...in Deutschland ist die Musikszene komplett am Arsch!
Rocktimes Interview Interview mit Pussy Sisster anlässlich des H.E.A.T.-Festival im H2O in Reichbach am 16.10.2010


Interview vom 02.11.2010


Jürgen B. Volkmar
RockTimes: Es freut mich, dass ihr RockTimes die Gelegenheit für dieses Interview ermöglicht. Kommen wir doch gleich zur neuen CD. Ich hatte die Möglichkeit die Kritik zu machen und ich muss sagen, dass im Vergleich zur ersten Veröffentlichung ein gewisser evolutionärer Fortschritt zu verzeichnen ist. Genauer gesagt, sie kommt schärfer als der Vorgänger raus. Ist das auch Eure Meinung oder was denkt ihr?
Chris: Ja. Das ist auch unsere Meinung. Vor fünf Jahren, als wir die Erste produziert haben waren die Umstände natürlich anders, jetzt ist alles professioneller. Damals haben wir alles selbst aufgenommen und selbst produziert. Diesmal waren wir bei Dennis Ward und bei Patrick Damiani, das heißt die ersten vier Songs auf diesem Album wurden von Dennis Ward produziert und die zweiten fünf Lieder von Patrick Damiani . Es war auch eine Kostenfrage.
RockTimes: Wie seid ihr eigentlich zu Dennis Ward gekommen, denn der Mann ist wirklich kein Unbekannter?
Chris: Die Verbindung kommt von Pink Cream 69, mit denen wir einige Male gespielt haben und hat sich dann so ergeben.
RockTimes: Man merkt wirklich ziemlich deutlich, dass die Scheibe topprofessionell produziert ist und braucht daher die Vorbilder aus den USA, wenn ich hier davon sprechen darf, eigentlich nicht zu scheuen. Das ist hier meine persönliche Meinung.
Aber übrigens Vorbilder. Auf eurer Website sieht man eine lange Liste davon.
Alex: Ist das wirklich so? Ich habe mir das schon lange nicht mehr angeschaut (lacht).
RockTimes: Welche speziellen Idole hattet ihr eigentlich, als ihr begonnen habt selbst zu spielen?
Chris: Kiss, Mötley Crüe, Guns N' Roses, aber hauptsächlich Kiss.
Mr. Coma: Einzelne Musiker haben natürlich andere Vorbilder. Whitesnake als Beispiel und natürlich auch die ganze L.A.-Schiene.
RockTimes: L.A. Guns, Cinderella usw.
Chris: Unser neues Album läuft zwar unter Sleaze Rock. Warum eigentlich? Es ist für jeden etwas dabei. Es wurde einfach Sleaze genannt.
RockTimes: Ich sehe das genauso. Unter Sleaze Rock versteht man eigentlich etwas anderes. Wenn man es genau betrachtet, ist es Rock'n'Roll mit US-Prägung, was eigentlich sehr vorteilhaft ist. Kommen wir doch gleich zur nächsten Frage. Alex, Du sagtest auf der Bühne, L.A. sei Deine Lieblingsstadt.
Alex: Eine meiner Lieblingsstädte und Karlsruhe natürlich (Gelächter).
RockTimes: Ihr seid eigentlich, ich hoffe ihr nehmt es mir nicht übel, durch die Sendung "Goodbye Deutschland" überregional bekannt geworden. Ihr könnt es wahrscheinlich nicht mehr hören. Wie seid ihr eigentlich dazu gekommen?
Alex und Chris: Das war auch unser Ziel, deswegen haben wir es auch gemacht.
RockTimes: Wie seid ihr eigentlich in diese Sendung gekommen?
Chris: Nun, wir machen das jetzt schon acht Jahre und als wir bei "Goodbye Deutschland" waren, gab es die Band schon über sechs Jahre. Es war bisher immer so, dass wir alles in Eigenregie gemacht haben, d.h. auch alle Finanzierungen haben wir selbst in die Hand genommen. Auch unsere Eltern haben uns gefördert bzw. gesponsort und da auch in der Musikbranche einiges, wie man so schön sagt, über Vetterleswirtschaft läuft, habe ich mir überlegt, wie kann ich die Band am schnellsten bekannt machen? Wie brauche ich am wenigsten Geld und wo habe ich den größten Werbeeffekt? Da habe ich mir eine Story ausgedacht, was wir machen wollen und dann habe ich dem Sender geschrieben, dass wir in die USA gehen wollen und das entspricht schließlich der Realität, denn das ist schließlich nicht gelogen und darauf sind sie sofort angesprungen. Ja so war das eben und das war sehr hilfreich. Natürlich gab es sehr viele die gesagt haben, Oh Gott, sind die naiv, aber wenn sie den Hintergrund gewusst hätten, dann wäre diese Frage nicht gekommen, denn schließlich war es pure Absicht. Manche lieben uns und manche hassen uns deswegen. Aber beides ist Werbung.
