Zugegeben: Meine frühere Begeisterung für Julian Sas hatte über die Jahre hinweg ein wenig gelitten, und von den letzten CD-Veröffentlichungen hatte ich insbesondere die Studio-Scheiben weitestgehend außer Acht gelassen, denn - bei oberflächlicher Betrachtung - zu sehr ähnelte eine Scheibe der anderen. Anders hingegen die verschiedenen Dokumentationen seiner Live-Performance. Da kam immer wieder die Kraft zum Vorschein, die seiner Musik innewohnt.
Dass ich aber seit gut zweieinhalb Jahren nichts Neues mehr von Julian Sas wahrgenommen habe, liegt jedoch weniger an meiner Zurückhaltung als vielmehr an der Tatsache, dass sich der Protagonist genau diese Zeit für die Veröffentlichung einer neuen Studio-Aufnahme genommen hat. Und dies war gut so! Zum einen weckte diese Zeitspanne meine Neugier auf neues Material des holländischen Bluesrockers, zum anderen hat dies sicherlich auch seiner Produktivität gut getan. An mangelndem Ideenreichtum hat dies angabegemäß offenbar weniger gelegen als an dem Wunsch nach einer perfekten, offenbar sehr persönlich angelegten CD. Und diese ist ihm gelungen!
Was aber bekommt man nun geboten? Blues Rock halt in der Art und Weise, wie man ihn von Julian Sas kennt und erwartet - nicht mehr, aber sicherlich auch nicht weniger! Mit seinem langjährigen Bassisten Tenny Tahamata und dem Drummer Rob Heijne, der ebenfalls bereits seit einiger Zeit mit dabei ist, liefert Julian Sas gekonnt das ab, zu was ein Power-Trio imstande ist - und das ist eine ganze Menge!
Es beginnt mit einem relativ langsamen, aber sehr rhythmisch dargebotenen "Life On The Line", das auch als Single-Auskoppelung erhältlich ist (und vorliegend in einer 'Radio Edit'-Version nochmals - gekürzt - am Ende der CD wiederholt wird). Bass und Drums geben das musikalische Rückgrat für eine einfühlsame Solo-Gitarre, und im Hintergrund ist eindeutig eine Schweineorgel zu hören, obwohl nirgendwo Angaben zu ergänzenden Musikern auf der CD gemacht sind. Egal - jedenfalls ein toller Einstieg!
Flotter, leicht funkig angehaucht die Danksagung "Mercy" an gewisse Dämonen bzw. deren Abwehr. Wah Wah und sonstige Effekte gestalten die Nummer äußerst abwechslungsreich. Dann kommt bereits der Titelsong "Bound To Roll": das Tempo hoch, bringt der Song den Hörer sofort 'ins Rollen'; der ganze Körper geht - selbst im Sitzen - unweigerlich mit. Sollte hier nicht ebenfalls ein zusätzlicher Musiker unerkannt dabei sei, ist klar, dass hier mit Overdubs gearbeitet wurde.
Totaler Stimmungsumschwung mit "How Could I've Been So Blind": melodiöse Akustik-Gitarre, zwischendurch zahlreiche elektrische Saitenklänge eingestreut, bevor das Ganze dann doch noch richtig rockig wird. Mit "Shadow Play" folgt die erste Fremdkomposition. Diese stammt im Original von Rory Gallagher, wobei ich dessen Interpretation erst seit dem kürzlich veröffentlichten Album Notes From San Francisco kenne. Julian Sas kommt ihm mit seiner Version sehr nah, einschließlich des Gesangsstils.
'Sumpfig' - und damit stilecht - klingt das folgende "Swampland". Stark Bass- und Drums-getrieben, zwitschert die E-Gitarre ständig dazwischen. Es folgt das nächste Cover: "30 Days In The Hole", der Humble Pie-Klassiker über die Folgen des Drogen-Missbrauchs. Passend zur Thematik klingt das Ganze recht düster, dennoch - oder auch gerade deshalb - gut!
"Blues Won't Stay" ist wieder so ein typischer Julian Sas-Song. Flott, stark Rhythmus-getrieben, dennoch melodiös. Und wieder die Schweineorgel im Hintergrund - wieso nur ist deren Bearbeiter nicht genannt? Jaulende Gitarre im Mittelteil - Blueser-Herz, was willst Du mehr? Vielleicht "Tear It Up"? Sehr rockig, fast schon ein Rock'n'Roll. Die Gitarre eingangs von links nach rechts schwenkend, kommt der Song anschließend gradlinig daher.
