Space Debris / She's A Temple
She's A Temple Spielzeit: 77:25 (CD), 82:36 (LP)
Medium: CD & Do-LP
Label: Breitklang, 2013
Stil: Jam'n'Kraut

Review vom 01.06.2013

       
Markus Kerren                      Ulli Heiser
Wer nach den letzten Veröffentlichungen - bei denen es sich jeweils um Archivgriffe handelte - von Space Debris der Meinung war, dieser Band würde nichts mehr einfallen, war hundertprozentig auf dem falschen Dampfer. Wunderbar beleg- bzw. begründbar mit dem brandneuen Album "She's A Temple", das wie so oft bei dieser Combo neben dem CD- auch im Vinylformat erscheint. Die neun zumeist langen Tracks zeugen erneut von der Extraklasse des Quartetts um den Schlagzeuger Christian Jäger. Wie auch von der Kunst, eine Rockscheibe selbst ohne Gesang - und um die achtzig Minuten lang - extrem vielfältig und kurzweilig zu gestalten.
Was Space Debris hier musikalisch abgeliefert haben, ist eine ganz feine Mischung aus Rock, Psychedelic, proggigen Parts und selbst kleinere Ausflüge in den Jazz sind mit dabei. Beim Opener "Palmyra" wird durch die klasse treibende und variable Rhythmusabteilung eine Spielwiese kreiert, auf der sich Winnie Rimbach-Sator an den Keyboards (etwas weiter im Hintergrund) und vor allem Tommy Gorny an der Gitarre nach Herzenslust austoben können. Das ist nicht nur super gespielt, sondern auch extem clever arrangiert und macht einfach nur Spaß. Immer wieder werden die Klangfarben gewechselt und somit auch neue Bilder ins Kopfkino des Hörers gezaubert.
"Skinflight" ist mit seinen zweieinhalb Minuten Spielzeit schon ein richtiger Exot . Allerdings handelt es sich dabei auch um eine Soloperformance Christian Jägers an der Schießbude. Mein persönlicher Favorit hört auf den Namen "Creation", der sich in Form von "Glimpse Of A Dying Sun" und "Everdrifting Particle" gleich über zwei Tracks hinstreckt und zusammengerechnet mit einer Laufzeit von knapp 18 Minuten aufwarten kann. Geradezu perfekt wird hier dargelegt, wie man immer wieder knisternde Spannung aufbauen kann, die sich aber auch jedes Mal ganz butterweich löst, nur um das ganze Spiel wieder von vorne zu beginnen.
So, ich für meinen Teil werde "She's A Temple" ganz nah bei meiner Anlage liegen lassen, um die Scheibe immer wieder schnell griffbereit zu haben und gebe ab an meinen Kollegen Ulli, dem die Vinyl-Version vorliegt, auf der sich mit "Zenobian Dance" sogar noch ein Bonus Track befindet. Trulben, bitte übernehmen Sie!
Aber gerne, quasi ein Wechsel vom Lyoner-Äquator zum Leberwurst-Pendant. Die neue Scheibe der Odenwälder Space'n'Jam'n'Kraut-Rocker ist aber auch viel zu stark, um einen Redaktuer alleine glücklich zu machen. Space Debris kann man unzweifelhaft als eine der besten Bands aus deutschen Landen betiteln. Da sie in guter Tradition ihre Alben sowohl auf CD als auch auf Vinyl veröffentlichen, lag es nahe, beide Versionen zu besprechen, zumal sich mit "Zenobian Dance" ein Track mehr auf dem Doppel-Vinyl befindet. Schwer sind sie, die LPs und das Motiv des syrischen Baaltempels von Palmyra mit der appetitlich anzuschauenden Herrscherin Zenobia im Vordergrund kommt in Schallplatten-Größe ungleich prachtvoller daher. Klar ist mein Kollege Markus im Vorteil, wenn es darum geht, das Album z. B. auch im Auto zu hören, aber ich für meinen Teil genieße diese Art von Musik lieber ohne Ablenkung zu Hause.
