Pretty Things / Live 2007,
Special guest: Arthur Brown
07.12.2007 Bluesgarage, Isernhagen
Bluesgarage
Pretty Things / Live 2007,
Special guest: Arthur Brown
Bluesgarage, Isernhagen
07. Dezember 2007
Stil: Rock, R&B


Artikel vom 12.12.2007


Jürgen Bauerochse
Mein wahrscheinlich letztes Konzert im Jahr 2007 führte mich noch einmal weit in die Vergangenheit der Rockmusik zurück. Immerhin stehen die Pretty Things seit dreiundvierzig (!) Jahren auf der Bühne. So lange ist es inzwischen her, dass die Band sich mit einer Gruppe namens Rolling Stones um die Vorherrschaft als beste R&B-Band stritt und knapp unterlegen war.
So war dieser Termin eine willkommene Gelegenheit, die Things mal live zu erleben. Um ehrlich zu sein, muss ich zugeben, dass mir die Band bis jetzt so ziemlich durchgegangen ist, doch zum Glück ist Vielseitigkeit ja eine der ganz großen Stärken von RockTimes. So hatte ich mit dem Kollegen Berking einen wie immer kompetenten Partner an meiner Seite, der ja auch gerade erst das neue
Studio-Album der Pretty Things besprochen hatte und somit genau wusste, wo der Gig langging.
Dass zusätzlich der 'God Of Hell Fire', Arthur Brown mit dabei war, bot einen weiteren Reiz, denn auch ihn sah ich zum ersten Mal live on stage. Natürlich war ich neugierig auf seine Interpretation von "Fire", denn die kannte ich bisher nur aus dem Bremer Beat Club , wo er mit Flammenhelm auf dem Kopf eine wahrhaft dämonische Vorstellung gab, die bis heute zu den Markenzeichen dieser Kultsendung gehört.
Auch anhand des Publikums, das sich in Isernhagen eingefunden hatte, konnte man gleich erkennen, aus welchem Jahrzehnt die großen Erfolge der angesagten Musiker stammten, denn diesmal gehörten wir wahrscheinlich zu den jüngeren Besuchern im sehr gut gefüllten Saal der Bluesgarage. Eine Tatsache, die auch nicht allzu häufig vorkommen dürfte.
Pünktlich um 21.00 Uhr begann King Arthur seinen Auftritt. Das heißt, ich vermutete, dass es sich um Arthur Brown handelte, denn neben Nick Pynn, der die musikalische Begleitung übernommen hatte und seinen Part an Gitarre, Geige und Bass (mit den Füßen gespielt) hervorragend machte, betrat ein total vermummter Typ die Bühne. Ein langer schwarzer Mantel, den Kopf mit einem gleichfarbigen Tuch umwickelt, dazu ein schwarzer Hut und ein Wanderstab, gaben ihm das perfekte Aussehen des Sensenmannes. Schon gleich zu Anfang der Beweis, dass der Mann noch immer völlig abgedreht ist. In diesem Outfit absolvierte er auch die ersten beiden Songs seines Programms, bevor er dann im glitzernden Bühnenanzug seinen äußerst markanten Body freilegte.
Der Gig an sich bestätigte meine Erwartungen. Nach wie vor absolviert der Mann eine völlig abgefahrene Bühnenshow. Neben der schon erwähnten exzellenten Begleitung von Nick Pynn gab es ziemlich eigenwillige Sounds auf die Ohren. Schwer verdaulich, aber nicht uninteressant. Die Stimme des 'God Of Hell Fire' ist noch immer markant und beeindruckend, sodass Songs wie "Devil's Grip" und natürlich "Fire" zwar eigenwillig, aber durchaus als gelungen zu bezeichnen sind.
Aber trotzdem hatte ich mit Browns Bühnenshow so meine Probleme. Wahrscheinlich kann man ohne diverse chemische Hilfsmittel die Tiefen des Auftrittes nicht so leicht ergründen, oder ich bin dazu schlichtweg nicht in der Lage. Kurz und gut, es war okay, Arthur Brown live zu sehen, aber ein zweites Mal muss ich mir das nicht geben.
