Tach! Die Kneipe.
So einfach das Statement auch ist, handelt es sich um eine gemütliche Gaststätte mit viel Flair. Sehr sympathische Menschen sorgen immer im rechten Augenblick für den Getränkenachschub. Die Leute haben echt ein Herz für Humor, denn im Keramikzimmer für die Herren wird das tiefer gelegte Männerhirn an den Urinalen nett begrüßt: »tach! Dödel« oder »tach! Schnidel« steht da am Rand geschrieben.
Für die neun Musiker der Band Schluff Jull reichte die Bühne alleine nicht aus. Der Keyboarder Thomas Holtschoppen thronte seitlich über der Gruppe, denn er hatte seine Arbeitsgeräte auf dem abgedeckten Billardtisch aufgebaut.
Die dreiköpfige Bläserabteilung machte Dampf unterm Kronleuchter. Auf der Bühne tummelten sich die anderen fünf Musiker.
Nach mehr als zwei Stunden dampft die Luft im Tach!.
Ob der anturnenden Musik waren die Fenster dann auch beschlagen und die anwesenden Zuschauer hatten ein gigantisches Konzert von Schluff Jull erlebt.
Michael Arndt, der Mann am Mischpult, wird nicht umsonst als Mitglied der Band aufgeführt. Er sorgte für einen perfekten Sound in der Kneipe. Bei so vielen Musikern hatte er alles im Griff.
Neben Songs von den Alben Circlin' Round A Sun sowie Colors For Your Ears hatte Schluff Jull einige neue Kompositionen und markante Fremdkompositionen in der Setlist.
Im ersten Set waren es unter anderem "Phone Booth", bekannt durch Robert Cray und, wie zu erwarten war, mit "Mr. Charlie" ein Grateful Dead-Song. Die Band stellte diese Songs ganz klar in ein eigenes Licht und viele Nummern erfuhren im Live-Outfit zeitliche Expansionen, die einfach super waren.
Großartig, wie sich die Musiker einerseits die Solobälle zuwarfen und andererseits einen Kompaktsound boten. Bei allem, was recht ist, alleine schon wenn die Drei aus der Bläserfraktion Luft holten und die Mundstücke ansetzten, konnte man nicht nur auf eine fetzige Performance gefasst sein sondern auch auf eine Gänsehaut. Oh, ich konnte mich daran nicht satthören und geliefert wurde in der Richtung eine Menge. Ebenso boten Horst Schulz, Georg Rikken sowie Jürgen Liebert in den Balladen flächendeckende Klänge und natürlich waren ihre Soli vom Allerfeinsten.
Inspirierte Musik, beseelte Gitarrenarbeit und ein Michael Becker wirbelte mächtig über die Felle der zwei Handtrommeln. Er brachte noch diverse Percussioninstrumenten zum Einsatz. Immer aktiv, sorgte er besonders bei Songs mit einem unverkennbaren Latinflair für die perfekte Atmosphäre.
Oh Mann, und dann intonierte Olaf Kalemba ein feuriges Gitarrensolo darüber. Die Bläser sorgten für beste Unterhaltung und der Drummer Karl-Heinz Bockholt sowie Bassist Detlef Jakobs leisteten, wie alle anderen, Schwerstarbeit. Differenzierter kann Rhythmus fast nicht geboten werden.
Klar, dass auch bei "Like Rain" der Schweiß floss und zum Handtuch gegriffen wurde.
Beeindruckend waren ebenfalls die Soloeinlagen des Keyboarders Holtschoppen, der sich immer wieder jazzige Pfade bei seinen Alleingängen aussuchte.
Szenenapplaus gab es in Serie und mit der herrlichen Grooveballade "Miles & Miles" fand der erste Teil des Konzertes ein ziemlich ruhiges Ende. Rikken blies ein beseeltes Solo mit gefühlvollen Dämpferspielereien. Die Keyboards waren phasenweise führend in der Melodie und ansonsten perlten die Töne nur so aus den Boxen.
Nach einer verdient kurzen Pause setzte man mit "Hollow" ein weiteres Ausrufezeichen in Latin.
Rock mit Southern-Anteilen, Jam-Ablegern und der Blues in seiner rockigen Auslegung ließen die Herzen der Zuschauer nicht nur höher, sondern auch im Takt schlagen.
Kalemba sowie Heinz Wiskozil solierten nacheinander und im Twinsound. Beide Gitarristen sind mit Gold nicht aufzuwiegen.
Das groovige "Left Bank Blues" hatte einen gehörigen Schuss Rock'n'Roll in der Hose und abermals gab Holtschoppen ein Solo zum Besten. Kalemba hatte stets freie Fahrt auf dem Griffbrett seiner Gitarre und oben drauf gab es vom Keyboarder noch eine Harpeinlage.
Im Zentrum war die Becker/ Bockholt/ Jacobs-Fraktion bei einer Soloeinlage. Ganz langsam legte der Bassist eine Pause ein und gemeinsam verdienten sich der Drummer als auch der Perkussionist mit einer furiosen Rhythmuseinlage einen Sonderapplaus.
Percussion hieß beim Becker auch Cajón. Bereits zu Beginn der zweiten Halbzeit stellte er sich das Instrument zurecht und saß dann am Ende des Sets damit im Mittelpunkt des Geschehens. Für Klangvarianten sorgte er auch durch den Einsatz seines linken Fußes. Dafür hatte er sich extra den Schuh ausgezogen.
"Julls Boogie" machte die Vorstellung richtig rund...
Es war nicht anders zu erwarten.
Schluff Jull durfte für eine Zugabe wieder auf die Bühne.
Mit der lockeren Ankündigung: »Wir spielen jetzt ein etwas längeres Stück« wusste nur die Band, was nun folgen sollte...
Zum Abschluss gab es Neil Youngs "Cortez The Killer"! Da schwappte die Stimmung über den Beckenrand der Freude, denn der Song wurde in bester Schluff Jull-Manier super gelesen und dauerte fast eine viertel Stunde.
Herz des Rocks, was willst du mehr?
Diese Frage ließ sich nicht erst am Ende des Gigs locker beantworten: Ein weiteres 'Psychedelic Music Adventure' von Schluff Jull. Von mir aus bin ich jetzt ein 'Schluffi'.
Wir bedanken uns bei Olaf Kalemba von Schluff Jull für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Olaf Kalemba (guitar, lead vocals)
Heinz Wiskozil (guitar, backing vocals)
Thomas Holtschoppen (keyboards, harmonica, backing vocals)
Georg Rikken (trumpet, flugelhorn)
Horst Schulz (alt saxophone)
Jürgen Liebert (tenor saxophone)
Detlef Jacobs (bass)
Karl-Heinz Bockholt (drums)
Michael Becker (percussion)
Michael Arndt (sound)
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