Random Touch / A True Conductor Wears A Man
A True Conductor Wears A Man Spielzeit: 54:19
Medium: CD
Label: Token Boy Records., 2007
Stil: Experimental

Review vom 22.11.2007


Ulli Heiser
Alchemy heißt der Vorgänger und war nicht einfach zu besprechen. Das heißt, nicht die Rezension an sich war schwer, eher war es der experimenteller Musik anhaftende Schwierigkeit, erst mal 'reinzukommen'.
Normalerweise entwickeln sich Musiker ja weiter und dieses Weiterentwickeln schlägt sich in den Folgewerken nieder. Die Zeichen zeigen also in Richtung einer interessanten Hörsitzung und wegen meiner Nachbarn kann ich beruhigt sein: Die Fenster sind, der Jahreszeit entsprechend, geschlossen.
Die drei Musiker sind 'ausbildungsmäßig' über jeden Zweifel erhaben. Zwar hat sich Scott Hamill das Gitarre spielen autodidaktisch beigebracht, aber das ist oft ein fruchtbarer Weg. Christopher Brown und James Day gingen den Weg über 'richtiges' Lernen und durchliefen u.a. Stationen bei dem University Of Chicago Symphony Orchestra bzw. studierten bei Leuten wie Paul Cochran vom Chicago Conservatory College oder Robert Hanson, seines Zeichens Dirigent des Elgin Symphony Orchestra. Die Namen sagen mir und vielen anderen sicher nichts, aber sie sollen denjenigen, die experimentelle Musik erst mal als 'Krach' und zusammenhangloses Wirrwarr abtun, als mögliche Referenz dienen, dass die Musiker wohl doch etwas von der Materie verstehen. Sicher, Bauchmusik ist das keine und wenn Drummer Christopher meint, die Erfahrung des Zusammenspielens sei so, dass die Musiker stellenweise nicht mehr wissen ob sie Teil der Komposition sind, gerade selbst spielen, oder sich beim Musizieren zuhören und dass das im Prinzip nur mit Sex vergleichbar sei, dann möchte ich diesem Akt nicht unbedingt beiwohnen.
Keyboarder James schreibt, dass er beim Anhören ihrer Musik oft nicht weiß, wie das Stück beim Spielen und Aufnehmen zustande kam. Die Rock- und Metallady an meiner Seite sieht das genauso und fragt sich während dieser Besprechung des Öfteren, wie man so etwas nur planen bzw. ein zweites Mal nachspielen kann. Das wollen Random Touch sicher nicht, denn im Gegensatz zu konventioneller Musik ist es bei dieser Art der Kunst ja so, dass aus dem üblichen Korsett ausgebrochen werden soll. Neben 'normalen' Instrumenten werden auch Gegenstände des täglichen Gebrauchs eingesetzt. Spielfreude und auch eine Spur Coolness und Losgelöstheit bestimmen die Vorgehensweise. Für Brown ist es die wahre musikalische Wonne, im fertigen Produkt das zu suchen und zu finden, was sie beim Spielen geritten hat: »When we play we don't know where we are going or how we are getting there.«
"Silk Sheets, The Weight Of Bodies Sliding", allein der Titel lässt einen lange sinnieren. Die Musik (wie erwartet) verschreckt erst einmal. Die hingeworfenen Keyboardsprengsel in Kombination mit kurzen, aber volltönenden Tastendrückern und aufgeschreckter Percussion klingt, als ob die Putzfrau über ihre Eimer stolpert. Im weiteren Verlauf der CD drücken sich verfremdete Sprachfetzen in nach sirrenden, halbtoten Insekten klingende Geräusche, aber hier und da kann man auch halbwegs anmutige Bass- und Gitarrenlines erahnen. Bei "A Slow March Becomes A Flight" zieht sich einem Pinsel im Leimtopf gleich, eine verzerrte Gitarre durch Kakophonisches.
Die Musik bereitet aber auch Raum, um losgelöst vom Gehörten, eigenen Gedanken nachzugehen. Denken und das begleitende Hören werden eins, sofern man bereit und gewillt ist an Random Touchs Experimenten aktiv teilzunehmen. So lässt es sich z.B. wunderbar chillen und über dies und das nachdenken, während solche Sachen wie "Skipping" oder "Plainclothesman Tuesday" laufen. Spätestens beim Titeltrack sollte man damit fertig sein, denn dieses Stück verlangt vollständige Aufmerksamkeit, damit man den imaginären Film nicht verpasst. Gitarre, verfremdete Mandoline oder gar Missbrauch einer Lap Steel? Ich weiß es nicht, aber es klingt nicht schlecht in "Getting Ready". Rosa Rauschen meets asiatische Tempelglöckchen meets Kuhglockengebimmel und hört auf den Namen "Mixed Up With Who?".
»Hört sich nach starkem Tobak an ...« schrieb ich beim Vorgänger. Ist auch jetzt so, und doch klingt es anders, was als Beweis gelten kann, dass es trotz aller Geräuschsamples und scheinbarem Chaos doch kein Schmelztiegel aus zusammengeworfenen Brocken ist, sondern schon eine Art 'Konzept' dahintersteckt. Jedenfalls dann, wenn man bereit ist am Experiment der Band teilzunehmen und die Musik nicht 'nur' konsumiert. Leicht ist es sicher nicht und ich bin auch überzeugt, dass die Anzahl meiner Finger größer ist als die Zahl, die sich ergibt, wenn ich zähle, wie oft ich diese Platte hören werde. Mitnichten ist das Alltagsware, sondern eher ein Teilhaben am gemeinsamen Hobby dreier Musiker.
Freunde dieser Klänge können dank MySpace ja mal testen, ob sie Random Touch und "A True Conductor Wears A Man" mögen. Allen anderen, die dieses Review eher zufällig lesen, rate ich davon ab. Obwohl, "Naked Feet In The Dark" vermittelt perfekt, wie musikalische und emotionale Spannung auch mit unkonventionellen Mitteln einhergehen kann.
Line-up:
James Day (keyboards, electronics)
Christopher Brown (drums & percussion, vocals with T.C. Electronics' Fireworx)
Scott Hamill (guitar, banjo, laptop slide guitar, mandolin)
Tracklist
01:Silk Sheets, The Weight Of Bodies Sliding
02:The Giant Took A Liking To Jack
03:A Slow March Becomes A Flight
04:Skipping
05:Something Worth Waiting For
06:Plainclothesman Tuesday
07:Shelter
08:A True Conductor Wears A Man
09:Getting Ready
10:Mixed Up With Who?
11:Illumination Of The Flesh
12:Naked Feet In The Dark
13:All The While
14:Exponentially
Externe Links: