Meint einer, auf dem Highway des Blues wäre schon so ziemlich alles vorbeigezogen, sollte er einfach mal Scepanski, "b-injection" ins Navigationssystem eingeben: Man erreicht sein Ziel ohne Umwege durch Gassen oder Seitenstraßen und befindet sich vor einem Haus, das vertraut und doch fremd anmutet. Solide, auf einem festen Fundament gebaut, erwarten den neugierigen Besucher, oder sollte ich jetzt besser Hörer schreiben, zehn Zimmer (Songs) in unterschiedlichem Ambiente.
Diejenigen, welche eine traditionelle Bauweise bevorzugen und schon skeptisch die Nase rümpfen, wenn Blues-Häuser von modernen Elementen geprägt sind, werden das Bauwerk wahrscheinlich gar nicht erst betreten.
Das solide Fundament des Scepanski-Gebäudes mit Namen "b-injection" ist der Blues und finden die Besucher bei der Führung des Hausherren Gefallen am ersten Zimmer, wird Interesse geweckt an dem, was da noch kommen wird.
"Texassunset In Cologne", der Türöffner beginnt verhalten.
Die Harp heult dezent aus dem Hintergrund, eine Gitarre in Slide-Manier gesellt sich dazu. Unterfüttert wird das Zusammenspiel durch programmierte Geräusche und Mc Diki Lee-Scratching. Hat man so Kontakt aufgenommen, haut einen nach einer Minute eine mächtig rockende Gitarre aus den Schuhen und die Harp verpasst allen im Umkreis von einem Meter Entfernung von den Lautsprechern eine Fönfrisur. Herrlich, wie sich Harry Alfter und Jan Sczepanski ergänzen und unisono spielen. Der Turntable-Bediener testet den Plattenteller auf Standfestigkeit und alle Musiker finden zurück zum ohrwurmmäßigen Thema des Songs.
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Folkdance Edition" hört.
Kann hier mal jemand die Fenster schließen, denn bei Windstärken ab 8 Beaufort sollten diese wirklich zu sein. Ein wahrer Wirbelsturm ist der Song, mit satten Riffs aus der Gitarre und fetter Tieftöner-Untermalung. Christian Blüm, Sohn des Ex-Ministers Norbert Blüm taktet hervorragend dazu und einen derartigen Folkdance lässt man sich gefallen. Virtuos bedient Sczepanski sein Instrument, wagt immer Mal Einzelgänge, wird aber von Alfter und den anderen Begleitern mit einigen Unterbrechungen wieder eingeholt und das Ende des Tracks ist furios.
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Jazzspirit" hört.
Count Basie, Duke Ellington oder dergleichen Musiker? Nein, eher assoziiert man mit Alfters Gitarre Vertreter wie Pat Metheny oder John Abercrombie. Dieses Zimmer strahlt eine tolle Atmosphäre aus und wird zu einem Hinhörer, zumal auch Winfried Schuld am Piano begeistert. Pano Petrakakis' Bass blubbert und Blüm überzeugt durch differenziertes Drumming mit kleinen aber feinen Sound-Effekten.
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Transmission To Cracovia" hört. Funk-Gitarre prägt den ersten Eindruck, fast hypnotisch fortgesetzt, wenn Sczepanskis Mississippi-Saxofon ausgiebig aufheult. Dann lässt Alfter seinen 6-Saiter so etwas von rocken, dass die Futterluke vor Staunen Tag der offenen Tür hat. Getoppt wird die Impression zur Gänze, wenn nach einem kurzen Groove-Part Jan Bledowsik auf der Bildfläche erscheint. Auch durch die Violine soll der "b-injection"-Klang nach Krakau weiter geleitet werden. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Jörg Frohn am Schlagzeug genauso überzeugend trommelt, wie Blüm.
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Oriental Compound" hört.
Tabla-Töne stehen am Anfang und Sczepanski, der den Song geschrieben hat, verbindet damit wohl einen Wüstensturm, zunächst, denn im Mittelteil befinden wir uns im Auge eines Tornados. Perkussive Ruhe mit typisch orientalischem Flair und Sitar-Tönen kehrt ein. Drei Riffs reichen, um den par force-Ritt fortzusetzen um schließlich mit einer Bledowsik-Violine zu enden.
