Ramses / Firewall
Firewall Spielzeit: 59:24
Medium: CD
Label: Sireena Records, 2014
Stil: Rock

Review vom 25.11.2014


Steve Braun
Unter Ägyptologen dürfte ziemlich unstrittig sein, dass User-maat-Re-setep-en-Re - besser bekannt als Ramses der Große oder (genauer) Ramses II. - der wohl bedeutendste Herrscher des antiken Ägypten war. Während seiner Ägide erlebte das Land am Nil eine beispiellose kulturelle Blüte und, durch diplomatisches Geschick, eine beispiellos lange Zeit des Friedens mit seinen Nachbarn. Allerdings wird ihm auch ein gewisser Hang zum Größenwahn und zur Despotie nachgesagt. Ramses II. ereichte ein geradezu 'biblisches' Alter von etwa 90 Jahren - seine Mumie ist heute als Nationalschatz im Ägyptischen Museum in Kairo zu bestaunen.
Warum dieser kurze historische Exkurs? Naja, weil die hier zu besprechende Band gewisse Parallelen zu dem ägyptischen Herrscher aufweist. Ramses konnte man in den Siebzigern ebenfalls durchaus als 'Größe' im Krautrockgenre einstufen. Mit den beiden ersten Alben, La Leyla (1976) und "Eternity Rise" (1978), erreichte das ehrwürdige Genre eine neue Stufe 'kultureller Blüte'. Beide Scheiben zählen ohne Zweifel zum Besten, was jemals deutsche Studios verlassen hat! Die Band hat mittlerweile ein 'geradezu biblisches Alter' von 40 Jahren erreicht und feiert dies mit dem vorliegenden Album "Firewall", das dieser Tage erscheinen wird. Ins Museum gehört unser Fünfer allerdings noch nicht - keineswegs!!
Von der Urformation ist leider keiner mehr dabei, was angesichts des beständig rotierenden Besetzungskarussells auch verwunderlich wäre. Allerdings ist Ramses' heutige Rumpfformation (sprich: Schröter, Wolfslast und das Langhorst-Brüderpaar) bereits seit Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger dabei. Auf ihre Kappe geht das - sagen wir mal 'gewöhnungsbedürftige' -
Light Fantastic-Album. Hierbei muss allerdings unbedingt der zeitliche Kontext ins Spiel gebracht werden! Damals waren nun wirklich alles andere als einfache Zeiten für eine progressive Krautrockband. Unter diesen schwierigen Bedingungen entstanden, ist die Scheibe in der Retrospektive gar nicht mal so schlecht!
"Control Me", 2000 erschienen, lief leider komplett an mir vorbei. Hier war bereits der heutige Drummer Carsten Loll dabei. Nur vier Alben in vierzig Jahren? Was wie eine schlechte Quote ausschaut, lag wohl eher an dem unsteten Bandgefüge und sicherlich auch daran, dass Ramses lieber auf der Bühne als im Studio waren. [Hier wird ein geplantes Interview möglicherweise mehr Licht ins Ungewisse bringen.]
Nun liegt also mit "Firewall" endlich - nach vierzehn langen Jahren - ein neuer Longplayer vor. Es wäre natürlich albern, würde man negieren, dass seit der Gründung von Ramses II, im Jahr 1972, die besagten (über) vierzig Jahre vergangen wären. Nicht nur die musikalische Welt war in diesen Dekaden einer Unzahl von Umbrüchen unterworfen. Es wurden zudem zahllose, unsinnige Kriege geführt, barbarische Terrorakte vollzogen, die Natur an den Rand des Abgrunds getrieben, Myriaden von Tierarten ausgerottet... und das Krebsgeschwulst des globalen Finanzmarktes hat mittlerweile nahezu jede 'Zelle' dieses Planeten entarten lassen. All dies sind Themen, die Ramses via "Firewall" transportieren und sich damit gleichermaßen aktuell wie zeitkritisch auf Ballhöhe exponieren!
