Gespannt bis angespannt warteten die paar Hundert Zuschauer im mittelprächtig gefüllten Saalbau auf 'ihre' Saga, die viele von ihnen schon x-mal gesehen haben müssen. Aber eben stets mit ihrem charismatischen Frontmann Michael Sadler, der die Band nach mehr als 30 Jahren in aller Freundschaft verließ.
Das Konzert begann mit einem Track vom neuen Album, aber noch ohne neuen Sänger. Das Instrumentalstück "The Human Condition" machte den Anfang - ohne die rudimentären Gesangspassagen der Studioversion. Jim Gilmour, Jim und Ian Crichton sowie Chris Sutherland bewiesen ihre hohe Klasse als Instrumentalisten mit technisch anspruchsvollem Stoff. Die Atmosphäre war packend - ein gelungener Start.
Dann war es so weit, der 'Neue', Rob Moratti betrat die Bühne. Ein Strahlemann in adretter Kleidung und mit voller, tiefschwarzer Mähne ohne die geringsten Zeichen von Graustich. Zum Einstand gab es gleich "The Flyer", einer der ganz großen Klassiker. Da wusste man, dass die Stimmung gut sein würde. Unheimlich offensiv sang Rob Moratti in sein Mikro, mit viel Power und Vibrato, wesentlich technikbetonter als sein gänzlich andersartiger Vorgänger. Der Gesang konnte zunächst überzeugen und erstaunen. Nicht verzaubern, aber beeindrucken. Das Publikum reagierte wohlwollend, ebenso beim nächsten Uralt-Klassiker "Wind Him Up".
Die Begrüßung des Publikums übernahm dann aber Jim Gilmour ( »Meine Damen und Herren, wie geht's?«), der überraschte, als er Rob Moratti »in the Saga family« willkommen hieß, vor seine Keyboards trat und den Sänger herzhaft umarmte. Ein wenig seltsam mutete das schon an - besonders als Moratti kundgab, davon nun sehr überrascht gewesen zu sein...
Weiter ging es im Programm. Doch obwohl so wunderschön hypnotische Vibes wie jene von "On The Air" dabei waren, oder auch die typisch 'Saga-haft'-dynamische Hookline von "Book Of Lies", was die Damen in der zweiten Reihe zum Tanzen bewegte... irgendwie verflog die Energie des Anfangs zusehends. Und das lag vor allem an Rob Moratti, dessen Auftreten die Leute allmählich ermüdete. Seine Gestik wiederholte sich, unter anderem die übertriebenen Aufforderungen zum rhythmischen Klatschen, auch wenn es gar nicht angebracht war.
Moratti erinnerte leider all zu sehr an einen Schlagersänger. Das mag auch ein kulturelles Problem sein; denn in Nordamerika gibt es keine 'Schlager' in dem Sinn. Wahrscheinlich weiß er gar nicht, wie dieses superfreundliche Hardcore-Gutgelauntsein hierzulande wirkt. Auch die anderen Bandmitglieder, immerhin einen 'Selbstläufer' wie Michael Sadler als Frontmann gewohnt, waren kaum in der Lage, das Publikum auf Betriebstemperatur zu halten.
Ausnahmen gab es: Wenn Jim Gilmour einmal mit dem Finger schnippte, waren die Leute wieder da. Das schaffte Moratti längst nicht mehr. Mit dem brandneuen Material sank die Fieberkurve weiter: "Step Inside" ist zwar ein klasse Song - die Zuhörenden waren aber mit dem ungewohnt harten Material nicht zu begeistern. Leere Blicke, wohin man schaute. Und das Phänomen, dass die Fans beim neuen Material verstärkt aufs stille Örtchen pilgern, ist zwar bekannt. Noch nie habe ich das aber so intensiv erlebt wie hier. Sehr viele Leute gingen raus; gerade ganz vorn wurde es unangenehm licht in den Reihen. Eine blöde Situation für die Band. Der folgende Applaus war allenfalls als höflich zu bezeichnen.
Die bekannten Klänge von "Humble Stance" sorgten zumindest wieder für einen Mitklatsch-Automatismus. Und "Scratching The Surface", bei dem bekanntlich Jim Gilmour den Lead Gesang übernimmt, wurde wieder viel freundlicher aufgenommen. Das galt nicht für die weiteren neuen Songs in der Setlist, "Crown Of Thorns" und "You Look Good To Me". Besonders bei letzterem schaute man einander im Publikum fragend an. Vielleicht hätten Saga auch ein Band-typischeres Stück wie "Avalon" vom neuen Album spielen müssen.
Sei's drum - gegen Schluss des Gigs fing sich die Stimmung im Saal glücklicherweise wieder; und so kam am Ende auch ein deutlich vernehmbares »You're not, you're not, you're not alone...« zurück, als Rob Moratti das Mikrofon gen Publikum richtete. Die Zugabe war also nicht in Gefahr, auch wenn sie nicht unbedingt frenetisch verlangt wurde. "On The Loose" war als Rausschmeißer natürlich gut gewählt und hob noch einmal die Mundwinkel der Zuhörer. Das lag wohl weniger an dem neuen Frontmann, als vielmehr am gewohnt lebendigen Spiel der 'alten' Jungs, denen das frische, Metal-orientierte Drumming von Chris Sutherland mit einigen Double-Bass-Anteilen sehr gut zu Gesicht stand.
Danach waren die 'neuen' Saga sehr schnell von der Bühne verschwunden. Sie haben wohl selbst gemerkt, dass viel zu selten eine Verbindung zum Publikum da war. Ich will aber Rob Moratti keinen großen Vorwurf machen. Was man schnell vergisst: Er ist zwar Mitte vierzig, doch es handelt sich um die allererste Tournee in seinem Leben! Eine Hand voll Gigs auf Tour mit Saga hatte er zuvor absolviert und trifft Abend für Abend auf hohe Erwartungen und kritische Saga-Experten.
Trotzdem: Da muss noch was zusammenwachsen! Das Potenzial ist vorhanden, die Stimme stark. Wenn aber während der ganzen Tour eine so gespenstische Stimmung im Saal vorherrscht, dann werden viele enttäuschte Fans beim nächsten Mal ihr Geld nicht mehr für ein Saga-Konzert ausgeben.
Setlist Saga:
01:The Human Condition
02:The Flyer
03:Wind Him Up
04:You Were Right
05:On The Air
06:Book Of Lies
07:Careful Where You Step
08:Step Inside
09:Humble Stance
10:Scratching The Surface
11:Crown Of Thorns
12:You Look Good To Me
13:Don't Be Late
14:You're Not Alone
Zugabe:
It Never Ends
On The Loose
Bilder vom Konzert
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