Wenn ich in der Woche zu einer geladenen Record-Release-Party gehe, bedarf es mehrerer guter Gründe, um die Einladung anzunehmen. Es ist vor allem die Musik, die mich absolut überzeugen muss. Und wenn dann noch mein Busenkumpel Shorty
ankündigt mitzukommen, selbst unsere Frauen signalisieren, dass sie dabei sind, ja dann wird auch an einem Donnerstag das Blackland im Prenzlauer Berg von Berlin aufgesucht.
Geladen hat die Berliner Band Riff Raff, die ihr neustes Hammerwerk Leaving D.C. den Anwesenden schmackhaft machen wollen. Dem Link folgend, hat die Berliner Kapelle bei meiner Rezension fast nur Bestnoten abgegriffen. Zwar hatte ich sie mir schon mal als AC/DC-Coverband live reingezogen, doch ergab sich für mich nie die Gelegenheit, die Band näher kennen zu lernen. Dass soll sich an diesem Abend ändern und so werde ich als erstes von Ricky herzlichst empfangen. Er stattet mich mit einem Backstage-Pass aus, der mir nicht nur fast alle Freiheiten im Club garantiert, sondern auch dafür sorgt, dass ich mir am üppigen Buffet den Bauch vollkloppen kann. Mein Wunsch nach einem gemeinsamen Foto wird umgehend erfüllt. Anschließend ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten, um mich mit den Bandmitgliedern rege auszutauschen.
Mit Gesangsgranate Steve verstehe ich mich blendend. Er erzählt mir, dass er vor jedem Auftritt reichlich nervös ist und es sich erst wieder legt, wenn er die Bühne betritt. Ich erfahre noch, dass wir beide demselben Sternzeichen angehören, in der fast selben Branche unsere Euronen verdienen und auch noch gleichaltrig sind. Sicherlich alles Gründe, die uns bei einem längeren Gespräch verweilen lassen. Während Shorty ganz auf Gentleman macht, unsere Damen und mich mit köstlichem 'Nass' versorgt, überschütte ich Schulle voll des Lobes bzgl. ihrer aktuellen Platte. Bemerkenswert, dieser nicht gerade Schwiegermutter-tauglich wirkende Drummer, dieses Kraftpaket, wirkt auf mich fast zurückhaltend, geradezu feinfühlig. Oder lässt er mich nur in den Glauben, dass er ein ganz Lieber ist? Denn es werden keine sechzig Minuten vergehen, bis ich, am Bühnenrand stehend, einen ganz anderen Schulle kennenlerne. Da ist Ricky aus ganz anderem Holz geschnitzt, wuselt von einer zu anderen Ecke, scheint jeden zu kennen und versprüht bereits die Energie, die ich etwas später live so richtig um die Ohren gehauen bekommen soll. Auch mit Basser Andy ergibt sich die Gelegenheit eines Wortwechsels. Er scheint völlig über den Dingen zu stehen. Keine Spur von Nervosität, alles wird von ihm völlig cool und relaxt wahrgenommen oder kommentiert. Der Mann hat einfach die Ruhe weg.
Zusehends füllt sich der Schuppen, eine Wärmekamera müsste mich mittlerweile im vollen Rot erscheinen lassen und ich fühle mich völlig 'unterhopft'. Doch diesmal muss ich mich selbst um eine frische Pilsette kümmern, denn Shorty scheint ebenfalls fast jeden Anwesenden zu kennen, plaudert mal hier, plaudert mal dort, und steht mir von nun an nicht mehr für den Getränkeservice zur Verfügung. Auch mir ist ein Großteil der Besucher, zumindest rein optisch betrachtet, bekannt. Kein Wunder, sind es oftmals immer dieselben Gesichter, die man bei den zahlreichen Konzertbesuchen antrifft.
Obwohl sich die Truppe am kommenden Morgen auf den Weg nach Österreich machen wird, weil dort zwei Gigs anstehen, spannen sie die Fans auf die Folter und können diese erst mit dem "Liar"-Clip, der sich auf einer riesigen Leinwand widerspiegelt, beruhigen. Nun wird es aber höchste Eisenbahn, um sich noch einen Frontplatz zu sichern, was sich im Nachhinein als besonders wertvoll erweisen wird.
Um etwa 21.30 Uhr betritt der Vierer die Bühne - Moment mal - da fehlt doch einer. Später ist es Ricky, der den Fans mitteilt, dass Rhythmusklampfer Zoltan nicht mehr der Band angehört und man ihm alles Gute für seinen weiteren Weg wünscht. Das einstündige Rock'n'Roll-Spekatakel wird mit dem leicht Van Halen-angehauchten "Set Me Off" eröffnet. Und nun erlebe ich den wahren Schulle, der an seiner Muckibude völlig 'Scheibe' spielt! Volle Kanne voraus, attackiert er unermüdlich seine musikalischen Mitstreiter, und selbst wenn Steve versuchen würde, sich rettend in den Backstage zu robben, er hätte keine Chance an Schulles Schlagsalven vorbeizukommen. Zwischendurch füllt er seine 'Backen' mit köstlichem Mineralwasser, um sie Sekunden später als speienden Vulkan zu entleeren, sodass vor allem die Fans (auch ich), die in der ersten Reihe stehen, in den Genuss erfrischender Regengüsse gelangen. Vielen Dank Schulle, für die bei fast jedem Song erhaltenen Gratis-Duschen, die nicht unbedingt hätten sein müssen.
Mittig platziert gibt sich 'The Voice', Mister Betterbridge, die Ehre und erfüllt meine Erwartungen, die ich vom aktuellen Tonträger gewonnen hatte, zu 100%. Der Lead-Sänger, nun auf der Bühne von jeglichem Lampenfieber befreit, zieht das Publikum in seinen Bann. Mit überdimensionalen Bizeps ausgestattet, traue ich ihm glatt zu, sein Mikro im Stil vom Ex-Seewolf Raimund Harmstorf wie 'ne Kartoffel zu zerquetschen. Doch er konzentriert sich voll auf seine tiefgelegten Stimmbänder und spätestens bei "Liar", diesmal live vorgetragen, erzeugt er bei mir eine schaurig, freudige Hühnerpelle. Es gibt über Steve an diesem Abend nichts Weiteres hinzuzufügen. Er hat es einfach drauf!
Doch damit nicht genug, direkt vor meinen Augen haut mir 'SG'-Experte Ricky eine Soloattacke nach der anderen um die Ohren, steht dabei immer unter Starkstrom, wirbelt wie ein Orkan über die Holzplanken und lässt zum Teil sein langes, blondes Haar wie einen Hubschrauberpropeller rotieren. Zuerst Schulles Duschen und anschließend Rickys Haargebläse, das nenne ich eine perfekte Air Condition. Mein geschultes Auge nimmt besonders die flinken Finger des Beelitzer Gitarristen unter die Lupe und lässt mich anschließend schlussfolgern: Auf einen Rhythmusklampfer ist die Band gar nicht angewiesen. Ich würde ihn einfach mit allen Freiheiten ausstatten. Der Typ hat soviel Energie im Hintern, er könnte glatt drei Atommeiler ersetzen. Später entledigt er sich seiner Oberbekleidung und stellt seine tollen Tätowierungen unter seinem Brustfell zur Schau. So kommt dann doch noch sein Angus-Gen zu Tage. Auch wenn Bassist Andy nicht so im Rampenlicht steht, ist er für die Band unverzichtbar, zupft routiniert seinen Tieftöner und erfüllt zur vollsten Zufriedenheit seinen Job. Doch alles in allem ist es die Geschlossenheit, die unglaubliche Dynamik, das brutal ehrliche Auftreten der Band, die meinen Adrenalinspiegel in ungeahnte Höhen schnellen lässt.
Als Zugabe gibt es "Liar" auf die Lauscher, der Club bebt tüchtig und so mancher Gast schwingt ausgiebig das Tanzbein. Einziges Manko des Abends ist, dass nach einer knappen Stunde Feierabend ist. Für mich allerdings nicht ganz, so wie es meinem Naturell entspricht, muss ich der Band mein Feedback zukommen lassen und marschiere schnurstracks in den Backstage-Bereich. Dort angekommen fühlt es sich an wie in einer Sauna. Ein bisserl Smalltalk mit Steve, das Erbeuten von Rickys Plektron, immerhin in der legendären Release-Party benutzt, und ein paar Erinnerungsfotos später befinden wir uns auf der Heimreise mit dem allgemeinen Fazit, dass das nicht der letzte Gig-Besuch von Riff Raff gewesen sei. RockTimes bedankt sich für die Einladung und bei Diana Lange, die für die Fotos verantwortlich zeichnet.
Line-up:
Steve Betteridge (vocals,)
Ricky Grasser (guitar)
Andy Schwacke (bass)
Andreas 'Schulle' Schulz (drums)
Setlist |
01:Set Me Off
02:Rev Up - Ride On
03:I'm Not The One
04:Leaving D.C.
05:Give'm Rhythm
06:Long Live The Night
07:We're Only Here For The Beer
08:One For The Road
09:Hail The Rockin' Man
10:We Came, We Saw, We Had A Ball
11:Liar
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Externer Link:
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