Chris ... wer? Naja, ganz so schlimm ist es nicht, wenn die Rede auf Chris Spedding zu sprechen kommt. Und dennoch fristet der englische Gitarrist, Komponist, Sänger und Produzent trotz einer zweistelligen Anzahl an Soloalben und der Beteiligung an über 200 Produktionen schon mehr oder weniger ein Schattendasein. Das mag zum einen daran liegen, dass er noch keinen Solo-Hit hatte und zum anderen auch an der Tatsache, dass er nie ein Frontmann für die Massen war sowie als Sänger eher in die J. J. Cale-Kategorie fällt.
Mir fiel der Name des pausenlos beschäftigten Studiomusikers (der unter anderem ein Womble war, kann sich überhaupt noch jemand an diese Fernseh-Sendung erinnern?) zum ersten Mal in Verbindung mit den Sex Pistols auf, deren erste Demos er produzierte und ihnen auch sonst hilfreich zur Seite stand. Aber auch für Hochkaräter wie z. B. Bryan Ferry, um nur mal einen zu nennen, war der Engländer bereits in Lohn und Brot.
Im Jahr 2011 gibt es nach sechsjähriger Pause wieder ein Spedding-Soloalbum, seine nunmehr zwölfte abendfüllende Studio-Produktion unter eigenem Namen. Wahrscheinlich nicht ganz zufällig, denn sein Debüt "Backwood Progression" erschien vor genau vierzig Jahren. Dass der Brite im mittlerweile gesetzten Alter nicht mehr die Welt erobern will, ist durchaus nachvollziehbar. Und so macht er auch weiterhin einfach genau das, wonach ihm der Sinn steht.
Und das ist - wie auch mein geschätzter Ex-Kollege 'Olli' Oetken beim Vorgänger Click Clack bereits festgestellt hat - relaxter (Roots-)Rock mit kleinen, aber ganz feinen Prisen Rumba oder Jazz als Zugabe. Wie ich bereits angedeutet hatte, ist Spedding nun wirklich kein nennenswerter Sänger, der Genuss (auch) dieser Scheibe liegt vielmehr in der musikalischen Darbietung.
Zum Beispiel bei dem coolen Instrumental "Don't That Pretty", das über eine losgelöste Hawaii-Atmosphäre verfügt. Dieses Feeling bei der Saitenbearbeitung kann man meiner Meinung nach nicht lernen, das hat man einfach im Blut - oder auch nicht. Und wenn wir schon mal bei den Instrumentals sind, dann muss unbedingt auch "Cherry" erwähnt werden. Eine supercoole Jazz-Nummer mit dem Gast Malcolm Mortimore an den Besen und der Saxophonistin Charlotte Glasson, die sich mit Spedding hier die Bälle in kongenialer Weise hin und her wirft. Ein ganz feines Teil!
Launisch arbeitet sich der gute Chris durch die Lyrics zum Openers "Not Love", während er im Gegenzug seine Gitarre deutlich vielsagender aufheulen lässt. Im Hintergrund ist Sarah Brown als Background-Sängerin aktiv und liefert einen von mehreren starken Beiträgen ab. Beim melancholischen Titeltrack erzeugt der Gitarrist einmal mehr durch seine Gitarre ein Ambiente, das die Gefühlslage des Protagonisten deutlicher einfängt, als dies mit den Vocals möglich war.
Unterstützen ließ sich Spedding im Studio von den Veteranen und jahrzehntelangen Weggefährten Herbie Flowers (Bass, Tuba) sowie dem Schlagzeuger Andy Newmark (die beide in der ersten Hälfte der Siebziger auch schon für David Bowie gearbeitet haben) und deren musikalische Beiträge erwartungsgemäß auch bei "Pearls" wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passen. Der "Flat Top Floogie" ist ein klasse Boogie Woogie-Stück, auf dem die flotte Akustische jede Menge Auslauf bekommt. Und so könnte man jeden einzelnen Titel durchgehen und sich über die musikalischen Feinheiten auslassen.
"Pearls" wird sich nicht millionenfach verkaufen, auch nicht hunderttausendfach. Und "Pearls" ist schon gar kein lautes Album, vielmehr ist es eine Scheibe zum Genießen. Optimal zum Beispiel für relaxte Abende, an denen man einfach nur Lust hat, dazusitzen und zuzuhören. Als Gitarrist ist Chris Spedding ein Meister seines Fachs, dem man gerne zuhört. Nichts für Leute, die sich musikalisch grundsätzlich auf der Überholspur aufhalten müssen, aber dafür ein dicker Tipp an alle, die zum Beispiel einem J. J. Cale zugeneigt sind. Oder einfach nur superstarke Gitarristen mögen.
Line-up:
Chris Spedding (lead vocals, guitars, electric bass)
Herbie Flowers (acoustic string bass, tuba)
Andy Newmark (drums)
Jim Mortimore (acoustic slap bass)
Charlotte Glasson (tenor & baritone saxophone, bass clarinet)
Sarah Brown (background vocals)
Malcolm Mortimore (drums - #5)
Tracklist |
01:Not Love
02:Rhumba
03:Louisiana Blues
04:Pearls
05:Cherry
06:Air Guitar Woogie
07:The Train And The River
08:Temple Heath
09:Drippin's
10:Don't That Pretty
11:Abuse
12:Pearls (Reprise)
13:Flat Top Floogie
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