»German breakfast is awesome!«
Was hat deutsches Frühstück mit dem Konzert der aus Virginia stammenden Americana-Combo Sons Of Bill zu tun? Erst mal nicht viel und beinahe wäre es gar nicht mehr zum gemeinsamen Live-Erlebnis gekommen, denn der Rezensent hatte gedankenverloren die richtige Ausfahrt verpasst und damit seinen Mitstreitern/Innen und sich selbst eine Verspätung von mehr als einer halben Stunde auferlegt. Glücklicherweise hatte das Konzert noch nicht begonnen, als wir den Kulturbahnhof in Neuenkirchen betraten. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich bei der Location um eine Multifunktionshalle, die neben dem bereits sanierten Bahnhofsgebäude errichtet wurde und gut 200 Besuchern Platz bietet. Der Saal ist hervorragend ausgestattet. So lassen eine allseits gut einsehbare Bühne mit üppiger Beleuchtungstechnik, Fußboden in Holzoptik und eine Akustikdecke die Herzen von Kulturbeauftragten wie Klangpuristen gleichermaßen höher schlagen. Dies waren wohl auch die Motive für die US Rails, eines der Aushängeschilder des rührigen Blue Rose-Labels, ihre Stippvisite im Februar dieses Jahres zu nutzen, um eine Live-DVD mitschneiden zu lassen, welche nunmehr beim Händler eures Vertrauens erhältlich ist.
Aber zurück zu den Protagonisten des heutigen Abends: Bei den Sons Of Bill handelt es sich überwiegend um ein Familienunternehmen, bestehend aus den Brüdern James, Sam und Abe, die Gesang, Gitarre und Keyboards unter sich aufteilen und deren Vater völlig überraschend auf den Namen Bill hört. Dazu wurden Seth Green am Tieftöner und Todd Wellons am Schlagzeug 'adoptiert'. In dieser Besetzung touren sie erstmals in Deutschland, um ihr aktuelles Album Sirens einer kleinen aber feinen Americana-Anhängerschaft vorzustellen. Immerhin 15 Shows verteilt auf ganz Deutschland hat das Blue Rose-Label dafür gebucht. Heute Abend ist das beschauliche Neuenkirchen Ort des Geschehens, ca. 30 Kilometer nördlich von Osnabrück gelegen. Immerhin 80 Musikfans haben sich dazu im Saal des Kulturbahnhofs eingefunden, um dem musikalischen Vortrag von 'Bills Söhnen' beizuwohnen.
Los geht es mit "Joey's Arm", dem Auftaktsong des zweiten Albums One Town Away, einer wunderschönen Americana-Ballade, sehr reduziert in der Instrumentierung, so dass Leadsänger James Wilson sofort mit seiner ausdrucksstarken und leicht kratzigen Stimme brillieren kann. Auch Bruder Sam übernimmt die Lead Vocals, zum Beispiel bei "Find My Way Back Home" vom "Sirens"-Output und kann hierbei ebenfalls voll überzeugen, ohne dabei jedoch den stimmlichen Wiedererkennungswert seines Bruders zu erreichen. Der Schwerpunkt der Songauswahl liegt auf den genannten Alben, gespickt mit einigen Songs des ersten Tonträgers "A Far Cry From Freedom", wie z. B. "Roll On Jordan". Überragend findet der Rezensent dabei die treibenden und druckvollen Songs wie "Santa Ana Winds", "This Losing Fight" oder "The Rain", allesamt kongenial unterlegt von Abes Keyboardteppich. Weitere Highlights bilden "Never Saw It Coming" und "Turn It Up", in deren Verlauf 'Brother Sam' zum wilden und ungestümen Gitarrensolo abhebt und es dabei richtig krachen lässt. Aber auch in ruhigen Passagen weiß er sein Publikum zu begeistern, indem er sämtliche Songs mit feinem und präzisem Gitarrenspiel aufwertet. Hervorzuheben ist auch der Harmoniegesang der Brüder, der sich besonders beim akustisch präsentierten Liedgut entfaltet und das überwiegend in Würde ergraute Publikum ein ums andere Mal in Verzückung versetzen kann.
Nicht unerwähnt bleiben darf die mit gewaltigem Hitpotenzial ausgestattete Balladenhymne "Virginia Calling", die es allemal verdient hätte, im Radio einem breiteren Publikum zugänglich gemacht zu werden. Aber die Programmgestalter des Format-Radios würden sich wohl eher einer Wurzelbehandlung ohne Betäubung unterziehen, als das 'Wegzappen' der eingelullten Zuhörerschaft zu riskieren. Aber sei es drum, heute Abend haben die Sons Of Bill ein großes (zweistündiges) Konzert für kleines Geld geboten und selbst bei mir kommt für kurze Zeit Weihnachtsstimmung auf, als bei der abermals akustisch vorgetragenen Zugabe der ganze Saal verstummt, um andächtig den Harmoniegesängen der 'Brothers' zu folgen.
Als wir dieses großartige Konzert in klirrender Kälte bei Gerstensaft und Zigarette nochmals Revue passieren lassen, gesellt sich der sichtlich gut gelaunte James Wilson zu uns. Auf unsere Fragen, wie ihm Deutschland so gefalle, entgegnete er spontan: »German breakfast is awesome!« - im Vergleich zum gewohnten und sehr übersichtlichen Continental Breakfast, welches üblicherweise in den Staaten dargereicht wird. Aber noch viel wichtiger ist, dass die Band bereits im kommenden Herbst wiederkommen will. Wir werden in jedem Fall wieder dabei sein.
Line-up:
James Wilson (lead vocals, guitars)
Sam Wilson (vocals, lead guitars)
Abe Wilson (vovals, keyboards)
Seth Green (bass)
Todd Wellons (drums)
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