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Andrejana" hört.
Die Wände sind in Pastellfarben gestrichen und wer hat schon eine Hängematte im Zimmer? Natürlich Jan Sczepanski! Der Track ist von Licht durchflutet und veranlasst den Hörer, die Seele baumeln zu lassen und zu träumen. Nicht mehr und nicht weniger, aber effektiv, der Song, wobei er sich doch außerhalb des Blues-Musters befindet. Harp-Rückkopplungen, Wassergeplätscher und der bundlose Bass von Michael Ritter sind feinfühlig ins Gewebe eingearbeitet.
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Violent Beginning" hört.
Mit etwas Magengrummeln mag die Schwelle doch nicht übertreten werden. Na ja, einen Blick durch den Türspalt darf erlaubt sein und beruhigt kann sie dann ganz geöffnet werden, denn hier klingt nichts brutal, eher orchestral. Besänftigende Klänge gelangen an die Lauscher. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Aggressiv ist das nicht! Bis die Mitte des Raumes erreicht wird, weil dann erneut ein hemmungslos rockendes Alfter-Donnerwetter-Intermezzo losgeht und man vergeblich Schutz sucht. Auch wenn Sczepanskis Harp verführerisch die Ohren umschmeichelt, ist "Violent Beginning" nicht so ganz nach des Besuchers Geschmack.
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Slowly B Strip" hört.
Die Überraschung ist jetzt aber gelungen, denn mit Stephan Brings, Harry Alfter und Christian Blüm ist fast die gesamte Brings-Combo zugegen. Man hilft sich eben unter Nachbarn, denn Jan Sczepanski war auch schon Gast auf Platten der Band. Freizügig improvisiert der Hausherr über einem Slow-Blues-Rhythmus und Alfter glänzt hier zunächst an den Keyboards und anschließend an der Gitarre. "Slowly B Strip" mit Brings ist der Bringer…
Weiter geht's ins nächste Zimmer, das auf den Namen "Industrialplasma" hört.
Schwer schleppender Blues Rock ist angesagt und die eingestreuten Verfremdungseffekte der Harp sind von höchstem Interesse. Michael Ritter am Bass und Blüm am Schlagzeug treiben Sczepanski und besonders Alfter bei ihren Soli zu wahren Höhenflügen an.
Weiter geht's ins letzte Zimmer, das auf den Namen "Quicky" hört. Programmiert Kongas, verhallt Mundharmonika sowie unstetiger Bass stempeln den Song zu einem hektischen Etwas, das in seiner Vielfalt erst durch mehrmaliges Hören zu einer Einheit wird. Da das Album "b-injektion" früher als b-transfusion auf dem Markt war, mag dieser Song bereits andeuten, was dort zu erwarten sein wird.
Die Führung ist beendet und hat gezeigt, wie das funktioniert mit den modernen Elementen im Blues. Schon öfter gehört, setzt Jan Sczepanski in seiner Konsequenz mit "b-injection" noch einen oben drauf.
Ein sehr gelungenes Werk für Non-Puristen, die offene Ohren für Außergewöhnliches haben.
Line-up:
Jan Sczepanski (harmonicas, programming)
Harry Alfter (guitars, keyboards, programming)
Pano Petrakakis (bass - #1, 2, 3, 4, 5, 7)
Michael Ritter (bass - #9, 10, fretless bass - #6)
Stephan Brings (bass - #8)
Christian Blüm (drums - #2, 3, 5, 8, 9, 10)
Jörg Frohn (drums - #1, 4, 6, 7)
Jan Bledowsik (violin - #4, 5, 7)
Winfried Schuld (piano - #3)
Mc Diki Lee (scratching - #1)
Tracklist |
01:Texassunset In Cologne (4:14)
02:Folkdance Edition (5:05)
03:Jazzspirit (6:05)
04:Transmission To Cracovia (4:43)
05:Oriental Compound (5:28)
06:Andrejana (4:43)
07:Violent Beginning (6:34)
08:Slowly B Strip (5:29)
09:Industrialplasma (4:40)
10:Quicky (5:35)
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