Space Debris / Live At Burg Herzberg Festival
Live At Burg Herzberg Festival Spielzeit: 82:37 (Konzert)
Medium: DVD
PAL, 16:9
FSK: ohne Altersbeschränkung
Label: Herzberg Verlag, 2007
Stil: Jam'n Kraut

Review vom 02.09.2007


Ulli Heiser
Gerade letztens hatten wir in der Redaktion eine Diskussion, wie man denn nun Krautrock bitteschön definiert. Christian Jäger, Drummer von Space Debris, schreibt im Booklet vorliegender DVD: »Der Begriff Krautrock ist auch kein eng zu fassender Musikstil, sondern historisch zu sehen.«
Unzweifelhaft ist die Musik der drei Odenwälder sofort als Krautrock zu identifizieren. Nach meiner ersten Begegnung mit der Musik der Band, war ich höchst erfreut, als mir dieser Tage vom Herzberg Verlag die DVD mit ihrem Konzert vom letztjährigen Burg Herzberg Festival in den Player flatterte.
Was man angangs als Pech bezeichnete, dass der erste Track der DVD, "Into The Sun", nämlich erst ab dem Ende gefilmt wurde und somit nicht als Teil des Konzertes gezeigt werden kann, wird im Nachhinein als Glücksfall gesehen. Man hat den Song nämlich als 'Untermalung' für eine klasse Dokumentation über das Festival genutzt. Das ist interessant für diejenigen, die schon mal auf dem Herzberg waren und für die, die das Festival nur vom Hörensagen kennen, sowieso.
Das Burg Herzberg Festival ist und bietet weit mehr als nur eine Ansammlung von Konzerten - es wird 'nebenbei' so einiges an Unterhaltung geboten. Da gibt es Stände mit allerlei Möglichem und Unmöglichem: Als Beispiel seien nur mal die beiden Ziegen genannt, die jemand mitbrachte und Kaffee mit Ziegenmilch anbietet. Eltern sind mit ihren Kindern angereist, die zusammen mit anderen Jungrockern auf dem weiträumigen Gelände spielen. Dazwischen hat es Gaukler und wenn die Kamera den Fuhrpark der Festivalbesucher abfährt, kann man sich wundern, wie manche Gefährte den Segen des TÜVs erhalten haben. Ein riesiges Zeltlager mit so vielen verschiedenen Menschen, die eines eint: Spaß und Bock auf geile, abgefahrene Musik.
Genau diese Musik bietet Space Debris und "Into The Sun" kann man getrost als Soundtrack zu dieser gelungenen Dokumentation bezeichnen. Perfekt, wie die Kameracrew durch das Gelände fährt und von der Wasserbelieferung bis zu Eltern, die ihren Jüngsten per Bollerwagen durch die Gegend ziehen, alles zeigt. Der Zuseher meint, auf einem bequemen Wägelchen zu sitzen und herumgefahren zu werden. Der letzte Part der Nummer gehört der Band, denn ab da hat man dann den Song auch mitgefilmt. Nun also zum konzertanen Teil des Silberlings.
Christian Jäger beschreibt im interessanten Interview, wie die Kompositionen der Band enstehen. Da wird nichts geplant, sondern spontan beim Spielen entschieden. Auch gibt es kein aufgeblähtes Studioequipment, sondern zwei Micros im Raum und in der Tat ist auch der Rezensent erstaunt, wie klasse die Klangqualität dadurch ist. Nun, man ist es ja bereits von Wallbreakers-Aufnahmen gewohnt, die ebenfalls mit minimalistischem Equipment zu klanglichen Höchstleistungen führen.
"Lornas Vibrator" wird vom Schlagzeug eröffnet, die Gitarre gesellt sich dazu und was Gitarrist Tommy mit den Händen spielt, singt er gleichzeitig nach. Geil, ein Gitarrist singt seine Soli. Tom soliert jazzig an der Hammond und Tommy schnallt sich den Viersaiter um und hilft Christian, der für den notwendigen Rhythmus und Drive sorgt. Es gibt 'nen Wechsel zur sechssaitigen Gitarre und der Jazzcharakter der Nummer wendet sich wieder hin zum Rockigen.
"Electric Friends" kommt einem Ritt durch Krautrockwelten gleich. Orgel und Gitarre jammen um die Wette und Tom Kunkels Spiel ersetzt auch die Bassgitarre mit links. Fast orgiastisch schaukeln sich Tommy und Tom gegenseitig hoch, während Christian (im Bonham-T-Shirt) souverän die Machine am Rollen und Krachen hält. Dem langsamen Intro angepasst, lässt man die Anfangssequenzen nicht in Echtzeit, sondern in Zeitlupe laufen, was den psychedelischen Touch unterstreicht und den Beginn des folgenden, rockigen Ritts förmlich explodieren lässt.
Das sich anschließende "Mountain" ist astreiner Blues Rock im Krautgewand und mehr als einmal kommt mir der gute alte Jimi in den Sinn: Tommy spielt ein heißes Eisen, während die Hammond herrlich rollt und Mr. Bonham, ähm Mr. Jäger die Felle malträtiert.
»Eine Spontankomposition aus dem Proberaum, hier am Original orientiert sozusagen wiederaufgeführt« heißt es im Booklet über "Whales". Improvisatorisch mit Raum für jeden Musiker geht es in der Tat los, aber Proberaumatmosphäre mag man zu keiner Sekunde spüren. Alle Töne sind da, wo sie hingehören und es klingt perfekt aufeinander abgestimmt. Toll das Gitarrensolo in Verbindung mit einer Schlagwerk-Attacke vom Allerfeinsten.
Lieber Verfasser der Liner Notes, lass mich dich nochmal zitieren, denn was du zu Jam Bang schreibst, ist eine volle Zwölf:
»Jam Bang ist, wie der Titel schon sagt, eine im Live-Rausch entstandene Jamnummer, bei der sich die Musiker den letzten Rest an musikalischer Seele aus dem Leib spielen und das Publikum mitreißen.«
Ja, genau! Voller unbändigem Drive groovt "Jam Bang" übers Gelände und, wie übrigens während der kompletten Show, zeigt die Kamera auch das mitgehende Publikum. Orgel und Gitarre riffen um die Wette und man merkt es der Band bei der Verabschiedung an, dass auch sie ihre Freude am Auftritt hatten.
Im Interview sagt Christian, dass das nächste Ziel der Band eine Tour durch Japan sei. Wenn das klappt, da bin ich sicher, werden die Leute im Land der aufgehenden Sonne wissen, dass Krautrock nicht auf die Siebziger beschränkt werden kann. Es gibt Bands, die diese Fahne auch im neuen Jahrtausend hochhalten. Space Debris ist ohne Zweifel ein würdiger Vertreter dieser Spezies.
Die Show ist, mit leicht abgeänderten Spielzeiten, auch als CD erhältlich und wie mir Christian mitteilte, soll der Sound auch druckvoller sein. Am besten also, ihr besorgt euch beide Teile.
Line-up:
Tommy Gorny (Gitarre, Bass, Vocals)
Tom Kunkel (Hammond, Synthesizer)
Christian Jäger (Ludwig-Drums)
Tracklist
01:Into The Sun (22:05)
02:Lornas Vibrator (16:15)
03:Electric Friends (14:18)
04:Mountain (7:00)
05:Whales (17:19)
06:Jam Bang (5:40)

Interview
Impressionen vom Burg Herzberg Festival 2006
Externe Links: