Die Scorpions im Jahr 2006 live in Wacken auf einem der größten Heavy Metal-Festivals weltweit und Ende 2007 dann die Aufzeichnung des Gigs als DVD. Ich habe keine Ahnung, warum und wieso vor dieser Veröffentlichung erst das derzeit aktuelle Studio-Album Humanity - Hour I erscheinen musste. Glück gehabt, denn letzterem konnte ich mit Fug und Recht mehr als aufsteigende Form bescheinigen. Doch was ist mit den Scorpions im Jahr 2006? Drehen wir das Rad zurück und erinnern uns, dass die Skorpione extra für diesen Auftritt eine Umfrage starteten. Sie stellten 50 Titel aus ihrer umfangreichen Diskographie zur Auswahl und die Fans durften wählen, welche sie davon in Wacken hören wollten. Schöne Idee, und mich verwundert es keinesfalls, dass "Wind Of Change" somit nicht in der Setlist vertreten war. Was lernen wir daraus? Jede nur halbwegs gescheite Coverband sollte zukünftig wissen, dass sie bei der Darbietung dieses Stückes vielleicht ein paar Weichspülerherzen erobern kann (meistens sind es die, die schon einen über den Durst getrunken haben), ansonsten aber den live-haftigen Beweis dafür antreten, dass sie mit Rockmusik nichts am Hut haben. Die Kohle für den Track haben die Hannoveraner eingestrichen, also lasst uns ganz einfach über diese unselige Schnulze endgültig den Deckel des Schweigens legen.
In dieser DVD-Besprechung kann es nicht darum gehen, dass die Scorpions natürlich auf einer sauber aufgeräumten und übergroßen Bühne stehen. Na gut, erwähnenswert ist vielleicht, dass Schlagzeuger James Kottak hoch droben über dem Rest thront und sich die Seele aus den Leib kloppt. Und da haben wir auch schon den entscheidenden Punkt. Das deutsche Export-Aushängeschild rockt wieder, ist laut und dreckig. Am Sound wurde nachträglich wohl nicht allzu viel rumgeschraubt, denn die eine oder andere Klampfe klingt ungestimmt. Das macht es eigentlich eher sympathisch, sind uns doch insbesondere die Hannoveraner für glatt geschliffene und äußerst polierte Sounds bekannt.
Die Tracklist ist ein Stück Nostalgie und so ziemlich jede wichtige Epoche der Band wird angerissen. "Coming Home" und "Bad Boys Running Wild" von "Love At First Sting" aus dem Jahr 1984, anschließend das knackige "The Zoo" von "Animal Magnetism" aus 1980. Wie kündigt Sänger Klaus Meine das Konzert an? »A Night To Remember«, ein musikalischer Streifzug durch die lange Scorpions-Geschichte. Deswegen wird es auch ab "Pictured Life" so richtig interessant. Da betritt nämlich der erste Gastmusiker und ehemaliger Leadgitarrist Uli Jon Roth die Bühne. Das Stück stammt von "Virgin Killer" aus dem Jahr 1976 und verdeutlicht nur zu genau, warum und wieso die Scorpions damals einfach wie eine Bombe bei den Fans einschlagen mussten. Kein Krautrock, nein kerniger und heftiger Hard Rock, was auch das folgende "Speedy's Coming" vom 74er-Release "Fly To The Rainbow" beweist. Respekt, Matthias Jabs, als etatmäßiger Solo-Gitarrist der Band, kann sich dezent zurück halten und überlässt Roth das Feld.
Nach einem Ausflug ins Jahr 2004 betritt dann die nächste Scorpions-Legende die Bühne. Zusammen mit seinen alten Bandkollegen präsentiert Michael Schenker den Instrumental-Klassiker "Coast To Coast". Wir erinnern uns: Sein Talent hatte ihn 1973 zur britischen Formation UFO getrieben, in den 80er-Jahren befand sich der Gitarrist mit seiner Michael Schenker Group in bestechender Form. Spätestens bei "Lovedrive" wird erneut klar, welchen guten und wegweisenden Hard Rock die Band einst gespielt hat.
Bei "Blackout" erscheint Altdrummer Herman Rarebell für zwei Nummern, anschließend tobt sich Matthias Jabs alleine auf der Klampfe aus ("Six String Sting"). Spannend wird es noch mal, als sowohl Uli Jon Roth als auch Michael Schenker für "In Trance" auf die Bühne steigen, Herman Rarebell bei "Bolero" seine Percussions nach unten zu den anderen Musikern verlagert und Rudolf Schenker einen Kopfstand vollzieht. Nettes Gimmick am Rande.
Insgesamt muss man attestieren, dass die Scorpions in Wacken 2006 einen sehr guten Auftritt gespielt haben. Die Band hat wieder mächtig Druck und rockt das Haus. Die Songauswahl ist sehr gelungen, Sound und Aufmachung der DVD sind gewohnt professionell. Bonus-Material gibt es nicht, dafür ist das Konzert aber ein gutes Stück über zwei Stunden lang. Und die Musik ist letztlich das Wichtigste. Vor geraumer Zeit hätte ich nicht geglaubt, dass sich die Scorpions den Metal-Freaks in Wacken überhaupt noch mal stellen würden. Respekt, sie haben einen sehr guten Gig gespielt und die Filmaufnahmen beweisen dies. Einziges Manko: Die Kameras sind an manchen Stellen etwas hektisch und trüben den sehr guten Gesamteindruck ein bisschen. Ansonsten tadellos!
Line Up:
Klaus Meine (vocals)
Rudolf Schenker (guitars, backing vocals)
Matthias Jabs (guitars, backing vocals)
James Kottak (drums, backing vocals)
Pawel Maciwoda (bass, backing vocals)
Special Guests:
Uli Jon Roth (guitars - #6, 7, 8, 22, 23, 24)
Michael Schenker (guitars - #12, 13, 14, 15, 22, 23, 24)
Herman Rarebell (drums - #17, 18, 24)
Tyson Schenker (guitars - #24)
Tracklist |
01:Coming Home
02:Bad Boys Running Wild
03:The Zoo
04:Loving You Sunday Morning
05:Make It Real
06:Pictured Life
07:Speedy's Coming
08:We'll Burn The Sky
09:Love 'em Or Leave 'em
10:Don't Believe Her
11:Rease Me, Please Me
12:Coast To Coast
13:Holiday
14:Lovedrive
15:Another Piece Of Meat
16:Kottak Attack
17:Blackout
18:No One Like You
19:Six String Sting
20:Big City Nights
21:Can't Get Enough
22:Still Loving You
23:In Trance
24:Bolero
25:Ready To Sting
26:Rock You Like A Hurricane
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Externe Links:
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