Die zweite Rockpalast-Nacht vom 4. auf den 5. März 1978 bot mit Michael Chapman, Mother's Finest, Dickey Betts And Great Southern sowie Spirit ein sehr unterschiedliches Programm. Letztere waren nicht im vorgesehenen Line-up des Festivals in der Grugahalle, sondern wurden sehr kurzfristig für die wegen interner Querelen abgesprungenen Kinks engagiert. Zum Glück.
Und zum Glück für den RockTimes-Redakteur, der damals keine Zeit zum Gucken hatte, gibt's diesen Gig jetzt nach 31 Jahren auf der DVD "Spirit Rockpalast: West Coast Legends Vol. 3". Der, ganz im Vertrauen, auch bis dato wenig mit der Band aus L.A. anzufangen wusste. Klar, Randy California hatte einen guten Ruf als Gitarrist, aber Spirit schubladisierte irgendwo in der Jazzrock-Ecke und war damit zu diesem Zeitpunkt weniger angesagt. Wie gut, dass es nun die Gelegenheit gibt, diesen error of my way zu beseitigen!
Neben dem freakigen Randy bestand Spirit in dieser für lange Zeit letzten Besetzung (die Band trennte sich danach) noch aus dem Basser Larry 'Fuzzy' Knight, der auch für die Backing Vocals sorgte und Drummer Ed Cassidy, gleichzeitig Stiefvater des Gitarristen. Dieser fiel nicht nur durch seine für damalige Verhältnisse höchst ungewöhnlich Glatze auf, sondern auch durch sein riesiges Drum Kit, zu dem auch zwei Pauken gehörten, die links und rechts des Hockers platziert waren.
Von Beginn an begeisterte die Band die hörbar schon (und für die damaligen Rockpalast-Nächte obligatorisch) angedröhnte Menge, deren Johlen, Rufen und Pfeifen über die Saalmikrophone eingefangen wurde. Randy im Hippie-Outfit, ein echter Hingucker, hatte seine Stratocaster komplett mit Rockpalast-Aufklebern verziert. Von Beginn an suchte er den Kontakt zu den nur mit einem halbhohen Sperrgitter abgetrennten Fans und kam auch mehrfach auf Tuchfühlung heran. Klar, die flippten dann aus, vor allem, wenn er Hendrix-mäßig mit den Zähnen spielte. Aber alles easy, obwohl vermutlich schon reichlich nicht nur gebechert worden war, irgendwelche Ordner wurden nicht benötigt.
Nach über 30 Jahren hört sich das noch richtig gut an, was das Trio abliefert. Trotz gängiger Länge jamartige, psychedelisch angeturnte Stücke, mit Randys Gitarre im Mittelpunkt, der gekonnt zwischen markanten Riffs und längeren Soli wechselt. Larrys Bass pumpt heavy und fungiert auch zeitweise als zweites Melodieinstrument. 'Mr. Skin' Ed Cassidy liefert dahinter einen dermaßen dichten und kraftvollen Rhythmus, dass sich die Beiden oft gemeinsam solistisch austoben können. Markant dazu die schiffssirenenartigen Töne, die zumeist vom Gitarristen per Taurus Moog-Fußpedal dazwischengefeuert werden. Am Mikrophon ist California zwar nicht das ganz große Ass, aber seine helle Stimme passt gut zu diesem energetischen, typisch sonnigen West Coast Sound, wie ihn auch Hot Tuna damals auf die Bühne brachte.
Geschickt war auch das Repertoire für diesen Rockpalast gewählt. Die bekanntesten eigenen Stücke und dazu einige großartige Covers, die die Stimmung mächtig anheizen. Nach dem 'Hit' "Nature's Way" sorgt "Like A Rolling Stone" in der Hendrix-Version für einen ersten Höhepunkt. Randys Nähe zu Jimi ist ja bekannt, zumal beide vor dessen großer Karriere ein paar Monate lange eine gemeinsame Band hatten. Trotz aller Vergleiche und auch äußerlichen Ähnlichkeiten - das Spiel unterscheidet sich doch deutlich. Randys ist wesentlich melodischer und weniger verfremdet, deswegen sind seine Hendrix-Sachen eher Reminiszenzen an den alten Freund als abgekupfert. "1984" ist übrigens kein Cover, sondern eine eigene Nummer mit sehr kritischem Text, die in den USA auf dem Airplay-Index landete. Das reguläre Set endet mit dem über 16-minütigen Monstertrack "It's All The Same" und dem direkt daran anschließenden "I Got A Line On You". Eingebettet ist ein grandioses Drum-Solo von Cassidy. Der damals über 50-jährige wirbelt mit verschiedenen Stecken, Schlegeln und den bloßen Händen über seine Trommeln und Becken wie ein Voodoo-Magier und versetzt das Publikum in eine wahre Trance. Klasse, absolut außergewöhnlich und garantiert nicht der Soundtrack für die erforderliche Pinkelpause, weder in der Halle, noch in den eigenen vier Wänden!
Mit "All Along The Watchtower" eröffnet die Band den ausgiebigen Zugabenteil. Wieder Randy hautnah bei den tanzenden Fans, wieder das Spiel mit den Zähnen, wieder das typisches Hendrix-Posing bei "Wild Thing". Und dann der Hammer: Dickey Betts kommt zum Schluss mit auf die Bühne. Was für ein Kontrast - da der euphorisierte Randy mit Stirnband, Tüchern und inzwischen nacktem Oberkörper, dort der kaum eine Miene verziehende Südstaatler mit Riesenschnauzer und Lederweste. Das funktioniert bestens, die leicht verzerrte Strat und die cleane Les Paul singen miteinander, der Bass ergänzt das hochinspirierte Trio. "If I Miss this Train" und der integrierte "Rockpalast Jam" ergeben ein Traum-Finale, den absoluten Höhepunkt eines Festival-Auftritts, der auch noch als DVD seinen damaligen 'Spirit' konserviert hat.
Technisch gibt's nicht viel auszusetzen, der Sound ist o.k., die Aufnahmen auch und in der Schnittführung war sowieso noch nicht die große Hektik ausgebrochen. Dass Bild und Ton minimal asynchron sind,
fällt kaum auf und stört den Genuss nicht.
Der (ansonsten in der Ausstattung puristische) Rockpalast-Mitschnitt ist auch eine gelungene Erinnerung an den seit 1997 verschollenen Randy California, der von einer Welle vor Hawaii ins Meer gespült wurde.
Ganz speziell für unsere RockTimes -Fans hat Kollege Jürgen aus seinem Buch über den Beat Club in Langelsheim die Gästebuchseite mit den Autogrammen von Spirit (of '73) aufgemacht. Rockigen Dank, Bruder!
Tracklist |
01:Rockpalast Jam (6:25')
02:Mr. Skin (3:25)
03:Nature's Way (3:13')
04:Like A Rolling Stone (7:11)
05:Hollywood Dream (4:39)
06:1984 (3:25)
07:Looking Down From A Mountain (4:54)
08:Hey Joe (5:17)
09:Animal Zoo (4:38)
10:Love Charged (4:22)
11:It's All The Same (incl. Drum Solo) (16:15)
12:I Got A Line On You (2:42)
13:All Along The Watchtower (5:02)
14:Wild Thing (3:18)
15:Downer (3:44)
16:If I Miss This Train/Rockpalast Jam (4:52)
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