Doch nun zu den Pretty Things. In bester Blues Brothers-Manier, in korrekten schwarzen Anzügen, rotzten sie von Anfang an einen derart dreckigen Sound aus den Boxen, dass mir Hören und Sehen verging. Da war kein einziger Ton glatt poliert oder zurückhaltend gespielt. Das war pure Energie, die diese Altherrenriege an den Tag legte. Von der Power können sich etliche andere Bands eine dicke Scheibe abschneiden. Jetzt war mir schlagartig klar, was die Things in ihrer Anfangszeit so stark gemacht hatte, und ich ziehe den Hut vor dieser Band.
Dabei stand Dick Taylor für mich ganz oben in der Reihenfolge. Obwohl dem 64-Jährigen die Spuren des wilden Tourlebens buchstäblich ins Gesicht geschrieben sind, war seine Gitarrenarbeit das reine Vergnügen. Elektrisch oder akustisch, Lead oder Slide, der Mann ist ein wirklicher Könner seines Fachs. Jedes seiner Soli verbreitete eine unglaubliche Spannung im Saal, die fast körperlich spürbar war.
Frank Holland an der zweiten Gitarre stand ihm nicht viel nach. Auch er ließ die Klampfe kraftvoll ertönen und kniete sich voll rein. So spielten sich die beiden Axemen ihre Parts absolut gekonnt gegenseitig zu. Überhaupt muss man sagen, dass die Pretty Things live ein ganz anderes Kaliber als auf ihren Studio-Produktionen sind, bei denen es kaum Soloeinlagen zu hören gibt. Meiner Meinung nach schaffen sie es zu keiner Zeit, den Live-Sound auf die Studio-Arbeiten zu übertragen, aber das geht ja vielen Acts so.
Die Rhythmusgruppe mit Wally Waller am Bass und dem neuen Drummer Jack Greenwood (vom Aussehen könnte er gut und gerne der Enkel der anderen Bandmitglieder sein) tat ein Übriges zu diesem Knaller-Sound. Unbarmherzig vermöbelte Jack die Felle und Becken und ließ sich von dem aggressiven Bassspiel Wallers immer weiter anspornen. Die Bluesgarage erzitterte in ihren Grundfesten. Dazu trug auch der kraftvolle Harmoniegesang bei, an dem sich fast alle Bandmember beteiligten. Mit Mark St. John hatte man sogar noch einen zusätzlichen Backgroundsänger dabei, der diesen Effekt weiter verstärkte.
Apropos Vocals: Frontmann Phil May ist nicht nur einer der ausdrucksstärksten Shouter der Szene, sondern auch noch ein perfekter Entertainer. Ständig auf Achse, bewältigte er ein unglaubliches Pensum bei diesem Auftritt. Er ist schon ein echter Showman der alten Schule, der ganz genau weiß, wie er das Publikum auf seine Seite bringen kann. Des Weiteren ergänzt er den Gesamtsound der Band durch sein Harp-Spiel oder durch diverse Percussions, die er ebenfalls sehr publikumswirksam einsetzte. Das kann man nicht lernen, so was muss angeboren sein.
So ist es nicht verwunderlich, dass an diesem Abend eine ziemlich ausgelassene Stimmung in der Bluesgarage vorherrschte, die sich über die gesamten achtzig Minuten hinzog. Auch den Musikern schien diese Show Spaß zu machen. Man merkte ihnen die Spielfreude vor allem bei den improvisierten Zwischenspielen an, bei denen sie sich immer wieder gegenseitig anfeuerten und anspornten.
Für mich am stärksten waren auch hier die Bluesstandards, allen voran der "Hoochie Coochie Man", bei dem auch Arthur Brown noch einmal auf die Bühne zurück kam und sich den Lead-Gesang mit Phil May teilte.
Die Pretty Things gehören auch nach so vielen Jahren lange nicht zum alten Eisen, sondern können auch heute jede Halle in einen brodelnden Kessel verwandeln. Dieser Gig war ein würdiger Abschluss meines Konzertjahres, in dem ich sehr viele starke Auftritte erlebt habe. Mal sehen, wie es 2008 weitergeht!
Line-up:
Phil May (vocals, harp, percussion)
Dick Taylor (guitar, vocals)
Frank Holland (guitar, vocals)
Wally Waller (bass, vocals)
Jack Greenwood (drums)
Mark St. John (backing vocals, tambourine)

Special guests:
Arthur Brown (vocals, guitar)
Nick Pynn (guitar, violin, bass)
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