Alex: Wir machen eben einfach weiter.
Chris: Genau!
RockTimes: Ich muss wirklich sagen, von der Idee her genial. War das Dein Einfall?
Vital und Chris: Ja, wir waren die ersten und das machte auch in Deutschland die Runde: Was ist das für eine Band, fragten natürlich einige.
Denn in dieser Richtung gab es das bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Das ist natürlich das Gegenteil von einer Talentshow, wo dann alle wie die Idioten in New York rum rennen, denn so was wollen wir nicht.
Pussy Sissters mit unserem Redakteur RockTimes: Da gibt es natürlich dann nur noch eine Steigerung, wenn ihr zusammen mit der Katzenberger auf der Bühne steht.
Pussy Sisster: (Gelächter) Nein, nein!
Alex: Dann doch lieber hinter der Bühne (lacht)!
Chris: Wir wissen schließlich was wir machen wollen und das ist der Unterschied zu der Katzenberger. Ich gönne ihr das wegen dem Ziel das sie verfolgt. Ihr Ziel ist eben nur irgendwie, irgendetwas zu machen, aber bei uns geht es immer um die Musik. Wir brauchten "Goodbye Deutschland", um auf unsere Musik aufmerksam zu machen.
RockTimes: Manche dachten tatsächlich, dass ihr wirklich auswandern würdet?
Chris: Sagen wir einmal so, wir müssen die Story folgendermaßen aufrollen.
Die Grundidee war keine Lüge, denn wir hatten damals Probleme in der Band mit zwei Musikern. Dem einen davon haben wir ein Ultimatum gestellt wegen einer Frau, so wie es eben oft ist und dann waren eben beide weg. Und dann haben wir überlegt, bevor wir Vitali und Mike in die Band geholt haben, was machen wir? Dann hatte eine Agentur in den USA uns angeschrieben, dass wir drüben touren können und sie würden alles regeln. Und daher kam der Gedanke, dass wir wirklich ein Jahr drüben bleiben wollen, weil wir schon immer in den USA leben wollten. Das war der Plan. Und dann kam es so, dass diese "Goodbye Deutschland"-Sache anfing und wir die Zusage bekamen. Dann stellte sich heraus, dass diese Agentur ein Betrug war. Es war nämlich ein weiblicher Fan in den USA, der wahrscheinlich von einem von uns etwas wollte. Das ging ein Jahr lang mit Anrufen und Sonstigem. Ich habe dann zwar alles versucht, Anrufe usw., aber wir konnten "Goodbye Deutschland" nicht mehr absagen, denn die Tour war geplant. Was machen wir jetzt? Denn zurück geht nicht. Dann haben wir irgendeine Frau drüben gesucht und zu ihr gesagt: Du bist jetzt die Tourmanagerin und organisierst Konzerte (lacht). So war die Reise eben nur vier Wochen und sollte natürlich schon ein Jahr gehen. Aber es war eben eine Lüge nur wegen dieser Dame dort, so mussten wir eben improvisieren.
RockTimes: Wie kam denn diese Tour dort an?
Chris: Okay. Die letzte, jetzt im September, wir waren mittlerweile drei mal in den USA auf Tour, wurde von Mal zu Mal besser. Also erstens von der Band her, denn mit den Jungs hier haben wir den goldenen Treffer gelandet. Und auch die Locations wurden immer besser. Vor drei Jahren haben wir im kleinsten Club in Los Angeles gespielt und jetzt im Viper Room von Jonny Depp. Da waren ca. 200 Leute da. Also, es steigert sich.
RockTimes: Viper Room, das ist eigentlich enorm. Eigentlich wollte ich jetzt fragen ob ihr schon im Viper Room gewesen seid, das ist dann somit beantwortet.
Chris: Ja, da haben wir gespielt und das war schon eine geile Sache. Das kam nur noch nicht im TV, weil sie bis jetzt nur vier Tage von den Dreharbeiten gezeigt haben.
