Der Nachname dieses Mannes aus Rio de Janeiro verspricht ja schon ganzjährige Copacabana-Stimmung. Aber rein musikalisch passt er nicht ins Klischee - zum Glück! Joey Summer liefert das Gegengift zu der seit Monaten kaum tot zu kriegenden Horror-Hookline des Grusel-Ohrwurms "Ai Se Eu Te Pego!". Denn Herr Summer macht lupenreinen Heavy Rock mit unverbesserlicher 80er-Jahre-Prägung. Und er ist Wiederholungstäter. "One Bite From Paradise" ist der Nachfolger des bereits äußerst stilechten 2010er-Machwerks Written On The Horizon.
Zum zweiten Mal in Folge bleibt er damit auch der englischen Sprache treu. So verstehen wir auch, was er da so singt. Und zwar schon, bevor er anfängt! "Addicted To Your Love", "That's What I'm Waiting For", "It's Only Your Love"... ja, es geht um Männchen und Weibchen. Joey Summer macht keine halben Sachen - er zieht die Retro-Chose konsequent durch. Sein Foto im Booklet passt da perfekt dazu: Mit Klunker um die Kehle, mit angespitzen Lippen und ernst dreinblickend posiert er, das Hemd halb aufgeknöpft; und mit beiden Händen neigt er seine Ibanez in einen präzisen 45-Grad-Winkel. Hah, ein Poser vor dem Herrn!
Er darf auch gern posen. Denn Joey Summer ist nicht nur Fassade - es steckt auch was dahinter. Das Gros seiner Stücke sind mindestens grundsolide AOR-Nummern. Das Intro "OBFP" ebnet mit bedeutungsschwangerem Sprechsample schon mal den Weg für den Titelsong - es fallen Ausdrücke wie 'In the beginning...', 'Good and evil', 'Blood and tears' und 'New era'. Der folgende Song "One Bite From Paradise" erfüllt dann prompt die Erwartungen, mit einer gewaltigen Mid Tempo-Hookline und einem Bombast-Chorus mit viel Backings und Keyboard.
Es ist nicht spektakulär, aber es sitzt; und die einfache Melodie bleibt im Kopf, wenn die CD längst wieder im Regal steht. Damit ist die Mission erfüllt. Ähnlich kräftig geht es weiter. Summers Stücke haben alle eine gewisse 'Schwere', einiges an Pathos. Das erinnert oft an House Of Lords, wobei er in Sachen Keyboard-Arbeit deutlich mehr retro klingt als die 'Oberhäusler' heute. Da glitzern die Tasten schon mal im Stil von Bad English, Bon Jovi oder Survivor anno dazumal.
Zugegeben: Das mag manch einem auch etwas zu dick aufgetragen sein. Aber diese Art von Musik ist ja ohnehin eher etwas für 'Unerschrockene'. Und die freuen sich auf das Foreigner-lastige "Addicted To Your Love", die kitschige, aber mit einer klasse Melodie ausgestattete Schmachtballade "It's Only Your Love" im Journey-Stil und über jenes Stück, das zusammen mit dem Titeltrack heraussticht: "The Prize [sic!] Of Love". Klasse Keyboards, die auch rhythmische Akzente setzen ( Journey meets good ole Toto), starke Melodien und vor allem auch mal Tempo und Dynamik.
Damit wären wir auch schon bei den Kritikpunkten: Insgesamt zu viele Songs sind im arg ähnlichen Mitteltempo gehalten. Das macht sie noch nicht schlecht, aber etwas mehr Abwechslung täte gut. Außerdem ist die balladenhafte Strecke ab "Heaven To Earth" (von und mit Gast-Keyboarder Fredrik Bergh von Street Talk) etwas lang. Ganz am Ende ist das schnell vergessen - da überzeugt nämlich der (Bonus-)Schlusspunkt "No One's Gonna Hurt Me Anymore", instrumental komplett in den Händen der Gäste Frédéric Slama ( AOR) und Tommy Denander.
Der Rausschmeißer ist ein richtiger Ausreißer: nochmal eine Hookline, die haften bleibt, allerdings eher sonnig und optimistisch. Es passt, dass dieser (starke!) Sonderling als Bonustrack mit großer Gastspieler-Parade vermerkt wurde. Denn spätestens hier fällt auf, was Joey Summers eigentlicher Stil der elf Nummern zuvor ist: Bombast-AOR mit Sehnsucht, Schmerz und Pathos. Und er verkauft den mit nicht sensationellen, aber ehrlichen und emotionalen Vocals, unermüdlich rockendem Riffing und ein paar hübschen Dekor-Soli (stark zum Beispiel das Intro-Solo von "Addicted To Your Love" - noch stärker: das Outro-Solo in "From Miles Away"). Alles in allem ein sehr feiner brasilianischer Summer.
Line-up:
Joey Summer (guitars, lead vocals, backing vocals, bass, keyboards)
Daniel Lamas (keyboards, backing vocals, bass)
Geraldo Adbo (drums)
Guest musicians:
Fredrik Bergh (keyboards - #7)
Frédéric Slama (guitars - #12)
Tommy Denander (all instruments - #12)
Tracklist |
01:OBFP [Overture] (1:50)
02:One Bite From Paradise (3:37)
03:Running Through The Night (4:28)
04:No Margin For Erro [sic!] (4:12)
05:Addicted To Your Love (5:32)
06:From Miles Away (4:14)
07:Heaven To Earth (4:30)
08:That's What I'm Waiting For (4:45)
09:Sailor On The Moon (4:49)
10:It's Only Your Love (4:56)
11:The Prize Of Love (5:20)
12:No One's Gonna Hurt Me Anymore (5:15)
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