 Bevor AC/DC am letzten Dienstag das Berliner Olympiastadion in ein wahres Tollhaus verwandelten, fand einen Tag zuvor in Pankow ein Treffen der absoluten Hardliner-Fans der glorreichen australischen Band statt, die sich die Mühe machten, um in Berlin dabei zu sein. An sich vielleicht nichts Besonderes, wenn nicht ausgerechnet meine Freunde von BON für diese Fan-Party mit einem, wie sich im Nachhinein herausstellte, denkwürdigen Konzert gebucht worden wären, um dem Publikum das nötige Feuer unter den Arsch zu blasen. Außerdem sagten sich kurzfristig die Münchner Harry und Sabine, sowie Margit mit Tochter Linda aus Leipzig an, die ich vor anderthalb Jahren in New York kennenlernte, als wir gemeinsam zu den glücklichen Gewinnern des Wettbewerbs 'Wir suchen den verrücktesten AC/DC-Fan' von Radio Energy gehörten. Damit ergaben sich 1.000 gute Gründe, um das Erlebte abermals Revue passieren zu lassen.
 Da wir bereits um 18.00 Uhr zur Fan Warm-Up Party in der Buchholzer Straße eintrafen, wurde sich ausgiebig fast jede Einzelheit des unglaublichen New York-Trips in Erinnerung gerufen. Aber nicht nur! In kurzen Abständen stellte sich irgendwer an unseren Tisch, um von seinen Konzerterlebnissen zu berichten. So mancher konnte mit extrem aufregenden Geschichten aufwarten, die nur staunende Gesichter hinterließen, zumal sie meistens auch noch mit erstklassigem Bildmaterial untermauert wurden! Zwischenzeitlich füllte sich der Vorplatz mit vielen waschechten AC/DC-Fans, die mit den unterschiedlichsten Fan-Artikeln, wie T-Shirts, Mützen, Leuchthörnern, Luftgitarren oder gar in Schuluniformen dem Treffen beiwohnten. An den Bierständen wurde reichlich gefachsimpelt, Adressen ausgetauscht, Souvenirs und Autogrammkarten zur Schau gestellt und so verging die Zeit bis zum Konzertbeginn wie im Flug, zumal der Zapfhahn nie still stand!
 Pünktlich um 21.00 Uhr eröffnete Schottenrock Daniel auf seinem Dudelsack "It's A Long Way To The Top", einem Song, an den sich nur die wenigsten Coverbands (wer außer BON überhaupt?), heranwagen. Die Fans waren nicht nur begeistert, sondern spätestens nach "Riff Raff" völlig aus dem Häuschen! Während "Shot Down In Flames" den jubelnden Leuten um die Ohren geblasen wurde, krempelte mein Nebenmann seinen Ärmel hoch und zeigte mir stolz sein Bon Scott-Tattoo. In der Tat hat hier irgendein Tintenkünstler eine tolle Arbeit abgeliefert!
 Apropos Bon Scott, wie es der Bandname BON erahnen lässt, werden auch nur Songs aus der Zeit des extrovertierten Sängers gespielt. Und spätestens nach "Down Payment Blues" und "Love At First Feel" befinde ich mich gedanklich auf einer Zeitreise in die Vergangenheit, als die Australier in ihren Anfängen in diversen Clubs ihre ersten Lorbeeren einheimsten.
Zwar kenne ich die Band schon einige Jahre, doch überraschen mich die Jungs jedes Mal mit ihrer authentischen Show! So auch bei "Jailbreak", als sich Vokalist Shorty 'erschießen' lässt, wie beim Video-Clip der Family-DVD! Oder bei "Sin City", als sich Dennis Young zum ersten Mal auf den Boden schmeißt, um kurz danach wieder messerscharfe Gitarrensoli in die Meute zu feuern. Dass Dennis keine Skrupel besitzt und auf der Bühne die komplette 'Sau' raus lässt, beweist "Bad Boy Boogie". Hier findet sein Strip ein jähes Ende mit dem Herunterlassen sämtlicher Hosen, um den Anwesenden sein blankes Hinterteil zu zeigen! Und als ob er sich einen gewaltigen Arschtritt von den Fans abholt, flitzt der ungehobelte Gitarrenboy anschließend über die Bühne, so wie es sein legendäres Vorbild heute noch zelebriert!
