Der Reverend war zurück in der Kirche. Irgendwie passt das doch wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge - und entspricht auch noch den Tatsachen! Zwei Jahre nach seinem letzten Auftritt in der Kniestedter Kirche war Reverend Rusty mit seiner Band The Case wieder in Salzgitter, um sein Album Sinner Not A Saint zu promoten, das von meinem geschätzten Kollegen Joe sehr positiv bewertet wurde. Da das zuständige RockTimes-Team Bauerochse/Berking den letzten Gig nicht wahrnehmen konnte, war es nun also allerhöchste Zeit für uns, sich diese Band mal live on stage zu gönnen und so unseren Lesern etwas näher zu bringen. Schließlich haben wir ja einen kulturellen Auftrag zu erfüllen…!
Reverend Rusty & The Case wurden bereits im Jahr 1984 in Austin/Texas gegründet, haben aber ihren Wohnsitz inzwischen nach München verlegt. Neben Rusty Stone besteht die Gruppe noch aus Al Wood am Schlagzeug, sowie Mr. C.P. an den dicken Saiten, die, inzwischen neben dem aktuellen Longplayer bereits die Alben "Born For The Blues" (1995), "Live" (1999) und "Preacher Man" (2002) eingespielt haben. Zudem wurde im Jahr 2005 die DVD "Live - Backstage Club, München" herausgebracht, und Rusty hat unplugged und solo das Mini-Album "Live & Alone" aufgenommen, das demnächst bei uns auch besprochen wird.
So viel in knappen Worten zur Bandgeschichte. Viel interessanter für uns waren die Pressestimmen aus der Vergangenheit, in denen sehr oft von 'ausgedehnten Auftritten bis zu drei Stunden' geredet wurde. Das hörte sich doch schon mal sehr gut an. Und das sahen wohl auch die Besucher in Salzgitter so, denn die Kniestedter Kirche war doch sehr gut gefüllt, was aber auch daran liegen könnte, dass Rusty neben Bernard Allison und Ana Popovic zu den Stammgästen in dem ehemaligen Gotteshaus gehört, die immer wieder gerne hierher zurückkehren. Aber wie dem auch sei, jedenfalls waren die Voraussetzungen für ein stimmungsvolles Konzert gegeben, als wir uns vor der Bühne platzierten.
Besonders auffällig war die Ansammlung von diversen Percussion-Instrumenten direkt vor unserer Nase, die den Mittelpunkt des Equipments bildete und eine ganz wichtige Rolle während des Konzertes spielen sollte. Doch dazu später mehr.
Zunächst begann das erste Set mit kräftigen Rock-Klängen, bei denen sich die Besucher gleich mal ein treffendes Bild von den musikalischen Fähigkeiten des Trios machen konnte. Und die waren weiß Gott nicht von schlechten Eltern. Die Rhythmusgruppe machte ganz schön Alarm und sorgte für sehr viel Druck, während der Reverend gleich von Anfang an zu den ersten Solo-Ausflügen ansetzte. Prima, wie er den Sechssaiter bearbeitete. In der Folge ging es dann weiter in Richtung Blues Rock und Blues, und auch hier bewies Rusty sein enormes Feeling für diese Musik. Sehr schnell hatte es das Trio geschafft, die Stimmung auf die nötige Temperatur zu bringen.
Dabei erreichte der Gitarrist ab und an ein Tempo, das man eigentlich nur von Alvin Lee und ähnlichen Konsorten gewohnt ist. Doch es ging auch anders. Mehrmals wechselte er zur Mandoline, wobei er sich besonders bei Rorys "Going To My Hometown" hervortat, das zu den absoluten Highlights des Konzertes wurde. Auch sein Slidespiel auf der Dobro war ganz stark und mit unheimlich viel Ausdruck dargeboten, ohne jemals in übertriebene Frickeleien zu verfallen. Das Zusammenspiel des Trios stand im Vordergrund und klappte perfekt. Hier gab es keinen 'Star' und seine Begleiter, sondern drei gleichwertige Musiker, die sich perfekt ergänzten und eine echte Einheit bildeten.
So war es nicht verwunderlich, dass auch Mr. C.P. des Öfteren zu Alleingängen auf seinen Instrumenten ansetzte und dabei sowohl am Electric-Bass als auch an der Upright-Version, sowie auf der Tuba (!) klasse Soloeinlagen lieferte. Da er auch beim Gesang dabei war, hatte er wirklich jede Menge Arbeit, die er aber perfekt meisterte. So stelle ich mir einen Bassisten vor, der sein Instrument nicht nur zur reinen Begleitung nutzt, sondern für ganz eigenständige Melodiefolgen sorgt. Mit Mr. C.P. hat der Reverend einen perfekten und ideenreichen Mitmusiker, der seinen Sounds sehr gut tut.
Genau wie mit Al Wood - und damit kommen wir auch gleich zu den bereits erwähnten Percussion-Zutaten. Einen großen Teil des Auftritts verbrachte der Drummer mit diesen Instrumenten und begleitete die Songs mit bloßen Händen. Es war schon sehr beeindruckend ihn aus einer Entfernung von zwei Metern so wirbeln zu sehen und dabei die Rhythmussicherheit und Virtuosität des Mannes aus nächster Nähe genau beobachten zu können. Da auch er noch mit den zusätzlichen Vocals beschäftigt war, hatte er Schwerstarbeit im wahrsten Sinne des Wortes zu leisten, und so lief der Schweiß in Strömen. Doch immer wieder aufbrausender Zwischenapplaus war der verdiente Lohn dieser Leistung.
Auch hinter seiner Schießbude gab er eine sehr gute Figur ab. Nicht nur bei den Losgehsongs war er jederzeit auf der Höhe, sondern bewies bei den Ausflügen in den Reggae- oder Funkbereich genau das richtige Timing, um auch diese Songs wohl dosiert rüber zu bringen. Al Wood war für mich die eigentliche Überraschung an diesem Abend, der ein sehr abwechslungsreiches Konzert bot.
Neben den Songs aus dem letzten Album gab es auch etlichge Coverversionen, die natürlich alle begeistert aufgenommen wurden. Dabei war neben dem schon erwähnten Gallagher-Titel vor allem der Stones-Klassiker "Honky Tonk Woman" ein weiterer Reißer, dessen Refrain aus voller Kehle mitgesungen wurde, aber auch Jimis "Voodoo Chile" und Hookers "Boom Boom" konnten durchaus punkten und sorgten für ein prima Atmosphäre im Saal.
Als die vierte (!) Zugabe (eine davon bot der Reverend solo) beendet war, und das Publikum noch immer weiter applaudierte (jetzt aber ohne Erfolg) war tatsächlich die Schallmauer von drei Stunden erreicht, ohne dass auch nur der Hauch von Langeweile aufgekommen war. Im Gegenteil, Reverend Rusty & The Case hatten gezeigt, wie man solch eine Performance gestalten kann, sodass die Zeit wie im Fluge vergeht. An diesem Abend waren Musiker am Werk gewesen, denen die Spielfreude förmlich ins Gesicht geschrieben war. So machen Live-Konzerte Spaß. Wer diese Truppe auf der Bühne erleben will, der sollte viel Zeit mitbringen. Die gute Laune stellt sich dann von ganz alleine ein.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Rusty Stone für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Rusty Stone (guitar, dobro, mandolin, vocals)
Mr. C.P. (bass, upright bass, tuba, vocals)
Al Wood (drums, percussion, vocals)
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