dem Kontrast von schwerlastigen, teils mit symphonischem Bombast angereicherten Metal-Passagen und krassen Einschnitten im Energielevel. Brummelnde Bass-Unterlagen mit Gesang in unheilschwangerer Keyboard-Atmosphäre 'explodieren' im nächsten Moment - der Gesang springt eine Oktave höher, wird gedoppelt, und die Gitarren schreddern. Das sind Glücksmomente, gerade auch für gar nicht so proggige Metaller.
Und als der Song schon 'gefühlt' vorbei ist, entwickelt sich ein ganz neues Motiv, ein balladenhaftes Thema, das sich Takt für Takt hochschraubt. Bis dann jene Silvia Marchesan ihren Auftritt hat: eine entfesselte, Gospel-hafte Performance, fast im Stile von Pink Floyds "Great Gig In The Sky". Zum ich-weiß-nicht-wievielten Mal jagen Pathosray dem gebannten Zuhörer Schauer über den Rücken.
Das Album endet mit einer von zwei Balladen. Nach der sehr graziösen, an Vanden Plas erinnernden Power-Nummer "In Your Arms" wird der Schlusstrack "For The Last Time" nur von Akustikgitarre, Klavier und einem Schellenkranz begleitet. Dieses Stück wirkt wehmütig, wie ein Abschied. Und es greift das letzte Gesangsmotiv von "Poltergeist" nochmals auf, was dem Album somit noch eine besondere Architektur verleiht.
Pathosray ist mit "Sunless Skies" ein Quantensprung gelungen - eine lehrbuchhafte Verschmelzung von Kompaktheit und raumsparender Komplexität. Mit "Sunless Skies" haben sie den Durchbruch im Genre mehr als verdient!
Line-up:
Marco Sandron (vocals)
Fabio D'Amore (bass, backing vocals)
Alessio Velliscig (guitar)
Ivan Moni Bidin (drums)
Gianpaolo Rinaldi (keyboard)

Guest musicians:
Klaaire (vocals - #7)
Silvia Marchesan (vocals - #8,9)
Tracklist
01:Crown Of Thorns (4:42)
02:Behind The Shadows (5:44)
03:Aurora (4:52)
04:Quantic Enigma (5:57)
05:In Your Arms (4:48)
06:Sons Of The Sunless Sky (5:45)
07:The Coldest Lullaby (4:25)
08:Perpetual Eclipse (2:17)
09:Poltergeist (8:34)
10:For The Last Time (4:01)
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