Royal Southern Brotherhood / 30.11.2013, Quasimodo, Berlin
Quasimodo
Royal Southern Brotherhood
Quasimodo Berlin
22. November 2013
Konzertbericht
Stil: Blues Rock


Artikel vom 02.12.2013


Mike Kempf
RSB»Pflichtprogramm«, so vernahm ich die Meinung meiner Kollegin Sabine, als ich in der letzten RockTimes-Redaktionssitzung erwähnte, dass die Royal Southern Brotherhood demnächst in meinem zweiten Wohnzimmer, dem Quasimodo, auftreten würden. Und als ich ihren letztjährigen Konzertbericht las, den sie zusammen mit einem weiteren RockTimes-Kollegen Markus verfasst hatte, wusste ich auch warum. Ich hätte es mir ganz einfach machen können, anstatt Dana Fuchs füge ich Samantha Fish ein, die in Berlin als Gastspielerin auftritt und Deutschlands zurzeit angesagte Blues Rock-Röhre Jessy Martens nehme ich ganz raus, tausche noch die Spielstätte Kammgarn gegen das Quasimodo und übernehme ihren Bericht 1:1 - fertig. Im Endergebnis sind beide Live-Erlebnisse fast deckungsgleich. Auch die Berliner, wie sich im Nachhinein herausstellt, werden Zeugen eines außergewöhnlichen, qualitativ hochwertigen Konzerts. Doch auf die Gefahr hin, dass ich mit dieser Finte bei unseren aufmerksamen Lesern gnadenlos auffliegen werde, ist es mir dann doch zu riskant. Außerdem gibt es auch aus Berlin viel zu berichten.
RSBIch empfinde es als ein ständig wiederholendes Déjà Vu, als ich mich in den Stadtflitzer meines Kollegen Holger platziere, um mit ihm nach kürzester Zeit Skinny Molly und Billy Walton schon wieder ins Quasimodo zu marschieren, um dieses Mal Royal Southern Brootherhood anzusehen. Vor der Show steht noch ein Interview mit Mike Zito an und wir kommen in den Genuss, nicht nur den Musiker Zito, sondern vor allem den äußert sympathischen Menschen Zito kennenzulernen. Das Gespräch beläuft sich fast auf eine Dreiviertelstunde und Holger wird viel Zeit investieren müssen, um alles zu übersetzen und ins Reine zu tippen.
RSBSamantha betritt gegen 22:20 Uhr zuerst als reine Soloartistin die Bühne und steht für zwei Songs, nur mit ihrer Stromklampfe bewaffnet, völlig allein vor den Fans. Ich bin mir nicht sicher, ob das Publikum mehr von ihrer musikalischen Qualität oder mehr von ihrem äußerlichen Erscheinungsbild angetan ist. Aber klar, trotz atemberaubenden Minikleid, knallroten hochhackigen Pumps und wellender Blondmähne, die Blueserin versteht ihr musikalisches Handwerk und beeindruckt, zumindest Holger und mich, mehr mit ihrer Fingerfertigkeit an ihrem Sechssaiter, als mit ihrem Äußeren. Nach dem ersten richtigen Knaller, bei dem Samantha und Mike zusammen im Mittelpunkt stehen und dabei sich gegenüberstehend ihre Gitarrendrähte zum Glühen bringen, folgt nach einer guten halben Stunde eine für uns unerwartete Pause und wir hoffen, dass die Royals nicht auch noch nur in Halbstunden-Blöcken auftreten.
RSBNichtsahnend, was uns noch erwartet, erscheint nach der kurzweiligen Erholungsphase die komplette Royal Southern Brotherhood-Combo auf die Bühne und diese wirkt nun so wie der Innenraum des Clubs: es ist proppenvoll. Direkt vor unseren Augen auf der rechten Seite steht Mister Zito (2010 Gewinner des Blues Music Award mit "Song Of The Year"), vorne mittig direkt neben ihm Percussion-Spezialist und Soulsängerlegende Cyril Neville, links außen der Sohn von Gregg Allman, Devon, ganz hinten Schlagzeuggranate Yonrico Scott, der auch schon für die Derek Trucks Band, Gregg Allman und die Allman Brothers die Felle beackerte und knapp seitlich vor ihm der Tieftonexperte Charlie Wooton, der in der Südstaatenrock-Szene eine bekannte Größe ist.
RSBWie gesagt, nichtsahnend was uns noch bevor steht, folgen weitere zweieinhalbstunden Southern Rock der Güteklasse A. In der Tat erleben die Zeitzeugen ein Konzert der absoluten Spitzenklasse. Egal, wer sich von den Gitarristen für die erstklassigen Soli verantwortet, Zito und Allman ergänzen sich glänzend, setzen zahlreiche Höhepunkte, halten sich aber auch entsprechend zurück, wenn es Gastspielerin Samantha vergönnt ist, ihre Fingerakrobatik zur Schau zu stellen. Selbst die Soloattacken von Wooton und Scott sind mit jeweils über zehn Minuten Powerpräsentation nicht nur außergewöhnlich lang, sondern werden mit solch einer exzellenten Qualität geboten, wie man es selbst in Berlins Blues- und Jazztempel nicht jeden Tag geboten bekommt.
RSBEs ist schon fast ungerecht, jemanden aus der Formation besonders hervorzuheben, doch was der nur wenige Zentimeter vor mir stehende Cyril Neville an souligen Gesangsvorträgen zum Besten gibt, diese oftmals mit seinen erstklassigen Percussionseinlagen garniert, ist schon sagenhaft. Und wer denkt, dass Neville anhand seines fortgeschrittenen Alters (er feierte am 10. Oktober seinen 65.) ein paar Kunstpausen einlegen muss, der wird hier eines Besseren belehrt. Je länger der Gig andauert, sich der Drei-Stunden-Marke nähert, desto agiler und frischer wirkt der junggebliebene Altmeister. Teilweise wirbelt er so extrem über die Holzplanken des Clubs, dass man seine rhythmische Energie bis ins Mark spürt, mit der er die Fans begeistert - RESPEKT, Mister Neville!
RSBNach der letzten Stones-Zugabe, "Gimme Shelter", und etwas über drei Stunden Southern Rock der Extraklasse, von Musikern zelebriert, die in der Vergangenheit allesamt internationale Musikpreise einheimsten, war die Messe endgültig gelesen. Während sich die Beinmuskulatur freut, durch leichtes Gehen wieder zur Normalität findet, hat Labelchef Thomas Ruf alle Hände voll zu tun, um die Fans mit zahlreichen Tonkonserven der Musiker zu versorgen. Wer sich diese dann signieren lassen will, der muss noch ein lockeres Überstündchen einlegen, denn der Andrang scheint kein Ende zu nehmen. So tauschen wir uns noch mit Nadine (Schwester vom RockTimer Markus) über das Erlebte aus und ich stelle in ihren Augen nur vollste Zufriedenheit fest. Und mit genau demselben Gefühl verlassen wir gegen 2:00 Uhr morgens den Club, drehen uns noch mal kurz um, als uns Thomas Ruf noch hinterher ruft: »Bis nächstes Jahr beim Blues Caravan«.
Line-up:
Cyril Neville (percussion, lead & background vocals)
Devon Allman (lead & rhythm guitars, lead & background vocals)
Mike Zito (lead & rhythm guitars, lead & background vocals)
Charlie Wooton (bass, background vocals)
Yonrico Scott (drums, background vocals)
Samantha Fish (vocals, lead & rhythm guitars)
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