Ebenso lächerlich wäre es, anno 2014 ein lupenreines Krautrockalbum veröffentlichen zu wollen. Natürlich sind die beteiligten Musiker in dem besagten Zeitraum nicht nur gealtert, sondern auch gereift! Wie ein Schwamm scheinen die verschiedensten Einflüsse aufgesogen worden zu sein. Die Wurzeln im progressiven Krautrock sind noch wahrnehmbar, haben aber neu ausgetrieben. Die Songs sind kompakter geworden und es wurde viel mehr Wert auf eingängige Hooks ("Save The World") gelegt - mancher Refrain ("All This Time") hat dich bereits nach wenigen Takten am 'Haken'. Gelegentlich ("Into The Moments") passieren sogar poppige Qualitäten diese "Firewall".
Mal wird härter (im Titelsong), mal deutlich softer ("Love In Vain"), mal hochmelodisch ("Welcome To The Show") gerockt, doch immer ist 'Zug' in der Bude - selbst wenn man sich einmal ("The Straw That Broke The Camel's Back") in den Synthpop der Achtziger zurückversetzt glaubt. Extrem cool ist die mit Gregorianischen Gesängen ungewöhnlich gespickte Ballade "This Is My Heart".
Zwei Highlights gibt es ebenso auf dieser durchgängig guten Platte zu verzeichnen. Einmal das noch am ehesten an die alten Bandtage erinnernde Instrumental "Back To The Glades", das an die besten (die ersten drei) Alben Alan Parsons erinnert. Diese Neubearbeitung von "Across The Everglades", dem 81er "Light Fantastic" entliehen, hat deutlich mehr 'Wumms' und Drive als die Urversion. Und "Look @ Your Neighbour" zeigt Ramses von der stärksten Seite - nämlich live. Unserem Armin könnte die Aufnahme äußerst bekannt vorkommen, denn er war bei der Aufzeichnung (anno 2011 in der Balver Höhle) dabei.
Diese Nummer wird dann noch einmal als Studiofassung, aus dem Jahr 1990, dargeboten. Hier darf der Originalsänger Herbert Natho brillieren, obwohl die merklich härtere Live-Version in der Summe deutlich besser abschneidet.
Mit "Firewall" legt Ramses ein richtig gutes Spätwerk vor, das unstrittig beweist, der Zahn der Zeit hat noch nicht an den fünf Hannoveranern genagt. Im Gegenteil: Die Herren können noch kraftvoll zubeißen, was die dreizehn Eigenkompositionen eindeutig dokumentieren. Die transparente, dynamische Produktion klingt erstklassig - da bleiben keine Wünsche offen.
Wäre schön, wenn Ramses mit "Firewall" nicht nur national reüssieren, sondern auch an den internationalen Erfolg von "La Leyla" und "Eternity Rise" anschließen könnte. Verdient hätten sie es...
Line-up:
Reinhard Schröter (lead vocals, keyboards, some guitars)
Herbert Wolfslast (bass, some guitars)
Norbert Langhorst (guitars)
Winfried Langhorst (keyboards, vocals)
Carsten Loll (drums, percussion)
Lina, Tessa, Jana, Vicky, Gabi (additional backing vocals)
Herbert Natho (vocals - #13)
Tracklist
01:Welcome To The Show (4:40)
02:Save The World (4:40)
03:Love In Vain (3:56)
04:Into The Moments (3:42)
05:All This Time (5:05)
06:Firewall (3:59)
07:Virgin Zone (3:20)
08:Thirst In My Heart (4:45)
09:The Straw That Broke The Camel's Back (5:47)
10:Look @ Your Neighbour [Live Version] (6:56)
11:X-mas Song (3:59)
12:Back To The Glades (5:16)
Bonustrack:
13:Look At Your Neighbour ['Soft' Version] (3:09)
Externe Links: