Sandstone / Delta Viridian
Delta Viridian Spielzeit: 64:40
Medium: CD
Label: Limb Music, 2013
Stil: Power/Prog Metal

Review vom 29.07.2013


Boris Theobald
Seitdem RockTimes die Band Sandstone zum letzten Mal unter die Lupe genommen hat, hat man zugelegt in Londonderry. Auf dem zweiten Studioalbum, Purging The Past, da waren es noch vier. Bis zum nun vorliegenden vierten Studiowerk ist aus dem nordirischen Quartett ein Quintett geworden. Und auch wenn im Studio die Anzahl der anwesenden Gitarristen freilich nichts mit der letztlichen Anzahl der Spuren zu tun haben muss - an der Ausrichtung der Band hört und fühlt man den zweiten Gitarristen im Line-up. Die komplexen, aber dennoch immer sehr zielstrebigen Drives aus einer melodisch engagierten Rhythmusgitarre und einer rhythmisch Akzente setzenden Lead-Gitarre machen mächtig Eindruck. Da haben die 'Sandsteine' tatsächlich eine Schippe Gitarrenwucht draufgepackt - und das alles ist technisch hervorragend. Sandstone sind ohnehin stilistisch schwer einzuordnen - ein positives Prädikat - hochmelodischer, bisweilen epischer Power Metal mit spürbarer Prog-Attitüde.
Mit ihrer Pendelei zwischen ausgetüftelten Mikrometer-Riffings und bulligen Bulldozer-Gitarren erinnern sie schon mal an Power Prog Metal-Kollegen wie Pagan's Mind. Der Drive von "Almost Grateful" hat was von Armored Saint - die Vertracktheit bei gleichzeitig himmlisch hymnischen Melodien erinnert an Shadow Gallery - toller Song, komplex und zugleich straight und unheimlich packend, dem prallen Gitarren-Package sei Dank. Und wenn dann auch noch zu Doppel-Leads angesetzt wird, wird einem ganz heiß und kalt. Denn Melodien können Sandstone! Klasse ist auch "King Of Cipher" - etwas zurückgenommen, dafür harmonisch sehr pointiert. Das Spannungsfeld, das die Akkorde erzeugen, erinnert an klassische Queensrÿche-Taten; und die Clean-Arpeggien in der Strophe erzeugen zusätzlich eine mystische Spannung.
"Winter" sammelt viele Sympathiepunkte durch seine sagenhafte Melodie, bereits angedeutet durch das melancholisch-verträumte Klavierintro - das hat epische Dark-Fantasy-Züge à la Kamelot. Und "Red Mist" ist eine ganz große Nummer, einfach dadurch, wie aus heftigem Präzisionsgeschredder königliche Hymnen erwachsen. Der Song ist komplex und voller dynamischer Wechsel und besitzt dennoch einen ultimativ prägnanten Chorus. Wer da nicht mitgeht, hat was an den Ohren. "Red Mist" erinnert angenehmst an Redemption, wenn aus hochtechnisiertem, düsterem Geschredder elegische Melodien erwachsen. Die filigranen Solo sind technisch große Klasse und packen emotional richtig fest zu. Denn sie stehen nie isoliert - die zweite Gitarre bietet hier immer parallel einen zweiten Aktivposten.
Sänger Sean McBay ist ohnehin ein Bank. Seine klare Stimme hat die Agilität klassischer Metal-Kehlen - ein bisschen Sehnsucht schwingt immer mit. Ungefähr in der Mitte des Albums ist allerdings ein Punkt erreicht, ab dem Sandstone mich zwar immer noch durchweg überzeugen, aber leider weniger beeindrucken können. Das Hard Rock-geprägte "Cartesia", "Promise Me" mit Tempo und Double Bass, "Monument" und "Transgression" mit ihrem getragenen Pathos sind stark, aber nicht überragend. "Fortress" ist facettenreich und in seiner Struktur anspruchsvoll verzwickt, aber auch zu wenig zielführend; da fehlt die klare Linie. "Beneath The Scars" rutscht völlig unauffällig dazwischen. Bemerkenswert wird es wieder ganz zum Schluss mit "Vitruvian Man". Nach mehrminütigem orchestralem Pomp muss man sich erstmal den Schmalz aus den Ohren wischen, um glauben zu können, was man hört. Es klingt, als hätte Tony Iommi einen Song für 'Ripper' Owens geschrieben. Böse und fett, alle Achtung.
Unterm Strich steht ein Album, das Sandstone facettenreicher denn je zuvor zeigt. Die erste knappe halbe Stunde von "Delta Viridian" ist Weltklasse. Auch, wenn man das Level nicht bis zum Schluss nicht halten kann - die Kritik bewegt sich jedoch auf dem hohen Niveau, das die Band zu Beginn selbst gesetzt hat. Durchhänger, keine Abschalter. Schwermetall-Literaten dürfen dann noch in die Story eintauchen, die sich am Roman "Cat's Cradle" von Kurt Vonnegut orientiert - hierzulande nicht ganz so berühmt, aber in der US-Literatur ein Klassiker.
Line-up:
Sean McBay (vocals)
Stevie McLaughlin (guitar)
David McLaughlin (bass)
Decky Donohue (drums)
Dee Kivlehan (guitar)
Tracklist
01:Cat's Cradle (1:37)
02:Almost Grateful (7:02)
03:King Of Cipher (5:07)
04:Winter (5:29)
05:Red Mist (6:52)
06:Cartesia (4:36)
07:Promise Me (3:38)
08:Monument (6:20)
09:Beneath The Scars (4:19)
10:Fortress (5:12)
11:Transgression (5:17)
12:Vitruvian Man (9:13)
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