"Operation Livecrime" aus dem Jahr 1991 ist einer der Liveklassiker in der Geschichte aller Rock-Konzeptalben. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass Queensrÿche 15 Jahre später mit "Mindcrime At The Moore" erneut ein derart geniales Stück Rockoper auf die Bretter legen. Lange nachdem viele alte Fans die Band abgeschrieben hatten, ist man geneigt, von einem zweiten Karrierehöhepunkt zu sprechen. Im Oktober 2006 brachten sie "Operation: Mindcrime" (1988) und den Nachfolger (2006) in Komplettlänge auf die Bühne, und zwar im Moore Theater im heimischen Seattle, wo auch schon die DVD Live Evolution aufgenommen wurde. Das klassisch angehauchte Theater mitsamt Zuschaueremporen wird dem Auftritt sehr gerecht. Schon die Kulisse ist filmreif. Eine mit Graffiti beschmierte Backsteinwand und eine Feuerleiter hoch zu einer zweiten kleinen Bühne kreieren eine düstere Hinterhof-Atmosphäre.
Bombastisch geht es los. Den energischen Drive von "Anarchy-X" unterstützen knapp 20 Trommler der 'Blue Thunder' Drumline, die für gewöhnlich im Footballstadion der Seattle Seahawks für Stimmung sorgen. "Revolution Calling": Geoff Tate stürmt auf die Bühne, in jugendlicher Top-Form, mit Pferdeschwanz, schwarzer Lederjacke und Headset-Mikro. In der einen Hand hält er das Schild »U.S. out of Iraq!«, die andere ballt er zur Faust und skandiert »...that crazy scene in D.C., it's just a power mad town... «. Als ob die Zeit stehen geblieben wäre, brilliert Tate selbst in anspruchsvollsten Tonlagen mit druckvoll überzeugender Stimme. Und das während kräfteraubender, schauspielerischer Glanzleistungen, die über Livecrime weit hinaus gehen.
Der gesamte Rahmen ist dramatischer und theatralischer als damals. Schon bei "Mindcrime I" sind von Zeit zu Zeit Schauspieler mit auf der Bühne; zuvorderst ein junger Kerl, der den 'Junky Nikki' spielt, sozusagen im Wechsel mit Geoff Tate selbst. Dem Frontmann bleiben die dramatischsten Szenen vorbehalten, nämlich die mit Pamela Moore als 'Sister Mary' auf der Bühne. Diese hat nicht nur einen kurzen Auftritt wie anno 1991, sondern ist immer wieder präsent, sei es in der Nonnenkutte, aufreizend posierend als Straßenhure oder, längst nach ihrem Tod, als mahnende Stimme aus dem Jenseits - on stage allerdings sehr präsent im Diesseits. Gesangsduette wie in "Suite Sister Mary" oder "All The Promises" und Solospots wie in "If I Could Change It All" meistert sie brillant und unterstützt überdies, zusätzlich zu ihren Parts im Studio, stets Geoff Tate mit hohen Backing Vocals. Diese sind ein echter Gewinn für den überzeugenden Live-Sound, für dessen Gelingen außer Tate, in bestechender Form, auch die gnadenlos tight spielende Band sorgt, die Chris DeGarmo nicht vermissen lässt.
Im Hintergrund laufen Videosequenzen ab - ein Mix aus den alten bekannten Szenen und neu aufgenommen Bilderstrecken. Zusammen mit zahlreichen Effekten auf der Bühne und in der Video-Nachbereitung (Texteinblendungen, Regeneffekte, ein groß projiziertes Kirchenfenster etc.) sorgen beschleunigte Bildschnitte und ungewöhnliche Perspektiven für gehörige Dramatik, wenn es auch in der Story zu Höhepunkten kommt. Sogar die Energie von Gitarrensoli wird genutzt, um z.B. bei "The Mission" im Vordergrund ein Gerangel zwischen 'Nikki' und 'Sister Mary' theatralisch aufzubauschen. Selbst die kritischsten Alt-Fans und Livecrime-Verehrer bekommen viel, viel Neues geboten. Auch musikalisch: "Electric Requiem" und "My Empty Room" wurden stark umarrangiert - selbst "The Mission" erhält eine gelungene Frischzellenkur, indem Klavier hinzu kommt und die zweite Strophe ruhig bleibt, erst danach wird gepowert.
