Als ich die Vorankündigung für dieses Album las, war ich ehrlich gesagt schon ziemlich erstaunt. Wie um alles kam es denn zu dieser Kollaboration? Der millionenschwere Engländer Elton John, der zumindest in den letzten 20 Jahren in eher seichten Pop-Gewässern ruderte und Leon Russell, der Mann aus Oklahoma, der in den Siebzigern knapp zehn Goldauszeichnungen für seine Alben einfahren konnte, in den USA eine Legende ist und dennoch schon seit langer, langer Zeit eher durch die amerikanischen Clubs mit Kapazitäten zwischen 250 und 500 Zuschauern tourt.
Aber die beiden kennen sich natürlich. Und das bereits seit den ganz frühen Siebzigern, als Russell ein Superstar war und Elton John gerade seine ersten Gehversuche in Amerika machte. Der gute Leon hatte dem Engländer damals wohl sehr geholfen und ihm einige Türen geöffnet, was dann zu einer dicken Freundschaft führte. Beide waren danach mit ihrer eigenen Karriere beschäftigt und im Laufe der Jahrzehnte verloren sie sich aus den Augen. Bis Elton John im letzten Jahr bei einem Freund zufällig einen Russell-Song hörte und ein so aufwühlendes Flashback-Erlebnis hatte, dass er umgehend zum Telefonhörer griff und die Räder für ein gemeinsames Album ins Rollen brachte.
Als Steuermann bzw. dritter Häuptling konnte der Gitarrist und Produzent T-Bone Burnett ins Boot geholt werden und die drei stürzten sich ins Songwriting und die weiteren Vorbereitungen. Ein absoluter Team-Effort also, der neben vielen gemeinsam verfassten Titeln - in allen möglichen Kombinationen - auch noch einige Stücke hervorbrachte, die Russell im Alleingang zu Papier brachte. Und da bereits sehr viel Herzblut in dem Projekt steckte, wollte man natürlich auch bei der Auswahl der weiteren Musiker nichts anbrennen lassen. Und diese Liste liest sich dann zum mit der Zunge schnalzen.
Ein paar Namen gefällig? Tagtäglich gingen Leute wie Doyle Bramhall II, Marc Ribot (u. a. Ex- Tom Waits), Booker T. Jones, Don Was oder Robert Randolph im Studio aus und ein, um den beiden Protagonisten die Ehre zu erweisen. Dazu haben Koryphäen wie Paul McCartney, Brian Wilson, Bono, Neil Young, Willie Nelson oder Grace Jones ihre Stimmbänder zur Unterstützung in Schwingungen versetzt. Die 14 brandneuen Tracks wurden soundtechnisch sehr warm und transparent auf Band festgehalten und bringen es auf eine Spielzeit von insgesamt über 70 Minuten. Alles klar dann, die Tafel war gedeckt für das Hammer-Album des Jahres 2010.
Leon eröffnet den Reigen mit "If It Wasn't For Bad" und umgehend kommt wieder dieses so typische, einzigartige Pianospiel zum Vorschein, mit dem er auch schon Scheiben von Ikonen wie den Rolling Stones (auf dem Album Let It Bleed, 1969), Joe Cocker (auf "Joe Cocker!" und "Mad Dogs & Englishmen", beide 1970) oder den Byrds (bei "Mr. Tambourine Man", 1965), um nur mal ganz wenige zu nennen, veredelt hat. Gesanglich ist der mittlerweile über 70-Jährige zwar logischerweise nicht mehr ganz so auf der Höhe wie noch vor etwa 20 Jahren, aber er hat es (ebenso logischerweise) immer noch drauf und schafft es nach wie vor, jede Menge Soul in die Vocals fließen zu lassen. Die nächsten zwei Nummern gehören Elton John und sind mit einer deutlich stärkeren Prise Pop-Appeal bewaffnet. Dieses Wechselspielchen zieht sich munter durch das gesamte Album und sorgt somit alleine schon für jede Menge Abwechslung.
"Gone To Shiloh" ist eine typische, sehr starke Russell-Ballade, wie sie auch locker auf einer seiner Siebziger-Platten hätte stehen können. Neil Young ist hier als Duett-Partner dabei. Die offensichtliche Single der Scheibe ist wohl "When Love Is Dying", ein Song, der auf Eltons Mist gewachsen ist trotz seiner Eingängigkeit über jede Menge Tiefe und Feeling verfügt. Wenn beide auch Elemente des jeweils anderen übernehmen, kann man im Prinzip sagen, dass Elton der Pop und Leon der Soul des Albums ist. Zusammengewürfelt ergibt dies (mit den klasse oft gospelig klingenden und von Russell arrangierten Background Vocals) eine teilweise geniale Mischung der Stile, die den Großteil der Songs weniger zu Hits, sondern eher zu einem Gebräu mit Langzeit-Wirkung verschmelzen lassen.
Nun ist "The Union" zwar nicht unbedingt eine Insel-Platte geworden, aber dennoch glaube ich mich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich behaupte, dass es das beste Album beider Musiker seit mindestens zehn Jahren ist. Es gibt keinen Ausfall, die Einspielungen, der Sound, die Kompositionen und der Gesang sind auf höchstem Niveau und deshalb kann ich auch nur eine Empfehlung aussprechen. Mir als altem Leon Russell-Liebhaber gefallen die Stücke des Amerikaners natürlich ein gutes Stückchen besser, aber das ist rein persönliches Gusto. Denn auch Elton John hat hier ganze Arbeitet geleistet. Unbedingt zumindest mal anchecken!
Line-up:
Leon Russell (piano, vocals)
Elton John (piano, vocals)
Doyle Bramhall II (guitars)
T-Bone Burnett (guitars)
Marc Ribot (guitars)
Booker T. Jones (Hammond B 3)
Robert Randolph (pedal steel)
Russ Pahl (pedal steel)
Don Was (bass)
Drew Lambert (bass)
Davey Faragher (bass)
Dennis Crouch (bass)
Jim Keltner (drums & percussion)
Jay Bellerose (drums & percussion)
Joe Sublett (saxophone, horns)
Stevie Nicks (background vocals)
Grace Jones (background vocals)
Paul McCartney (background vocals)
Brian Wilson (background vocals)
Bono (background vocals)
Willie Nelson (background vocals)
Neil Young (background vocals)
Tracklist |
01:If It Wasn't For Bad
02:Eight Hundred Dollar Shoes
03:Hey Ahab
04:Gone To Shiloh
05:Jimmy Rodgers' Dream
06:There's No Tomorrow
07:Monkey Suit
08:The Best Part Of The Day
09:A Dream Come True
10:When Love Is Dying
11:I Should Have Sent Roses
12:Hearts Have Turned To Stone
13:Never To Old (To Hold Somebody)
14:In The Hands Of Angels
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