Es dauerte bis zum insgesamt neunten Werk, bevor auch Spock's Beard ihr selbstbetiteltes Album vorlegten. Die Meisten liefern so etwas als Debüt, Spock's Beard unterstreichen, dass es zum einen in der Diskografie nicht fehlen darf, aber auf der anderen Seite wollen sie vielleicht doch nachträglich auf einen Wendepunkt in ihrer Karriere hinweisen können. Sie selbst sagen, dass es kein Neubeginn ist, aber nach dem Weggang von Neal Morse musste sich die Band sicherlich erst einmal wieder richtig finden. Dass die Formation innovativ sein kann und nicht davor zurück schreckt, ihr eigenes Ding durchzuziehen, hatte sie auf dem letzten Studiowerk Octane eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Die Musik von Spock's Beard hat inzwischen eine Menge 'Mainstream' intus. Das wurde ihnen auch schon auf "Octane" oder "Feel Euphoria" vorgeworfen. Dabei ist es für mich genau das, was so positiv auf mich wirkt. Die Songs besinnen sich ein ums andere Mal auf die Wurzeln und nehmen zusätzlich wichtige Prog-Einflüsse in sich auf.
Fast hätte es zwei Jahre gedauert, bis die neue Scheibe das Licht der Welt erblickte. Obwohl, man ist im Trend, da es auch gut 1 ½ Jahre gedauert hatte, bis "Octane" nach "Feel Euphoria" erschien. Hören wir also in den dritten Output nach Neal Morse rein.
Ich möchte nicht behaupten, dass die Scheibe ungewöhnlich hart beginnt. Aber es rockt. "On A Perfect Day" bedient sich einerseits bekannter Klischees, lässt die Orgel dröhnen und nimmt hin und wieder das Tempo raus, damit die effektgeladene Gitarre ihre Wirkung zeigt. Der Gesang ist sehr eingängig und lässt den Verdacht aufkommen, dass Spock's Beard wirklich nur geradeaus rocken möchten. Das ist auch in weiten Teilen so, dennoch machen sich deutliche Retro-Einflüsse bemerkbar. So wirken gerade die Gitarren der Melodie entgegen, das Piano rückt diese jedoch zu jeder Zeit wieder in den Mittelpunkt. Ich halte das für gelungen. Man könnte auch meinen, dass man sich im beabsichtigten Stil nicht einig geworden ist. Das halte ich für zu oberflächlich. Vergessen wir nicht, dass es sich im weiteren Sinn um progressiven Rock handelt. Und genau das vollzieht die Band par excellence, denn 'Rock' spielt hier eine nicht unerhebliche Rolle und bildet die Grundlage für jegliche Einflüsse.
Es gibt in der Tat Abwechslung. So kommt das Instrumental "Skeletons At The Feast" recht hart rüber. Der Groove bewegt sich dabei in ziemlich einfach gehaltenen Noten und nimmt einen starken Drive auf. Darüber legen sich die Tasten, die zusammen mit der Solo-Gitarre ein Wechselspiel betreiben. "Is This Love" ist nichts anderes als ein 'Classic Rocker'. Der ist nicht schlecht, was er allerdings in diesem Gesamtkontext zu suchen hat, habe ich noch nicht rausgefunden. Und da nehme ich auch gleich eines vorweg. Die Nummer gehört hier meines Erachtens nicht her und passt immer noch nicht zu Spock's Beard. Bei aller Vorliebe für abwechslungsreiche Geschichten, wirkt der Song für mich störend und schmälert meinen guten Gesamteindruck.
"All That's Left" baut hingegen wieder eine recht düstere Atmosphäre auf und lässt dabei sehr angenehme Wechselgesänge der Akteure zu. Alan Morse überzeugt mich mit seinem Gitarrensound. Sehr warm werden die Solo-Läufe integriert und auch das Bassspiel versprüht eine tolle Rhythmik. Der Track sorgt darüber hinaus dafür, dass die Prog-Schemata nicht nervig werden, sondern man sich auch mal genussvoll zurück lehnen kann. Interessant ist es allemal.
Erster wirklicher Long-Track ist "With Your Kiss" mit knapp 12 Minuten. Dieser fängt ruhig und besinnlich an. Das Ganze wird schon sehr melodiös gehalten. Irgendwie habe ich das Bedürfnis, den Regler einfach etwas vorzuziehen. Das bedeutet, dass ich die Chose etwas langatmig finde. Allerdings hören wir im weiteren Verlauf auch mächtige und straighte Rockrhythmen, die ohne Zweifel an die 70er Jahre angelehnt sind. Ungefähr bei Minute sieben befindet man sich dann endgültig im Classic Rock mit hymnenartigen Gemeinschaftsgesängen und einem 'Roll over the Toms'. Und schließlich geht das Thema wieder in seichte Gefilde über. Mann kann schon fast balladeske Töne hören.
Mit "Sometimes They Stay, Sometimes They Go" begibt sich die Formation dann in bluesiges Fahrwasser, hinzu kommt eine Portion harter Rock. Immer wieder hat man das Gefühl, dass die Jungs eine Hommage an die Großen abliefern wollen. Aber welche? Die des geradlinigen Rocks? Ja, Spock's Beard sind erstklassige Rocker, auch ohne Stimme eines Robert Plant, aber ich hätte wahrlich nicht geglaubt, dass die Band es auf ihrem neuen Album so exzessiv ausleben. Langsam und schleppend ist "The Slow Crash Landing Man". Nicht besonders einfallsreich, was allerdings erneut hörenswert ist, ist die Gitarrenarbeit.