RockTimes: Wie beurteilt ihr eigentlich momentan die Musikszene so? Die allgemeine Entwicklung, national und international, speziell natürlich in den USA? Ihr seid drüben gewesen und habt wesentlich mehr Informationen als andere Bands hier bei uns!
Alex: In Deutschland gibt es ein Problem, dass Bands aus dem Ausland kommen und hier groß gepusht werden und die deutschen Bands werden etwas zur Seite geschoben, denke ich. Ich meine in Deutschland ist die Musikszene komplett am Arsch. Schau Dir doch das einmal an. In der Sendung mit Dieter Bohlen wird einer gepusht, der dann für einen Tag groß rauskommt und das war's dann. In den USA, gut das war jetzt mein Eindruck, da wird noch viel im Radio gespielt, also auch Rock, da ist wirklich für jeden etwas dabei.
Chris: Ja, das ist wirklich schlimm in Deutschland, wie mein Bruder gesagt hat. Die deutschen Bands werden in Deutschland von den Platenfirmen oder Veranstaltern leider nicht so, wie manche ausländische Bands gepusht. Und irgendwelche Bands z.B. aus Schweden machen sie zu Supergöttern und die eigenen Bands lassen sie hinten verkümmern. Wenn man allerdings als deutsche Band nach Schweden oder nach Australien will, sagen die sofort: Nein, wir machen nur unsere Bands. Das heißt, da ist wirklich mittlerweile ein Unterschied in der Musikindustrie. Aber wir müssen durch und wir wollen auch durch. Denn ich sage immer, wenn man alles geschenkt bekommt oder es zu leicht ist, das ist auch nichts. Denn eine Band muss sich über die Jahre entwickeln und dann hat sie auch ein festes Gerüst und kann dann auch nicht so schnell abstürzen.
Alex: Ja das ist richtig und es stimmt, denn es ist wirklich ein stetiges Auf und Ab und nur die Besten halten sich! Damit ist gemeint, diejenigen mit dem besten Potenzial. Denn Marc ist jetzt zwanzig Jahre alt und in vier Jahren ist er noch besser wenn er weitermacht. Wenn er aufhört, dann eben nicht.
RockTimes: Ich gehe doch einmal stark davon aus, dass er weitermacht.
Chris: Eine weitere Schwachstelle in der Musikbranche ist, dass Bands die wirklich gut spielen, sich teilweise in Konzerte einkaufen müssen. Nicht so wie früher, da hieß es, ihr spielt und bekommt € 400,00 Gage, sondern die müssen noch zahlen dafür. Das geht meiner Meinung nach in die falsche Richtung.
RockTimes: Ihr kommt gerade aus den Staaten. Die haben dieses System schon seit Jahren. Pay to play. Seid ihr damit auch konfrontiert worden?
Chris: Das haben wir nicht gemacht. Sie haben es zwar versucht, auch wenn es nur $ 300,00 waren, aber wir haben nicht bezahlt. Wir hätten natürlich viel mehr Konzerte machen können, aber ich sehe nicht ein, dafür noch zu zahlen.
RockTimes: Das ist wirklich nachvollziehbar.
Chris: Denn mit was sollen wir denn sonst Geld verdienen, wenn nicht durch die Konzerte? Manche sagen zwar, Du musst Geld investieren, aber es sollte eben auch einmal etwas rüberkommen.
RockTimes: Gehen wir doch einmal zum neuen Album, denn das ist auch etwas, was unsere Leser interessiert. Ich gehe einmal davon aus, dass alle die hier sind, ihren Input eingebracht haben oder sind es nur ganz spezielle Leute bei euch, die texten und komponieren?
Chris: Manchmal schreibt er ein Lied (deutet in die Runde) und bringt es mit, einer schreibt dann den Text dazu und die Feinheiten macht dann die ganze Band. Wir machen eben alles zusammen.
RockTimes: Wie lange habt ihr eigentlich diesmal gebraucht um die Scheibe einzudosen?
Chris: Sieben Tage.
RockTimes: Wie bitte, nur sieben Tage?
Chris: Wir hatten eben nicht mehr. Mit Auf- und Abbau.
RockTimes: Fließen da eigentlich auch persönliche Gegebenheiten oder Erlebnisse in eure Tracks ein?
Marc O.: Das kommt darauf an. Manchmal verarbeiten wir persönliche Geschichten.
RockTimes: Wer kam eigentlich auf den Namen Pussy Sisster?
Chris: Wir haben gedacht, wir brauchen einen Namen, den man einmal hört und der dann gleich drin ist. Natürlich auch provokant, ich denke Pussy Sisster ist schon der richtige Name. Vielleicht werden viele darüber lachen, aber er ist okay.
