Nach zwei besprochenen Quidam-Alben, nämlich ... bezpółPRĄDU ... halfPLUGGED (2006) und Alone Together (2007), war die Freude groß, als eine neue Scheibe samt DVD auf meinem Rezensionsschreibtisch landete. Neu als CD/DVD-Pack, aber eigentlich 'alt', da der Silberling "Pod Niebem Czas (Time Beneath The Sky)" ein Reissue aus dem Jahre 2002 ist. Genau wie guter, roter Wein mit den Jahren immer besser wird, schlug die Wiederveröffentlichung bei mir wie die sprichwörtliche Bombe ein. Ein schnelles Vorstellen der Platte an zwei RockTimes-Kollegen, von denen ich weiss, dass dieses Album in ihre musikalische Vita passt, brachte Gewissheit: Ein Hammerteil, denn die beiden waren ebenfalls aus dem Stand begeistert.
Die Trackliste checken und "No Quarter" auf selbiger finden, war eins. Sollte es sich um den Led Zeppelin-Track handeln? Genau, es ist DAS "No Quarter", 12 Minuten lang und sollte mich jemand vor die Wahl stellen, mich zu entscheiden, welche Version ich denn in Zukunft ausschließlich hören darf, dann hätten die Zeps keine Chance. Quidam geben dem Stück etwas Monumentales. Ihre Version streift per Flöte sommerliche Folkwiesen, versetzt den Hörer außerdem in floydsche Sphären, schafft Stimmung durch Maciek Mellers Gitarrenspiel, das nicht von dieser Welt scheint. Meine Frau, ein Die-Hard- Zeppelin wollte das Original dagegenstellen und ich glaube ihrem Gesichtsausdruck zu entnehmen, dass sie ähnlich denkt, wie ich. Emilia Derkowska trägt mit ihren weiblichen Vocals ebenfalls zum Gelingen bei. Das einzige Stück übrigens, welches sie auf englisch singt. Nun ja, das erwartet der Hörer eigentlich und so macht das die Band, die immer mindestens ein Cover auf ihren Alben hat, Gott sei Dank auch.
Apropos Emilia Derkowska: Ich erwähnte die vielen Wechsel am Mikrofon - auch von männlichen zu weiblichen Vocals und umgekehrt - und im Vergleich mit den mir bekannten Platten Quidams, muss ich sagen, dass vorliegende Microbesetzung für mich eindeutig die beste ist. Dieses, dritte, Studioalbum war das letzte mit Emilia. Die beiliegende DVD vom 16. März 2003 im Teatr Miejski in Inowroclaw, Polen ist auch das letzte Konzert mit der Sängerin, die im Interviewteil sagt, dass nun ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Man solle zwar niemals nie sagen, aber nun ist es so, dass sie die Band verlässt und nach Warschau geht. Man merkt der Gesprächsrunde an, dass niemand erfreut oder glücklich darüber ist; Mimiken, die sich Unabwendbarem stellen. Eine Frage der Interviewerin, ob sie denn ein Geheimnis verraten darf, beantwortet Emilia mit nein. Lächelnd zwar, aber bestimmt. Nun ja, wollen wir hoffen, dass ER es wert ist. Die Frau hat eine geniale Stimme. Zart und hart zugleich und immer trittsicher. Wie zart, dass zeigt sie z.B. in "Ciagle czekam (list z pustyni II) [Still Waiting (Letter From The Desert II)])" oder "Nowe imię (New Name)". Dass sie auch wild und ungestüm sein kann, ja quasi das Energiebündel Quidams, das sieht man auf der DVD.
Ihr perfekt zur Seite stehend und ihre Vocals verstärkend ist unbedingt Jacek Zasada an der Flöte. Jacek sorgt für den folkigen Touch und wenn er mal aussetzt könnte man den Songs auch einen leichten Pop-Character attestieren. Aber nur im Ansatz und stellenweise, denn im Gesamten ist das mitnichten Pop. Und wenn die "Pod Niebem Czas"-Suite (ab Track 6) startet, vergisst man, wie Pop buchstabiert wird. Hier wird's reinrassig proggig. Zwar immer noch mit latentem Folk-Touch hier und da (wenn die Band auch sagt, dass sie keinen Folk macht. Jedoch, können Flöten lügen?), aber eher von der 'anderen' Sorte. Schöner Aufbau, Bridges, Breaks, spärische Sequenzen, immer wieder glasklarer Gesang Emilias und Gänsehaut-Spannung ohne Ende ("Credo II"). Wie geil ist gerade dieses Stück? Oder das jammig treibende "Quimpromptu"?