Und dann kommt das erste (und einzige) Stück zum Wegträumen: "Burnin' Bridges", eine tolle Ballade. Doch mit dem Einsetzen des Gesanges reibt man sich verwundert die Ohren: Ist das ebenfalls Julian Sas, der da singt, so anders klingt plötzlich seine Stimme, weniger rau, weniger 'dreckig'. Dass kein weiterer Sänger im Booklet benannt ist, wundert angesichts der fehlenden Angabe zum Keyboarder jedenfalls nicht. Doch als der längste Song der Scheibe zu Ende geht und bei dem folgenden - Country-angehauchten - "I Ain't Backing Down" die Stimme ähnlich klingt, komme ich zu dem Schluss, dass es wohl doch Julian Sas himself sein muss, der hier - wenn auch ungewohnt für die Ohren - singt.
Zurück zur 'Original'- Julian Sas-Stimme, dafür wieder ein Cover-Song: "Highway 61 Revisited" - im Original von Bob Dylan
von dessen gleichnamigem Album. Das rockt und groovt und was weiß ich alles, diese Version ist für mich der Abräumer schlechthin! Der Song live und der ganze Saal tobt - jede Wette! Und schließlich - wie bereits angesprochen - noch die Kurzversion von "Life On The Line", mit der sich der Kreis einer rundum gelungenen CD schließt. Notwendig ist diese Verlängerung m. E. nicht (der Mehrwert einer Kurzversion erklärt sich mir jedenfalls nicht), es sei denn, man wollte die Gesamtspielzeit der CD unbedingt auf über 50 Minuten anheben - wieso auch immer!
Mein Fazit: Natürlich kann auch Julian Sas den Blues Rock nicht neu erfinden. Doch mit der vorliegenden CD ist es ihm gelungen, ihn wieder frisch zu verpacken. Und wo Julian Sas draufsteht, ist - wie immer - Julian Sas auch drin. Auf "Bound To Roll" wird es niemals langweilig, zu unterschiedlich sind die Songs untereinander. Und vielleicht ist es ja die längere Pause zur letzten Veröffentlichung, die einem wirklich Spaß an der Scheibe bereitet. Dann kann man nur sagen: Manchmal ist es einfach gut, etwas mit der Veröffentlichung zu warten, um den Fan nicht zu langweilen. Vorliegend war das Rezept jedenfalls erfolgreich.
Die Songs sind durchweg stark arrangiert, teilweise jedoch in einer Art und Weise, die von einem Power-Trio alleine nicht dargeboten werden kann. Ich bin äußerst gespannt, wie Julian Sas diese Songs live bringen wird.
Noch eine kleine Formalie zum Schluss: Das Digipak enthält neben den Liner-Notes ein Booklet mit dem Abdruck sämtlicher Songtexte - jedenfalls, soweit sie aus der Feder von Julian Sas stammen. Wieso die Texte der Fremdkompositionen - wie anderswo oft auch - vorliegend nicht mit abgedruckt wurden (bzw. werden durften), kann ich nicht erklären; Tantiemen dürften dennoch anfallen!
Nachtrag, 31. Januar 2012
Oh, da habe ich Julian Sas bzw. seiner Plattenfirma Unrecht getan! Der mir bislang unbekannt gebliebene 'Schweinorganist' ist doch im Booklet erwähnt, wenn auch nicht im Zusammenhang mit der Angabe der anderen Musiker, sondern mehr im 'technischen' Teil, zudem mit einem kleinen Schreibfehler, aber immerhin! Es handelt sich um den holländischen Organisten Willem van der Schoof, der auch auf RockTimes nicht völlig unbekannt ist, fand er zumindest hier bereits Erwähnung. Ein aufmerksamer RockTimes-Leser hat mich darauf aufmerksam gemacht; tja, wer lesen kann, ist glatt im Vorteil. Vielen Dank, 'Mr. Music' Bernd !
Line-up:
Julian Sas (guitar, vocals, bluesharp)
Tenny Tahamata (bass guitar)
Rob Heijne (drums)
Gast:
Willem van der Schoof (Hammond organ)
Tracklist |
01:Life On The Line (5:01)
02:Mercy (4:00)
03:Bound To Roll (3:58)
04:How Could I've Been So Blind (4:36)
05:Shadow Play (4:40)
06:Swamplands (4:14)
07:30 Days In The Hole (3:24)
08:The Blues Won't Stop (4:19)
09:Tear It Up (3:08)
10:Burnin' Bridges (5:15)
11:Ain't Backing Down (2:57)
12:Highway 61 Revisited (4:19)
13:Life On The Line [Radio Edit] (3:23)
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Externe Links:
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