Miljenko Matijevic ist zurück! Was ich im Review zur hierzulande erst kürzlich erschienenen DVD Still Hard schon andeutete, ist jetzt Wirklichkeit geworden und liegt im schmucken Digi-Pack auf meinem Schreibtisch. Das Cover ist schlicht in hellem Grau gehalten, wartet darüber hinaus aber mit einer schönen Prägung auf. Streicht man mit dem Zeigefinger darüber, kann man den Bandnamen, das aktuelle Logo sowie den plakativen Albumtitel erfühlen. "Good 2B Alive" - ja, wie auch sonst hätte das Comeback-Album des stimmgewaltigen Amerikaners kroatischer Herkunft getauft werden sollen?!
Wer die Vorgeschichte kennt, den wundert diese Namensgebung also nicht. Allen anderen sei gesagt, dass Steelhearts Hochphase schon 16 bis 18 Jahre zurückliegt. Anfang der 1990er Jahre konnten Miljenko Matijevic und seine Mannen mit ihrem gleichnamigen Debüt (1990) sowie dem Nachfolger "Tangled In Reigns" (1992) große Erfolge feiern, bevor der Grunge sich anschickte, ein ganzes Genre zu begraben. Im Falle Steelhearts kam Matijevic diesem Schicksal jedoch zuvor, als er bei einem Konzert in Denver, Colorado, auf eine unzureichend gesicherte, 1000 Pfund schwere Lichttraverse kletterte, die daraufhin über ihm zusammenbrach. Der Sänger überlebte diesen Unfall glücklicherweise, wenn auch schwer verletzt, wurde durch die Folgeerscheinungen jedoch über mehrere Jahre außer Gefecht gesetzt.
Nach einem zaghaften Comeback-Versuch mit dem Album "Wait" im Jahre 1996 (das damals allerdings nur in Asien erschien), den Beiträgen zum Film "Rock Star" (2001) sowie der DVD "Still Hard" (ursprünglich 2006 erschienen) gibt es nun also endlich ein neues Lebenszeichen von Steelheart bzw. Miljenko Matijevic. Und nach dieser Vorgeschichte muss es sich wahrlich gut anfühlen, am Leben zu sein!
Eins sei vorweg jedoch gleich angemerkt: Mit der alten Band hat diese Reinkarnation rein gar nichts mehr am Hut. Steelheart ist vielmehr zur Ein-Mann-Show geworden. Es ist zweifellos das Baby von Matijevic, der auf "Good 2B Alive" zahlreiche Musiker um sich geschart (von der alten Band ist niemand mehr dabei) und das komplette Songwriting sowie die gesamte Produktion selbst übernommen hat.
Wer Steelheart kennt, der weiß, dass mit diesem Namen eine ganze Epoche des Hard Rocks verbunden ist. Wie ich weiter oben bereits andeutete, zerstörte das Aufkommen von Grunge und Alternative Rock Anfang der 1990er Jahre eine ganze Szene: Sleaze-, Glam- bzw. Hair Metal waren schlagartig tot, Bands passten sich, oft halbherzig, musikalisch an oder verschwanden gänzlich in der Versenkung. Jedoch ist von diesem typischen 1980er Hard Rock-Flair bei Steelheart anno 2008 kaum noch etwas zu spüren. Matijevic bemüht sich, "Good 2B Alive" zeitlos rockig klingen zu lassen und würzt das Album dann und wann mit einigen progressiven Elementen. Wer also mit einer nahtlosen Anknüpfung an bzw. Rückbesinnung auf die frühen 1990er rechnet, der wird wohl eher enttäuscht werden von dieser Scheibe. Aber sagen wir es doch einfach mal ganz deutlich: Mit Sleaze und Hair möchte Matijevic dieser Tage, ähnlich wie Sebastian Bach, nichts mehr zu tun haben.
Stattdessen fährt er eine zeitlose Schiene. Das facettenreiche Material klingt ausgereift und ist intelligent arrangiert. Da und dort tragen orchestrale Elemente sowie Stimmungswechsel zu Vielschichtigkeit und Tiefe bei, während es im härteren Bereich massig Druck und Punch gibt - all das macht gleich der großartige Opener "Samurai" deutlich. Allgemein regiert also eine Melange aus klassischem 1970er Hard Rock, angereichert mit modernen Soundtüfteleien und sphärisch-progressiven Versatzstücken. Alte Steelheart hört man zu keiner Sekunde mehr heraus, das hier ist Frischzellenkur pur!
Auch was den charakteristischen Gesang angeht, sind Veränderungen aufgetreten. Matijevics Stimme ist mit der Zeit gereift wie ein guter Wein und klingt durchweg erwachsen. Vom früheren Sirenengesang ist glücklicherweise nicht mehr allzu viel übrig geblieben, was den Ohren des ein oder anderen Hörers sicherlich ganz gut tun wird, was aber auch zum aktuellen musikalischen Kontext wunderbar passt. Natürlich wäre Matijevic nicht Matijevic, wenn er da und dort doch noch mal in stratosphärische Tonlagen abdriften würde, nur um allen zu zeigen, dass er es immer noch kann. Von solch kurzen Ausbrüchen mal abgesehen geht es im Großen und Ganzen aber moderater zur Sache.
Fazit: Wer Steelheart bisher mochte und vor allem auf Bandklassiker wie "I'll Never Let You Go (Angel Eyes)", "Everybody Loves Eileen", "She's Gone" oder "Sticky Side Up" abfährt, der sollte "Good 2B Alive" vor dem Kauf lieber einige Durchläufe gönnen. Eins ist jedoch sicher: Das Stahlherz pumpt wieder, und das stärker als erwartet! Das neue Gewand steht Miljenko Matijevic ausgesprochen gut, so dass man ihm guten Gewissens attestieren kann, Steelheart gebührend ins Hier und Jetzt gerettet zu haben. Auf eine Lichttraverse wird der Mann so schnell hoffentlich nicht mehr steigen, damit diesem genialen Comeback-Streich weitere Glanztaten folgen können. Einzig dämlich-hippe, moderne Songtitel wie "LOL" (steht in der Chat-Sprache für 'laughing out loud'), "You Showed Me How 2 LV" oder der Titeltrack stören den positiven Gesamteindruck etwas, denn solcherlei Anbiederung an jüngere Generationen ist doch nun wirklich nicht nötig...
Anmerkung: Die hinten auf der CD-Hülle aufgedruckte und daher auch hier aufgeführte Trackliste stimmt mit der eigentlichen Reihenfolge nicht ganz überein. Die Songs "Shine A Light For Me" und "I Breathe" sind leider vertauscht worden.
Line-up:
Miljenko Matijevic (all vocals, guitars)
Uros Raskovski (guitar - #05)
Mike Humbert (drums)
Sigve Sijersen, Rev Jones (bass)
Edward Roth (keyboards)
Barbara Christman (string composer & conductor)
Joseph Edelberg, Jenny Bifano, Alice Talbot, Karen Shinozaki, Cary Koh, Anna Matijasic (violin)
Linda Ghidossi-Deluc, Don Erlich (viola)
Joseph Hebert, Devon Malone (cello)
Tracklist |
01:Samurai (5:32)
02:LOL (4:03)
03:Buried Unkind (4:55)
04:Twisted Future (5:11)
05:Shine A Light For Me (6:00)
06:I Breathe (4:21)
07:Underground (4:45)
08:You Showed Me How 2 LV (6:07)
09:Good 2B Alive (Orch.) (5:52)
10:G2BA (5:24)
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