Die Polen schaffen es, extrem organisch zu wirken und sind perfekt aufeinander eingespielt. Hinzu kommen Passagen, die nicht alltäglich sind und eine ungeheurere Portion Exotik versprühen. Etwa beim Opener "List z pustyni I (Letter From The Desert)", der ethnisch geheimnisvoll beginnt, orientalisches Flair macht sich breit, plötzlich bollern die Drums, die Gitarre fällt sägend ein und dann... Emilia....
Genial auch das Flügelhorn in der zweiten Nummer. Dezenter Wah Wah-Einsatz, die bereits erwähnten Vocals zum Verlieben und plötzlich legt sich das Blasinstrument über den akzentuierten Bass und gibt der Nummer einen latenten Jazz-Touch. Herrje...
Auf der DVD kann man das alles und mehr zusätzlich visuell verfolgen. Bildmäßig ist das ordentlich und das Hauptaugenmerk liegt auf dem Zeigen der Musiker und ihrem Spiel. Man könnte z.B. die Gitarrensoli nachspielen - die Kamera ist meistens dort, wo es am Wichtigsten bzw. Interessantesten ist. Für fünf Stücke kommt Colin Bass aka Sabah Habas Mustapha (Ex- Foundations, Camel) auf die Bühne und man spielt auch Camel-Songs. Mir ist Quidam solo fast lieber. Überhaupt, das Album ist ein Must-Have für Freunde des Genres. Die beigelegte DVD - immerhin zweieinhalb Stunden Konzert - ist mehr als eine Dreingabe, zeigt sie doch, auf welch unspektakuläre Weise spektakuläre Musik 'aussehen' kann. Obwohl Bild und Ton ihren Ursprung schon vor ein paar Jahren haben, bleibt ein fader Beigeschmack: Emilia ist nicht mehr im Line-up. Aber - die Hoffnung stirbt als letztes. Diese Frau MUSS singen. Ansonsten, hoffen wird, das ER es wert war/ist.
Line-up CD:
Emilia Derkowska (vocals, backing vocals)
Zbyszek Florek (piano, keyboards)
Rafal Jermakow (drums, percussion)
Maciek Meller (electric and acoustic guitars)
Radek Scholl (bass)
Jacek Zasada (flutes)
Guests:
Monika Margielewska (oboe - #1)
Milosz Gawrylkiewicz (flugelhorn - #2)
Grzegorz Nadolny (bass - #8)
Robert Amirian (mandolin - #5)
Michal maciejewski (accordion - #5)
Line-up DVD:
Emilia Derkowska (vocals, backing vocals)
Zbyszek Florek (piano, keyboards)
Rafal Jermakow (drums, percussion)
Maciek Meller (electric and acoustic guitars, mandolin)
Damian Sikorski (bass)
Jacek Zasada (flutes)
Guests:
Kinga Rogóź (backing vocals)
Katarzyna Szczech (backing vocals)
Jaroslaw Wiszowaty (backing vocals)
Very Special Guest:
Colin Bass (acoustic guitar, vocals)
Tracklist |
CD - Pod Niebem Czas:
01:List z pustyni I (Letter From The Desert)
02:Ciagle czekam (list z pustyni II) [Still Waiting (Letter From The Desert II)])
03:No Quarter
04:Nowe imię (New Name)
05:Kozolec (dia AgaPe) [Kozolec (to AgaPe)]
Pod Niebem Czas (The Time Beneath The Sky)
06:Credo I
07:Credo II
08:Jesteś (w labiryncie myśli) [You Are (In The Labyrinth Of Thoughts)]
09:Quimpromptu
10:(Wszystko ma swój) pod niebem czas [Everything Has It's Own (Time Beneath The Sky)]
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DVD - See Emily Play - Live Bootleg:
01:List z pustyni I (Letter From The Desert)
02:Jesteś (w labiryncie myśli) (You Are)
03:Kozolec (dia AgaPe)
04:Credo
05:Sanktuarium (Sanctuary)
06:Nowe imię (New Name)
07:Ciagle czekam (list z pustyni II) (Still Waiting)
08:Quimpromptu
09:The Dissident Song (feat. Colin Bass)
10:So Hard To Say Goodbye (feat. Colin Bass)
11:As Far As I Can See (feat. Colin Bass)
12:Goodbye To Albion (feat. Colin Bass)
13:Your Love Is Stranger Than Mine (feat. Colin Bass)
14:(Wszystko ma swój) pod niebem czas (The Time Beneath The Sky)
15:Morelowy sen (An Apple Dream)
16:Gtęboka rzeka (Deep River)
17:No Quarter
18:Łza (One Small Tear)
19:Jest taki samotny dom /There Is Such A Lonesome House)
Interview |
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Externe Links:
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