"Mindcrime II" hat große Höhepunkte. So wird die Bühne bei der Gerichtsverhandlung in "Hostage" wieder richtig voll. Hochdramatisch ist "Murderer?", an dessen Ende 'Nikki' dem gefesselten 'Dr.X' einen Kopfschuss versetzt. Sogar das Blut spritzt. Die Szenen sind detailliert und authentisch, dennoch ganz schön heftig. Die geniale Inszenierung ist bis zum Schluss ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass "Mindcrime I" diese Fortsetzung gut vertragen konnte - musikalisch wie auch in der erzählten Story. "Mindcrime At The Moore" ist eine gute Gelegenheit, ein Fan das 2006er-Albums zu werden - und zugleich den Klassiker von 1988 noch mehr zu lieben als je zuvor. Sogar die Zugaben "Walk In The Shadows" (mit coolem Intro-Jam) und "Jet City Woman" kommen umwerfend gut rüber; als sei die Band in einen Jungbrunnen gefallen. Einziger Wermutstropfen: Bei "The Chase" gibt es eine Geisterkulisse, denn Ronnie James Dio ist leider nur auf Band zu Gast.
Dafür bietet das Bonusmaterial ein Live-Duell Tate vs. Dio von einer Show in Los Angeles wenige Wochen zuvor. Zudem gibt es eine Bildershow, einen kleinen Bericht vom Auftritt der Band bei einem großen Bikertreffen in New York City und ein "Tour Documentary", das sich vor allem auf die Show in Seattle konzentriert. Die sehr kurzweiligen Aufnahmen hinter den Kulissen am Abend der Show, Wochen zuvor im Moore Theatre und bei der Generalprobe, zeigen, wie generalstabsmäßig und pingelig der Auftritt geplant wurde - vom Anpassen der Kostüme über das Steuern der Videosequenzen bis hin zur Choreografie und der Frage, wie Pamela Moore sich am verführerischsten an der Straßenlaterne zu räkeln hat, mit Tipps von Geoff Tates Ehefrau und Managerin Susan.
"Mindcrime At The Moore" ist Pflicht für alle Fans von Queensrÿche und die, die es mal waren und wieder werden möchten. Übrigens: Durch eine minutenlange, brandneue, live auf der Bühne gespielte Zwischensequenz nach "The Needle Lies" weiß nun Jeder, wer 'Mary' getötet hat...
Line-up:
Geoff Tate (vocals)
Scott Rockenfield (drums)
Michael Wilton (guitars)
Mike Stone (guitars)
Eddie Jackson (bass)
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DVD 1:
01:I Remember Now
02:Anarchy-X
03:Revolution Calling
04:Operation: Mindcrime
05:Speak
06:Spreading The Disease
07:The Mission
08:Suite Sister Mary
09:The Needle Lies
10:Electric Requiem
11:Breaking The Silence
12:I Don't Believe In Love
13:Waiting for 22
14:My Empty Room
15:Eyes Of A Stranger
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DVD 2:
01:Freiheit Ouvertüre
02:Convict
03:I'm American
04:One Foot In Hell
05:Hostage
06:The Hands
07:Speed Of Light
08:Signs Say Go
09:Re-Arrange You
10:The Chase
11:Murderer?
12:Circles
13:If I Could Change It All
14:An Intentional Confrontation
15:A Junkie's Blues
16:Fear City Slide
17:All The Promises
18:Walk In The Shadows
19:Jet City Woman
Bonus:
01:Tour Documentary
02:"The Chase" performed with Ronnie James Dio
03:Queensrÿche Rock&Ride
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Externe Links:
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