Wenn man sich "Wherever You Stand" anhört, will man endgültig nicht mehr glauben, dass wir hier ein Werk von einer Band vorliegen haben, die damals mit Mastermind Neal Morse zu einer der wichtigsten und einflussreichsten Prog-Acts avancierte. Sie spielen Musik, die man eher von Deep Purple erwarten würde. Sie sind dabei allerdings so groovy und heavy, wie man es sich von den großen Veteranen des Rock wünschen würde. "Hereafter" ist eine lupenreine Ballade. Gesang und Piano lassen Ruhe einkehren und gespannt lauscht man den einfühlsamen Tönen. Gott, wie würde das wohl klingen, wenn sich Freddie Mercury der Sache nochmals annehmen könnte. Der Song ist schön und hätte eigentlich eine Chance auf jeder Musical-Bühne verdient.
Das letzte Drittel eröffnet mit einem weiteren Longplayer, der sich in vier Parts aufteilt. Zu Beginn gibt es mehr oder weniger melodischen Rock. Das klingt schon geil und ist auch über jeden Zweifel erhaben. Aber auch das hat nicht das Geringste mit progressiver Musik zu tun. Zwischendrin wird es still und atmosphärisch, die Bassläufe sind imposant, während sich die Gitarre weitestgehend aus dem Geschehen heraus hält. Die Combo hat Ideen, immer noch. Denn der Part 2 ist jazzig-rockig, groovy mit vielen Percussions, Tasten und herrlichen Breaks. Part 3 wird hingegen sogar poppig und findet sich maximal im leichten Rock wieder. Dazu Chöre im Refrain. Das Stück geht in Part 4 über, der das Tempo anzieht. Ausgedehnte Synthie-Läufe stehen im Rampenlicht, orchestrale Passagen sind ebenfalls vorhanden. Nochmals fällt die ausgezeichnete Bass-Arbeit von Dave Meros auf. Spock's Beard sind bekanntermaßen eine sehr gute Live-Band, woran er maßgeblichen Anteil hat.
Den Abschluss bildet das sechsminütige "Rearranged", welches bei mir noch einmal sehr positiv ankommt. Die Gitarren sind stellenweise brachial und unterbrechen die ansonsten herrschende Ruhe. Nach hinten raus wird es treibend und recht hart und Spock's Beard rocken noch einmal sehr solide ab.
Nun das Fazit:
Auf der einen Seite bin ich ein wenig enttäuscht, so wenig progressive Einflüsse auf dem neuen Album zu entdecken. Ich hätte nicht geglaubt, dass die Band so in ihren Kompositionen vorgehen wird. Das bedeutet aber nicht, dass diese Platte mit wenig Einfällen aufwartet. Nein, ganz im Gegenteil. Für Abwechslung ist wirklich gesorgt. Viele Passagen lassen mich zu der Überzeugung kommen, dass diese Musik in den 70ern richtig abgefeiert worden wäre. Und an die Fans aus dieser Zeit richtet sich meines Erachtens auch dieser Silberling. Ich halte auch nichts davon, alten Zeiten mit Neal Morse nachzutrauern, denn gerade der wird meines Erachtens sehr oft überbewertet.
Man höre sich nur dessen letztes Solo-Album ? an. Aber das ist meine persönliche Meinung. Man wird sich wohl daran gewöhnen müssen, dass Spock's Beard sich gemeinsam dazu entschlossen haben, klassische Rockmusik zu spielen, die sich jedoch auf einem sehr gutem Niveau befindet. Betrachtet man dies also als ein solides Rock-Album, dann geht es richtig gut zur Sache. Den Status einer derzeit bestimmenden Prog-Band können Spock's Beard so nicht mehr lange halten. Beim nächsten Mal neige ich sogar dazu, das Element Retro Prog zu streichen. Diesmal gibt es davon noch einzelnen Nuancen, viel mehr ist es aber auch nicht.
Die Produktion ist absolut erstklassig und macht auf der Anlage richtig Spaß. Alles sehr differenziert, klar und deutlich. Über die Aufmachung kann ich als Inhaber der Promo keine Aussage treffen, ich gehe aber davon aus, dass InsideOut bekanntermaßen für einen sauberen und imposanten Auftritt sorgen wird.
Im Ergebnis also sehr gut, allerdings fordert es den kritischen Hörer auf, vom starrsinnigen Prog-Gesuche ein wenig weg zu kommen und sich voller Toleranz einfach guter, stellenweise brillanter, Rockmusik hinzugeben. Den Totalausfall von "Is This Love" vergessen wir dabei mal besser.
Line-up:
Dave Meros (bass, sitar, keyboards, vocals)
Ryo Okumoto (keyboards, vocals)
Alan Morse (guitars, cello, vocals)
Nick D'Virgilio (lead-vocals, drums, guitars, bass)
Tracklist |
01:On A Perfect Day (7:47)
02:Skeletons At The Feast (6:33)
03:Is This Love (2:51)
04:All That's Left (4:45)
05:With Your Kiss (11:46)
06:Sometimes They Stay, Sometimes They Go (4:31)
07:The Slow Crash Landing Man (5:47)
08:Wherever You Stand (5:09)
09:Hereafter (5:01)
As Far As The Mind Can See
10:Part 1: Dreaming In The Age Of Answers (4:49)
11:Part 2: Here's A Man (3:28)
12:Part 3: They Know We Know (3:18)
13:Part 4: Stream Of Unconsciousness (5:23)
14:Rearranged (6:07)
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