Otis Spann (With Fleetwood Mac) / The Biggest Thing Since Colossus
The Biggest Thing Since Colossus Spielzeit: 20:50 (Side 1), 19:13 (Side 2)
Medium: LP
Label: Music On Vinyl (Cargo Records), 2014 (1969)
Stil: Blues



Review vom 20.02.2015


Markus Kerren
Dass die Ende der sechziger Jahre noch recht frischen Blues-Enthusiasten von Fleetwood Mac jede sich bietende Gelegenheit mit einem ihrer Idole zu spielen mitnahmen, wurde bereits ausgiebig dokumentiert. Anfang 1969 auf Tour in Nordamerika war die Band (wie auch Otis Spann) an Sessions in den Chicagoer Chess Studios (die unter vielen Namen, u. a. auch
Fleetwood Mac In Chicago, veröffentlicht wurden) beteiligt. Die Chemie zwischen dem guten Otis und den Engländern stimmte auf Anhieb, sodass direkt vor Ort vereinbart wurde, dass Mac als Backing Band für Spanns nächstes Soloalbum fungieren sollte.
Drei Gitarristen waren dem Protagonisten dann aber doch etwas zu viel, weshalb Jeremy Spencer für "The Biggest Thing Since Colossus" außen vor bleiben musste. Ebenso bestand Spann darauf, den Drummer S. P. Leary für die Aufnahmen einzusetzen, weshalb dann auch Mick Fleetwood auf der hier zu besprechenden Platte nicht zu hören ist. Übrig blieben also die Gitarristen
Peter Green sowie Danny Kirwan und der Bassist John McVie, die dann am 09. Januar 1969 in den Tempo Sound Studios in New York City aufliefen, um die komplette Scheibe an nur einem einzigen Tag einzuspielen. Produziert wurde von Mike Vernon, dessen damaliges (englisches) Label Blue Horizon (auf dem das Album auch original erschien) gerade voll im Saft stand.
Als kaum verwunderlich stellt sich die Tatsache heraus, dass nach dem hervorragenden "Fleetwood Mac In Chicago" auch die vorliegenden zehn Tracks (ein weiteres aufgenommenes Stück mit Namen "Blues For Hippies" wurde für das Album nicht berücksichtigt) sehr intensives Material sind, dem erwartungsgemäß Spanns Piano und Greens Gitarre die Hauptrollen zugeordnet wurden. Nach dem zunächst eher gemäßigteren, aber mit jeder Menge Feeling ausgestatteten, "My Love Depends On You" folgt das damals als Single ausgekoppelte "Walkin'", eine ungewöhnlich rockige Nummer, bei der auch Drummer S. P. Leary sein Spotlight in vollem Umfang bekommt.
Die Puristen können jedoch aufatmen, da anschließend die Rückkehr zum klassischen 12-Takter vollzogen und so herrlich drauf los gebluest wird, dass es eine wahre Freude ist. Über die Klasse eines Otis Spann (der etwa Ende 1952 Mitglied von Muddy Waters Band wurde und anschließend mit so gut wie allen Blues-Größen wie beispielsweise Howlin' Wolf, B. B. King oder Bo Diddley zusammenarbeitete) am Piano zu reden, hieße Eulen nach Athen tragen. Was den vorliegenden Songs zu eigen ist und dieses Album so stark macht, ist allerdings auch, dass man geradezu greifen kann, wie gut sich alle beteiligten Musiker verstanden.
Da kommt keiner dem anderen in den Weg, der klare Fokus liegt logischerweise auf Otis Spann und die fast schon mit Händen greifbare Harmonie ist allgegenwärtig. Peter Green hält sich über weite Teile erstaunlich weit im Hintergrund, ist aber stets zur Stelle, sobald sein Einsatz erforderlich und gewünscht ist. Danny Kirwan (der auf dem Backcover übrigens Kirwen geschrieben wird) und auch John McVie erledigen ihren Job hochprofessionell und wie ein Uhrwerk, ohne durch irgendwelche solistischen Einlagen in Szene gesetzt zu werden. Was auch gar nicht notwendig ist, denn die einzelnen Nummern funktionieren auch in ihrer relativ minimalistischen Form ganz hervorragend.
Mein persönlicher Favorit ist der - von den beiden Uptempo-Tracks "No More Doggin'" und "She Needs Some Loving" umzingelte - Slow Blues "Ain't Nobody's Business", weil hier sowohl die Gitarre wie auch das Piano nach Herzenslust noch einmal drauf los jammen können und Otis Spanns richtig guter Gesang noch einmal voll zur Geltung kommt. Apropos zur Geltung kommen: Das kommt übrigens der Sound auf diesem 180g-Vinyl ebenfalls ganz prächtig. Und zwar so klasse, dass ich mir eigentlich gar nicht erst vorstellen möchte, diese Scheibe einmal in Form einer CD anhören zu müssen. Hier ist alles so transparent, dass man fast denkt, in irgendeiner Ecke im Studio mit dabei zu stehen (bzw. gestanden zu haben).
Traurigerweise verstarb Otis Spann bereits im Folgejahr 1970 an Leberkrebs. Mehr als 25 Jahre lagen seine Überreste in einem anonymen Grab in Chicago, bis sich eine in der Öffentlichkeit bekanntere Person (die selbstredend auch ein großer Bluesfan war und ist) dafür stark machte, diesen Zustand zu ändern. Nach einem Spendenaufruf kamen dann schließlich auch genug Moneten zusammen, um Spann schließlich am 06. Juni 1999 mit einer kleinen Zeremonie diese letzte Ehre zu erweisen. Auf dem Grabstein eingraviert steht zu lesen:
»Otis played the deepest blues we ever heard - He'll play forever in our hearts!«
Line-up:
Otis Spann (piano, vocals)
Peter Green (guitars)
John McVie (bass)
Danny Kirwan (guitars)
S. P. Leary (drums)
Tracklist
Side 1:
01:My Love Depends On You
02:Walkin'
03:It Was A Big Thing
04:Temperature Is Rising (100,2° F)
05:Dig You

Side 2:
01:No More Doggin'
02:Ain't Nobody's Business
03:She Needs Some Loving
04:I Need Some Air
05:Someday Baby
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