Roine Stolt / Wall Street Voodoo
Wall Street Voodoo
Eins muss man dem Schweden lassen. Produktiv ist er. Quasi binnen Jahresfrist blühte er mit "Adam & Eve" als Flowerking auf, machte bei einer weiteren Kaipa - Scheibe mit und gab auf Neal Morses "?" sein Stelldichein. Nun ist es mal wieder Zeit für einen reinen Stolt. "Wall Street Voodoo" zaubert als Doppel CD und lässt 30 Jahre Rockmusik Geschichte Revue passieren. Soviel schon mal vorneweg.
Wie du mir, so ich dir" oder besser "Eine Hand wäscht die andere". Diese Weisheiten passen zum Match Roine Stolt vs. Neal Morse. Als Gegenleistung zu Roines Mitarbeit auf "?" bringt sich Neal bei "Wall Street Voodoo" ein. Neben der Hammond Orgel greift er auch mal in die Leadvocals ein. Das macht er wie immer fulminant. Kann der Musikfan hoffen, dass die Frucht dieser wiedergefundenen Liebe zwischen den beiden Transatlantic heißen wird?
Aus dem The Flower Kings Umfeld hat Roine seine Kumpels Hasse Bruniusson und Marcus Liliequist ins Studio gebeten. Sie sind für Schlagzeug und Percussion verantwortlich.
Komplettiert wird das Aufgebot durch drei gänzlich unbekannte Namen, hinter denen sich angeblich drei gänzlich bekannte Musiker verschanzen. Die Kreationen Gonzo Geffen (Congas, Percussion), Victor Woof (Bass) und Slim Pothead (Keyboards) lassen uns vor Vergnügen brüllen. Sie seien Musiker aus anderen Genres, die ihre wirklichen Namen nicht nennen können - aus Vertragsgründen. Wohl dem gewieften Manager, der es auch heutzutage schafft, seinen 'Schützling' mit einem solchen Knebelkontrakt an sich, die Plattenfirma oder gar den Teufel zu binden. Andererseits machen Geheimnisse ja auch furchtbar interessant. Wer weiß schon genau, welche Gründe in welchem Vertrag und mit wem geschlossen Roine meinte...
Stolt liefert jedenfalls 114 Minuten niveauvolle Rockmusik der Oberklasse ab. Die Arrangements streifen den Blues Rock, den Progressive Rock, den Jam Rock und den Hard Rock. Auch der Psychodelic Part wird gebührend gewürdigt. Beigemischt sind virtuose Einlagen und Instrumentenklangfarben aus der Pionierzeit des Genres. Gerade die Hammond Orgel und der Mini Moog lassen im Kopf die Bilder von Blue-Jeans, Parker, Pril - Blumen und VW-Bussen entstehen. Von Capri-Sonne, Erfrischungsstäbchen und Kosaken Kaffee mal ganz zu schweigen.
Roines Gitarrenspiel ist vielfältig wie immer. Diesmal jedoch schimmern die Einflüsse altbekannter Gitarristen aus den Läufen, Riffs, Feedbacks und Abklängen. Jeder mag sich seine Deja Vus zurechtbasteln, aber für uns ist in dem Gitarrensuchbild auch ein Blackmore, ein Howe, ein Marino, ein Green und sogar ein Zappa versteckt. Ein Stolt sowieso, aber der ist automatisch dabei.
Seine Leadvocals hingegen sind unverfärbt und originär. Er war nie ein Freund derber Stimmausbrüche. Roine singt wie meistens stimmungsvoll und sanft.
Das kann auch als Beschreibung für das gesamte Album gelten. Stimmungsvoll und sanft. Selbst auf die robusteren Passagen treffen diese Attribute zu.
Als Beispiele für das Spektrum von "Wall Street Voodoo" können diese Songs herangezogen werden:
"The Observer" erscheint in den akustischen Teleskopen als träger Blues Rock Song mit griffigem Refrain. Die Gitarre hat genug Raum, um sich anständig zu entfalten.
Garantiert ein Hit in den Rockdiskos der 70'er Jahre wäre "Head Above Water" geworden. Wir hätten den Song damals wohl auch in den Radios hören können. Vielleicht nicht gerade bei Sport & Musik, aber immerhin. Im weiteren Verlauf kommen das Keyboardsolo und die an Yes erinnernden Arrangements sehr herzerwärmend rüber.
Wie wir bereits seit "Adam & Eve" wissen, ist Roine Stolt ein glühender Verehrer Joni Mitchells. So haucht er ihre Song "Sex Kills" neues und sogar bescheiden progressives Leben ein. Ja, klingt richtig gut!
Richtig psychedelic dröhnt "The Unwanted" herum. Der leicht verzerrte Liedgesang und die lähmende Rhythmik sind nichts für schwache Nerven. Aber auch solche Songs haben bekanntlich ihre Liebhaber. Wie es sich gehört, spielt Stolt dazu ein passendes Kaputt-Solo. Es pfeift, es schringt, es wabbert!
Wie eingangs angedeutet ist schon alleine der Arbeitseifer des Schweden beeindruckend. Offenbar schüttelt er Ideen, Songs und Arrangements ohne Anstrengung aus dem linken Handgelenk. Von wegen alle 5 Jahre ein neues Album.
Sieben handgemachte und im Retrolook gehaltene RockTimes-Uhren gehen ins Land der Elche.
Ach ja, am besten am krassen Cover sind die aufsteigenden ICBMs...


Spielzeit:CD I: 61:42, CD II: 53:26, Medium: Do-CD, InsideOut Music, 2005
CD I:
1:The Observer 2:Head Above Water 3:Dirt 4:Everyone Wants To Rule The World 5:Spirit Of The Rebel 6:Unforgiven 7:Dog With A Million Bones 8:Sex Kills 9:Outcast
CD II:
1:The Unwanted 2:Remember 3:It's All About Money 4:Everybody Os Trying To Sell You Something 5:Hotrod (The Atomic Wrestler) 6:Mercy 7:People That Have The Power To Shape The Future
Olli "Wahn" Wirtz, 11.11.2005