 Spätestens als der Anhang lautstark "The Jack" erwidert, sich die Fans in den Armen liegen, ihre Haarprachten in unglaublicher Drehzahl durch die Luft wirbeln, bin ich mir sicher: Diesen Abend werden weder die Band noch die Zuschauer je vergessen! Dass Fans aus 14 Nationen, u.a. aus Neuseeland, Japan und Australien an diesem Abend anwesend waren, machte den besonderen Reiz dieses Events aus! Selbst der Präsi des deutschen AC/DC-Fanclubs Daily Dirty, Thomas Schade, der bei "High Voltage" plötzlich auf die Bühne steigt, um sich anschließend in die Menge zu stürzen, lässt sich diese Treffen nicht nehmen, zumal er ebenfalls viel Einsatz und Mühen in Kauf nahm, damit diese Veranstaltung zu Stande kam. Bei "Whole Lotta Rosie" kämpft sich ein Japaner an die Bühnen-Front, um Shorty seine kleine Rosie zu überreichen. Währenddessen fliegt die originale BON-Rosie in die Menge und die arme Gummipuppe erlebt einen Höllenritt, wird erbarmungslos durch die Fangemeinde gewirbelt, bis sie wieder beim Scott-Double landet und dieser die 'Braut' mit weiteren Textpassagen zulabbert! Basser Ron findet immer wieder Zeit, mir ein Augenzwinkern zu zublinzeln, während Holle, mein Musiker des Jahres 2009, in Schwerstarbeit 180 Minuten lang non stop seine Schießbude beackert! Randy, das perfekte Malcolm-Imitat, spielt ebenfalls in Höchstform auf und ebnet meist unauffällig seinem Lead-Gitarristen den Weg. Doch genauso muss es sein!
 Dass die Band mit "Night Prowler", "Rock'N'Roll Singer", "Gone Shootin'" oder "Ride On" auch Songs präsentiert, die fast in Vergessenheit geraten sind, zumindest für die jüngere Generation, die mit Scott gar nichts anzufangen weiß, ist für die älteren Fans um die Fünfzig umso wertvoller! Nach einem weiteren Highlight "Let There Be Rock", bei dem Shorty auf einem Podest im weißen Pfarrergewand dem Publikum die Leviten singt, lässt sich Dennis auf den Schultern des Roadies mit qualmenden Schulranzen durch die Menge treiben, die sich nun völlig am Rande des Wahnsinns befindet, und haut den Anwesenden weiter spektakuläre Soli um die Lauschlappen! Normalerweise ist nach diesem Song Feierabend, doch nicht für die Fans! Brüllend, klatschend, pfeifend und mit »AC/DC, AC/DC«-Rufen ringen sie der Berliner Truppe mit "Up To My Neck In You" und "Rocker" zwei weitere Zugaben ab.
 Mein Zeitvergleich ergibt eine Spieldauer von fast drei Stunden! Während der Anhang die Kapelle mit frenetischem Applaus in den Backstage-Bereich verabschiedet, gibt's vor der Bühne die Verleihung diverser Tombola-Preise und draußen wird mit Freibier für weitere positive Stimmung gesorgt! Doch der Band steht noch ein besonderes Ereignis bevor! Nämlich als sich ein kleiner schmächtiger Kerl in den Umkleideraum verirrt und sich als Ross Young, Sohn des berühmten Malcolm, ausgibt! Keiner will es so recht glauben, bis es von mehreren sicheren Quellen bestätigt wird. Sein Kommentar zu Shorty (gleich ins deutsche übersetzt) »Bon Scott hätte es nicht besser machen können« empfinde ich als wohlverdienten Ritterschlag für BON!
 Obwohl die Zuschauer sich in einen wahren Party-Rausch ziehen ließen, es zum Teil ziemlich heftig zuging, einige Bierreste durch die Luft flogen, blieb alles friedlich! Selbst, die als hartgesottenen geltenden Engländer, versprühten keinerlei Aggressivität, sondern demonstrierten ihren eigenen britischen Humor! So stand ein Fan vor mir und meinte in seinem Alkoholfähnchen: »Ich bin ein Inselaffe!«. Die Fan-Artikel-Stände konnten mit einigen seltenen, limitierten Tonkonserven aufwarten und hatten auch nicht handelsübliche AC/DC-Lektüre im Angebot. Viele helfende Hände (allen voran Edgar vom Dynamite AC/DC-Fanclub und der G.O./T.M. AC/DC-Fanclub aus Dallgow), die man als Konzertbesucher kaum wahrnahm, trugen ihren Teil dazu bei, dass das Fan-Treffen auch bei mir für immer tief in meinem Rocker-Herzen verankert bleiben wird!
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