Scherbe Kontra Bass / 01. 04. 2011, Folkclub Isaar, Töpen
Rocktimes Konzertbericht
Scherbe Kontra Bass
Folkclub Isaar, Töpen
01. April 2011
Stil: Akustik Rock
Konzertbericht


Artikel vom 07.04.2011


Norbert Neugebauer
Für Rio
»Ich sing für Dich, ich schrei für Dich,
ich brenne und ich schnei für Dich.
Vergesse mich, erinner mich,
für Dich und immer für Dich.
Für immer und Dich.«
Rios Seele zu Gast im Folkclub Isaar. In Reinkarnation als Duo Scherbe Kontra Bass.
Setlist Marius del Mestre, Gitarrist der späten Ton Steine Scherben und Partner Akki Schulz sind (zusammen mit der jetzigen 'Scherben Family') die legitimen musikalischen Nachlassverwalter von Rio Reiser und seiner legendären Berliner Agit-Rockband. Vor leider sehr spärlicher Kulisse im Dorfwirtshaus von Isaar gaben die beiden Herren (anstelle der ursprünglich vorgesehenen Them, die ihre Tour absagen mussten) eine liebevolle Homage an den unvergessenen Sängerkollegen, der im Mai 1996 im nahen Plauener Malzhaus sein letztes Konzert gab. Reduziert auf das Wesentliche der Songs, mit einer rein akustischen Besetzung (Stimmen, Gitarre und Kontrabass), die zwar bekannt, aber auch in der neuen Umsetzung ungewohnt klangen. Obwohl 'Scherbe' del Mestre ganz bewusst mit punkigem Anstrich die offenbar ursprüngliche Intention der Stücke hervorkehrte (im Gegensatz zu Rios poppigen Solowerk-Arrangements), brachte sein klassisch ausgebildeter Kollege mit melodischem Spiel auf den dicken Saiten ganz neue Aspekte in die Performance. Nicht 'kontra', sondern sehr wohl 'kon'. Leider ging die gewollt verzerrte Aussteuerung zu Lasten des Textverständnisses und damit auch eines noch intensiveren Erlebens.
Scherbe Kontra Bass Das wirklich verblüffende an dem Duo ist, dass es nicht nur die Seele der Songs, ob kämpferisch, locker oder lyrisch, wiederbelebt, sondern dass man mit geschlossenen Augen glauben könnte, dass da ein wiedergeborener Rio selbst am Mikro wäre. Marius del Mestre verfügt über denselben aufmüpfigen Ton, die Phrasierung und selbst die Stimmfarbe seines früheren Frontmanns. Sicher nicht über ganz die Intensität und das große Pathos, aber so klingt das überhaupt nicht nach Kopie, vielmehr nach authentischem 'Scherben-Spirit'!
Die wenigen Zuhörer sorgten mit reichlich Applaus und Zurufen zwischen den Titeln dafür, dass sich die Beiden, die zunächst noch leichte geografische Orientierungsschwierigkeiten hatten, im fränkischen Wirthaussaal schnell wohl fühlten. Und so absolvierten sie mit zunehmend guter Laune ihren Gig, beginnend mit den ' Scherbe Kontra Bass politischen' Liedern ("Gefahr", "Paradies", "Alles Lüge", "Menschenfresser", "Sklavenhändler"), die in Zeiten von kriminellen Euro-Machthabern, Milliarden-Rettungsschirmen und Leiharbeit zu Minimallöhnen eine neue Aktualität erlangt haben. In die Moderation bezogen die Musiker nicht nur die Analogien ein, sondern erzählten auch über die Entstehung der Titel. So sind die als Solo-Popsongs bekannt gewordenen (und mittlerweile mehrfach gecoverten) "Alles Lüge" oder "Junimond" bereits für die ersten 'Scherben'-Alben vorgesehen gewesen, dann allerdings abgelehnt worden.
Scherbe Kontra Bass Im Rückblick wird die Band oft auf ihre politischen Songs reduziert, aber die gefühlvolle Seite gehört genauso dazu. Lieder, nicht nur von Rio, die tiefe zwischenmenschliche Emotionen zeigten und auch bei den Fans hervorriefen. Die der charismatische Sänger so echt und überzeugend auf der Bühne auslebte, wie bis heute kein anderer in der deutschsprachigen Rockmusik. Del Mestre und Schulz spielten auch die 'Balladen' ("Halt Dich an Deiner Liebe fest", "Nur Dich", "Ich hab nix", "S.N.A.F.T.", "Zauberland") mit der gleichen Hingabe und schufen eine fast schon intime Stimmung im halbleeren Saal. Welch enorme Bindung selbst noch nach so langer Zeit besteht, sah man daran, dass beide Musiker mehrfach bei der Erinnerung an die gegangenen Freunde feuchte Augen bekamen.
»Ich lach für Dich, wein für Dich,
ich regne und ich schein für Dich.
Versetz die ganze Welt für Dich,
für Dich und immer für Dich.
Für immer und Dich.«
Scherbe Kontra Bass Das Déjà-vu setzte sich nach der Pause fort. Angesichts des Atom-Supergaus, von '9/11', oder der neuen Kriege hatten die Scherben mit ihren Weltuntergangssongs ("Der Traum ist aus", "Jenseits von Eden", "Der Turm stürzt ein", "Wenn die Nacht am tiefsten ist …") die düstere Zukunft schon fast nostradamisch vorhergesagt. Das übersetzte Cohen -Cover "Zuerst also Manhattan" ("First We Take Manhattan") ergänzte gelungen den Set. Mit dem bekannten Schlacht-Song "Keine Macht für niemand" in einer knallharten Punk-Version endete der reguläre Konzertteil. Als eingeplante Zugabe spielten Scherbe Kontra Bass "Junimond", das in der puristischen Ausgabe seinen wahren Zauber offenbarte. Und natürlich den "König von Deutschland". Schon fast auf der Treppe drehten die beiden Künstler dann wieder um und stimmten DAS Lied an, das noch einmal bei allen Beteiligten für tiefe Gefühlswallungen sorgte:
»Ich rede für Dich, schweig für Dich,
ich gehe und ich bleib für Dich.
Ich streich den Himmel blau für Dich,
für Dich und immer für Dich.

Wo immer Du bist...«
ER war HIER, ganz sicher, herabgestiegen von seiner Wolke und unter uns.
Externe Links: