Ich gestehe, die Tracklist ließ mich an Position sechs und sieben zusammenzucken und die vollmundige Ankündigung 'brachialer, melodiöser Rock' schürte diese Befürchtungen weiter. Schon wieder so ein Kandidat?
"Ins Herz gerammt" ist durchaus eingängig mit einer treibenden Gitarre, ein eintöniges Schlagzeug wummert vor sich hin und erzeugt eine gehetzte Stimmung. Stellenweise schwächelt der Text in Richtung 'reim dich oder ich fress dich'. Beispiel gefällig? »...ein Haufen von Lügen in dein Herz geraaaaaammt, die Mauer zersprengt, den Glauben ertränkt, das Gute verlor'n und in den Abfluss versenkt«. Aber ok, insgesamt geht die Nummer gut ab.
"Die Zeit ist reif" kommt melodiös und etwas poppig mit einem simplen aber durchaus stimmigen Strickmuster. Mich erinnert der Song ein bisschen an
Senore Matze Rossi,
er würde aber auch bei manchen Radiosendern gut ins Programm passen.
Soft und poppig beginnt "Schon lange verloren" mit langsamem Gesang, der am Anfang etwas an Unheilig erinnert, sich später dann aber stellenweise wie Kaugummi zieht. Diese Eigenheit zieht sich leider so ziemlich durchs ganze Album – Stilmittel, die gut dosiert eine feine Sache sind, werden überstrapaziert und werden dann teilweise etwas nervig. Aber gut, es ist ein Debütalbum, da darf die Stilfindung noch im Reifen begriffen sein.
Auch bei "Tot ist die Liebe", einem Lied über Einsamkeit zu zweit, Rückschau und Trauer wirken der Schreigesang und die monotone Instrumentierung auf mich erstmal übertrieben. Einige Hördurchgänge später dämmert mir dann die Intention, ja schon ok, »halt Erinnerung fest, genieß den Augenblick jetzt, nutz die Zeit, die du hast, für deine Liebe«, das könnte man den Menschen wirklich ins Hirn meißeln. Trotzdem bleibt bei mir das Gefühl, mit etwas mehr Erfahrung und Feinschliff wäre es möglich gewesen, diese Absicht klarer und stimmiger zu machen.
"Deutschland", die Nummer, die mich auf der Trackliste zusammenzucken ließ, lässt mich dann erfreut und erleichtert aufatmen. Keine platte Nationalsülze, sondern eine relativ differenzierte Auseinandersetzung mit der Wiedervereinigung und der wiederholt geäußerte Wunsch »Deutschland, ich mag dich lieben, ich mag die Menschen, die in dir leben, mag nicht die Menschen, die dich regiern«.
Überhaupt, das zieht sich als sehr erfreulicher roter Faden durch den ganzen Silberling: die Themen, ob nun die Suche nach dem eigenen Weg ("Wir waren jung") oder eine Auseinandersetzung mit dem Tod ("immer nur frei") wirken 'erwachsen' und niveauvoll.
Line-up:
Samuel Sandmann (Gesang, Chorgesang und Bass)
Till Seeberg (Gitarre, Chorgesang)
Alex Abedi (Gitarre, Chorgesang)
Ulf Stricker (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Ins Herz gerammt
02:Die Zeit ist reif
03:Schon lange verloren
04:Tot ist die Liebe
05:Wir waren jung
06:Deutschland
07:Du bist Feind
08:Abstellgleis
09:Verräter flieh’n
10:Regier ihr Leben
11:Seelengott
12:Immer nur frei
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Externe Links:
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