Zum lebenden Inventar der Rock-History gehört zweifelsohne Mitch Ryder, der alte Haudegen aus Detroit, Jahrgang 1945. Zwar hatte er es nach einem veritablen Karrierestart mit seinen Detroit Wheels nicht ganz nach oben geschafft, dafür hält er sich noch immer gut in der Szene und spielt unbeirrt Album um Album ein. So an die 30 offizielle Veröffentlichungen sind es mittlerweile. In der Heimat wird davon kaum Kenntnis genommen, dort wollen seine alten Fans die alten Kamellen. Aber hierzulande hat er sich ein treues Stammpublikum erspielt, vor allem, seit er mit Engerling recht fest liiert ist.
1994 kam es zur ersten Zusammenarbeit mit "Rite Of Passage", die ostdeutschen Rock-Urgesteine begleiteten ihn dann auf den regelmäßigen Deutschland-Tourneen. Seit 2003 sind sie Partner für die gemeinsamen Alben auf dem Buschfunk-Label in der Bundeshauptstadt. "Deserve My Art" ist das fünfte Projekt zusammen, das vierte bei Buschfunk. Dass er den daheim fehlenden künstlerischen Respekt hier sehr wohl zu schätzen weiß, lässt sich in den Liner Notes nachlesen. Er bescheinigt Berlin auch den wieder erlangbaren Status als das Kulturzentrum der Welt und freut sich ein kleiner Teil dessen sein zu dürfen (boah...!)
Und auf der neuen CD hören wir einen wie immer schrullig klingenden, in vielen Stilen agierenden Mitch bei guter Stimme; den Meister der Emotionen, der gekonnt auf der Gefühlsklaviatur spielt. Die dunklen Schatten, seine ewigen Begleiter, scheinen diesmal Urlaub zu haben. Kraftvoll und für seine Verhältnisse richtig positiv tönen die neuen Songs (zwei davon Covers), die von den Engerlingen in gewohnt erdiger Manier erstklassig umgesetzt und ausgestaltet wurden. Wieder hat der Meister mit Manne Pokrandt selbst Hand bei der Produktion angelegt, die einen passenden Retro-Sound aufweist. Der Opener "Rocket" ist ein satter, leicht schleppender Rocker von altem Format mit unterlegtem Marschrhythmus. Den kann man sich richtig in den Ohren zergehen lassen. Dass er längst in "The 21st Century" angekommen ist, will er wohl mit den Loop-Sounds unterstreichen. Doch das Ding rockt&rollt in bester Jerry Lee Lewis-Manier mit einem astreinen Slide-Solo, Bariton-Sax-Bumpern, Mitgröhl-Chor und der Tastenarbeit von Boddi Bodag.
Schon wieder Szenewechsel - ein Salon-Schleicher-Blues mit echten und programmierten Streichern namens "All The Fools It Sees", den das Solo von Gisbert Piatkowski auf der Akustik-Klampfe vor allzu großer Sentimentalität rettet. Dafür kracht's im wahrsten Sinn bei dem Borderline-Song "The Naked Truth" umso mehr. Keine Ahnung, wie dieser brachiale Takt-Rums gemacht ist, zu dem diesmal Herr Piatkowski den Santana macht. Sowas wär früher ein Dauerläufer bis zum (nicht nur sprichwörtlichen) Erbrechen in den Musikboxen gewesen!
"Heaven Takes You Back" ist dagegen typische Ryder-Melancholie, die verletzliche Jim Morrison-Stimme nur von Akustikgitarre und einer herzzerreißenden armenischen Duduk begleitet. Und kaum sind deren letzte Töne verhallt, bläst eine Zydeco-Quetsche ( Hank Weiko) das bittersüße Notengespinnst hinweg. Schön schrägt: "Under That Big Ol' Texas Sky". Dann dräut's mit der lieblichen Duett-Partnerin Ricarda Ulm schicksalsschwer "In My Garden", bevor das "Moondog House" kräftig bluesrockt (mit Heiner Wittes sengender Slide). Nochmal schwitziger, gitarrenriffiger Rock mit "The Night The Devil Died" und dann rollt die abwechslungsreiche Scheibe mit "Strollin' With My Mouse" fröhlich dubbend aus.
Ganz klar, das ist eine Scheibe, die vor allem bei Rockfans mit älterem Geburtsdatum keinen Staub ansetzt! Wer sich nicht an dem bunten Stilmix stört, der bekommt hier mal wieder was für's Geld, das er ganz schnell bei seinen 'Klassikern' einsortiert. Ein schönes Booklet mit den anspruchsvollen Lyrics, Line-ups und Linernotes zu den einzelnen Songs inklusive.
Tracklist |
01:Rocket
02:The 21st Century
03:All the Fools It Sees
04:The Naked Truth
05:Heaven Takes You Back
06:Under That Big Ole Texas Sky
07:In My Garden
08:Moondog House
09:The Night The Devil Dies
10:Strollin' With My Mouse
|
|
Externe Links:
|