Zeitlos ist sie, die Musik von Space Debris - wäre die Platte Anfang der Siebziger entstanden, würde sich niemand gewundert haben. Sie würde auch heute noch gerne gespielt werden und das wird sie auch in 50 Jahren noch. Mindestens. Zeitlos auch mein Lieblingsmedium: Die gute alte 33er-Scheibe. War ich Anfang der 80er total begeistert vom neuen Medium Compact Disc, so freut es mich dieser Tage ungemein, dass immer mehr Bands ihre Neuerscheinungen wieder auf Vinyl herausbringen. Optik, Feeling und Klang sind m. E. einfach meistens überlegen. Leider sehen das viele meiner RockTimes-Kollegen ähnlich und motten zur Zeit ihre Laufwerke wieder aus oder kaufen neue Plattenspieler, sodass ich in Zukunft wohl öfter teilen muss.
Mit Mitja Besen ist seit etwas über einem Jahr ein neuer Basser an Bord, der nun anstelle von Peter Brettel die dicken Saiten bearbeitet. Das Quartett beweist erneut, dass Gesang bei dieser Spielart der Rockmusik überhaupt nicht fehlt, ja ich wage gar zu behaupten, dass er etwas stören würde. Zu dicht weben die vier Musiker ihren spacigen und krautigen Teppich, der mit jazzigen und bluesrockigen Mustern durchzogen ist, als dass da viel Platz für Stimmen wäre. Die von Markus erwähnten "Creation"-Stücke sind in der Tat musikalische Leckerbissen, wie auch das fast siebzehnminütige "Supernova 1604".
Das bedeutet nicht, dass irgend ein anderes Stück auch nur im Geringsten abfällt. Nehmen wir den Dampfhammer "Palmyra", der zu Beginn losrockt, als sei das Weltall mit all seinem Schrott hinter ihm her. Da - wie auch bei "Time Traveller" - kommen gar Mattenschwinger auf ihre Kosten. Space Debris machen es sich nicht einfach und jammen etwa mit gleichem Tempo durch die Rillen. Abwechslungsreich, mit Tempo- und Stilwechseln gestalten sie die Reise und begeistern mit einem druckvollen und äußerst soliden Fundament der Felle und Dicksaiten, die es Gitarre und Schweineorgel ermöglichen, diesen unverwechselbaren Sound zu erzeugen. Pumpende Bässe, entfesselte Gitarren, Drumgewitter und diese irre Orgel jagen dem Hörer einen Schauer nach dem anderen über den Rücken, um ihn alsbald relaxt durch den 'outer space' gleiten zu lassen.

Die Tracks wurden live eingespielt und an keiner Stelle wirkt es daher steril, wie es vielleicht bei reinen Studioaufnahmen mit vielen Takes passieren könnte. Für mich ist "She's A Temple" wieder einmal ein Stück 'Weltraumschrott', das nie weit vom Hörerplatz stehen wird.
Einen Vorteil hat mein Vorredner und CD-Besitzer allerdings: Er muss nicht aufstehen, um die Unterbrechung der musikalischen Reise fortzusetzen. Allerdings hat sich auch er dem Zeitgeist gebeugt und sich einen Plattenspieler zugelegt. Nun ja, machen wir es das nächste Mal einfach andersrum...
Line-up:
Tommy Gorny (guitars)
Christian Jäger (drums)
Winnie Rimbach-Sator (keyboards)
Mitja Besen (bass)
Tracklist
01:Palmyra (14:58)
02:Cloudwalker (4:40)
03:Creation: - Glimpse Of A Dying Sun (8:59)
04:Creation: - Everdrifting Particle (8:56)
05:Skinflight (2:34)
06:Time Traveller (8:32)
07:She's A Temple (11:53)
08:Supernova 1604 (16:46)
09:Zenobian Dance (5:34 ) [Vinyl only]
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