Patricia Lee Smith alias Patti Smith, diese Frau hat mich schon immer fasziniert. Und als dann endlich im August 2002 ein Traum für mich in Erfüllung ging und ich sie live erleben konnte - es war - um es mal nur mit einem einzigen Wort zu umschreiben - umwerfend!
Sie ist nicht schön im klassischen Sinne, sie ist einfach eine starke Persönlichkeit, eine Kämpfernatur und hat eine Ausstrahlung, die einem alles um sich herum vergessen lässt. Man sieht nur eine kleine zierliche Person im Schlabberlook auf der Bühne stehen, die es versteht, das Publikum vollends für sich einzunehmen und in ihren Bann zu ziehen.
Patti Smith ist sowohl eine sehr eigenwillige Poetin, als auch eine Frau mit einer außergewöhnlichen Stimme. Mit ihren magisch-visionären Songs gilt sie nach wie vor als Ikone der Underground- und Punkkultur und wird oft gern als 'Hohepriesterin des Punk' bezeichnet. Sie wird häufig kopiert und auch sehr verehrt. Von Michael Stipe von R.E.M. zum Beispiel, der ihr bei jedem Konzert, das er in Detroit spielt, einen Song widmet; von Polly Harvey, Courtney Love oder auch Peter Buck:
»Ich war schon immer ein großer Fan von ihr. In meinem letzten Jahr auf der Highschool zog ich mich immer so an wie sie. Ich ging aufs College und sah genauso aus wie sie auf dem Cover von Horses[…]«
Doch 1979 taucht sie plötzlich ins Privatleben ab und widmet sich ganz ihrer Familie. Ein Schock für ihre Fans. Nach dem Tod ihres Mannes, Fred 'Sonic' Smith, lebte Patti dann völlig zurückgezogen, bis sie 1996 endlich ein triumphales Comeback feierte.
Nick Johnstone versucht nun mit seiner Biografie dem Leser auf sehr einfühlsam Weise die verschiedenen Facetten Pattis näher zu bringen. Ihr Lebensweg vom Kind bis zum Rockstar, von der Dichterin über die Malerin bis hin zur Rocksängerin, wird analytisch beschrieben.
Johnstone schreibt mit sehr viel Sachverstand. Sämtliche Einflüsse für Pattis Schaffen werden detailliert beleuchtet. Ob nun Modigliani, Baudelaire, Rimbaud - von dem sie geradezu besessen ist, Godard, Genet, Georges Batailles, Colette Laure Peignot oder Jeanne Moreau, von jeder dieser prägenden Persönlichkeiten gibt es eine kleine Kurzbiografie.
Es gibt noch viel mehr Helden, Heldinnen und Ikonen, die Erwähnung in ihren Gedichten und späteren Songtexten finden, die alle irgendwie mit der Malerei oder Dichtkunst in Verbindung stehen.
Auch von Rockidolen wie Jim Morrison, den Stones (speziell Brian Jones), Lou Reed sowie Bob Dylan war sie fasziniert. Begegnungen mit Kollegen wie Robert Mapplethorpe, Fotograf und wichtigster Freund in Pattis Leben - der übrigens 1989 an Aids starb, Andy Warhol und William S. Burroughs werden sehr ausführlich beschrieben.
Patti Smith, sie ist nicht nur Künstlerin, sondern auch eine Kämpferin: In ihren Gedichten stellt sie Geschlecht und Identität, und in der Rockmusik die Rolle der Frau in Frage. Ihr erstes eigenes Album wurde in einem von ihr selbst finanzierten unabhängigen Plattenverlag veröffentlicht. Als sie ihren ersten Vertrag mit Arista unterzeichnete, sicherte man ihr völlige künstlerische Eigenkontrolle zu, die bis heute anhält.
»Du weißt, wie das ist, wenn man ein Fan ist. Ich sah mir das schwarzweiße Cover an, ich las jede einzelne Zeile auf der Plattenhülle. Ich hörte mir alle Songs an - ich holte alles aus dem Album raus. Es war alles superwichtig, es veränderte mich. "Horses" hatte eine tiefgreifende psychologische Wirkung auf mich.« (DD Faye - ein Freund von Patti).
Dem Erscheinen des genialen Debüts "Horses" und der damit verbundenen Tour wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Akribisch beschäftigt sich der Musikjournalist mit jedem einzelnen Song in textlicher und musikalischer Hinsicht und selbst die Entstehung der Covergestaltung kommt nicht zu kurz. Besonders erwähnenswert ist, dass Patti auch hier ihren Kopf bei der Plattenfirma durchsetzte.
Am meisten amüsiert mich, dass sie bei den daraufhin natürlich nicht ausbleibenden Interviews die Journaille mit ihren ständig wechselnden Aussagen in völliger Verwirrung zurücklässt, indem sie die Tatsachen oftmals gern verdreht. So werden zum Beispiel verschiedene Angaben zu den Berufen ihrer Eltern oder auch zu ihrer eigenen Glaubenszugehörigkeit gemacht.
Breiten Raum nimmt auch das Thema von Patti Smiths Rückzug auf dem Höhepunkt ihrer Karriere aus dem Rockbusiness ein, um ein Dasein 'nur noch' als Ehefrau, Mutter und Schriftstellerin zu führen.
1996 aber, nach vielen persönlichen Tiefschlägen, steigt sie endlich wieder wie Phönix aus der Asche empor, um sich »ihre Krone als Königin der Rockpoeten zurückzufordern« (Nick Johnstone).
Wer Patti Smith 'nur' oberflächlich als Sängerin kennt, dem eröffnet sich mit diesem Buch ein völlig neuer Einblick in die Seele einer lebenssprühenden, großartigen Künstlerin.
Ein sehr warmherzig geschriebenes Buch, gespickt mit vielen Details, wobei immer die Grenzen des guten Geschmacks bewahrt bleiben.
Ein letztes Wort vom Autor selbst:
»Dieses Buch hat kein wirkliches Ende, weil die Geschichte von Patti Smith noch nicht zu Ende ist. Patti wird die Welt in Erstaunen versetzen, solange sie Kunst macht, und falls sie wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden sollte, wird sie in der Erinnerung derer weiterleben, die von ihrer Musik und ihren Schriften berührt worden sind.«
Wie recht Nick Johnstone doch hat.
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