RockTimes: Wie sieht es eigentlich bei euch aus. Wie werdet ihr denn so unterstützt von eurem Label?
Chris: Gut. Sie haben uns jetzt ein Teil von dem Album bezahlt, obwohl wir das mit dem Album schon hatten, haben sie gesagt, wir geben euch soundsoviel Geld und sie haben unsere Bedingungen erfüllt, d.h. in jedem großen Rockmagazin eine Viertelseite veröffentlicht und wir hatten dann auch ca. 1 Seite in Form eines Interviews.
RockTimes: Könnt ihr eigentlich von euren Einnahmen leben?
Chris: Wir versuchen es.
RockTimes: Die Garagen sind noch nicht voll mit diversen Sportwagen?
Chris: Ein Auto hat zumindest jeder (lacht). Mit dem Ferrari warten wir noch etwas (lacht).
RockTimes: Jetzt hätte ich noch eine Frage, die eigentlich überall gestellt wird. Persönliche Vorbilder? Fangen wir bei dem Gitarristen an.
Marc O.: Zakk Wylde und Doug Aldrich von Whitesnake.
Vital Roxx: Nicht viele. Mike Portnoy und Tommy Aldridge
Alex: Paul Stanley von Kiss.
RockTimes: Übrigens, aber das nur nebenbei. Ich habe die ganze Zeit nachgedacht mit wem Du eine Ähnlichkeit hast. Kennst Du dich in Australien zufällig aus? Da gibt es einen Sänger mit Namen Juno Roxas, er hatte auch eine Band mit Namen Roxas, die auch im Sleaze-Bereich aktiv waren. Das fiel mir schon das erste Mal auf, aber ich bin einfach nicht darauf gekommen.
Alex: Tatsache (lacht)? Nein, den Namen kenne ich leider nicht.
RockTimes: Seid ihr schon einmal in Australien gewesen?
Pussy Sisster: Nein, bisher noch nicht.
RockTimes: Na, vielleicht klappt es dann mit der nächsten Auswanderer-Serie.
Pussy Sisster: (Gelächter) Nein, aber wir gehen lieber wieder in die USA.
RockTimes: Aber bleiben wir noch bei den Vorlieben. Mr. Coma, wie sieht es bei Dir aus?
Mr. Coma: Bei mir passt es nicht so ganz. Marilyn Manson, provokante Show und das Image das er sich aufgebaut hat, den kennt jeder. Egal ob es eine alte Frau ist oder sonst irgendjemand.
RockTimes: Kann man sagen, dass Du etwas mehr in den Gothic-Bereich tendierst?
Mr. Coma: Kann man nicht unbedingt sagen, denn ich höre alles. Rock'n'Roll natürlich.
Alex: Sogar Disco-Music. Wenn wir Partys feiern, kommt das immer gut. 70er Songs, wegen der Mädels. Da sind die Mädels immer locker drauf (Gelächter).
RockTimes: Wie geht es weiter bei euch? Das Jahr ist bald vorbei. Habt ihr spezielle Pläne? Tournee oder vielleicht eine neue CD?
Chris: Zwei Konzerte mit Pretty Maids, dann geht es weiter mit D.A.D., mit denen wir auf Deutschland-Tour sind, und nächstes Jahr dann wieder in die USA.
RockTimes: Hat sich eigentlich die neue Popularität, ihr seid jetzt wesentlich bekannter als vor zwei Jahren, positiv auf die CD-Verkäufe ausgewirkt?
Chris: Das kann ich jetzt noch nicht sagen, das wird immer vierteljährlich bekannt gegeben.
Alex: Uns geht es auch nicht darum die großen Verkäufe zu machen, wir sind für die Musik da und eben als ein Teil der Musikszene.
Chris: Genau und nicht nur als TV-Kasper. Klar, die Werbung war gut, und wichtig war jetzt die neue CD und wir werden sehen wie es weitergeht. Eine neue CD wird auch wahrscheinlich klar sein und einige Konzerte und dann wird man sehen was passiert.
RockTimes: Ich hoffe doch, dass ihr uns ein Exemplar zur Verfügung stellen werdet.
Ich darf mich für dieses Interview bedanken und im Namen von RockTimes viel Erfolg wünschen.
Line-up:
Alex 'Sex' Nad (vocals)
Marc O. (lead guitar, rhythm guitar)
Mr. Coma (bass)
Vital Roxx (drums)
Chris Nad (manager)
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