Stephan Scheuss / One Pure Soul
One Pure Soul Spielzeit: 55:08
Medium: CD
Label: Ozella Music, 2010
Stil: Singer/Songwriter

Review vom 04.09.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Natürlich kennt man "New York, Rio, Tokio" von Trio Rio. Dass es mit einem der Akteure ein Wiederhören gibt, hätte ich im Traum nicht gedacht. Der siebenundvierzigjährige Musiker Stephan Scheuss stammt aus Leverkusen und hat, nachdem er, was Musik angeht, ganz traditionell aufgewachsen ist, auch in Bands wie Purple Schulz, Vocaleros (a cappella-Gruppe) und bei The Brilliant Mistake mitgewirkt. Still Lazy After All These Years war eine Live-Combo mit Anne Haigis. Ganz aktuell heißt seine Band Phier, die in NuJazz/Soul macht und als Solokünstler ist "One Pure Soul" das momentane Motto.
Diese Platte ist ein echtes Überraschungspaket und 'Solokünstler' ist hier wörtlich zu nehmen. Scheuss an der akustischen Gitarre sowie am Gesangsmikrofon »- und ein paar kleine Overdubs.« Unter den dreizehn Titeln befinden sich drei Eigenkompositionen.
Zu den zehn Coversongs fällt mir eine Aussage von Gustav Mahler ein: »Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten.«
Was Scheuss aus den Vorlagen macht, ist herausragend. Ob bekannt, schon einmal gehört oder völlig unvertraut mit den Songs, die der Gitarrist und Sänger uns hier präsentiert ... die Tracks sind es Stück für Stück und Sekunde für Sekunde wert, genossen zu werden. Mit seinen sehr gut eingesetzten Vokalverfremdungen gibt er den Interpretationen einen letzten Feinschliff. Zum Teil kommt Scheuss mit einer Akrobatik in den Stimmbändern daher, als sei ein Al Jarreau am Werke. Hier passen alle Puzzleteile ganz geschmeidig zusammen und formen ein von vielen unterschiedlichen Stimmungen geprägtes Bild und alles ist original Scheuss.
Ganz gleich, wen oder welchen Song er sich vorgeknöpft hat, "One Pure Soul" ist zum Erfolg verdammt. Hinzu kommt noch, dass er bei der Songauswahl querbeet vorgegangen ist. Der Protagonist meint, dass er einige seiner Favoriten aus dem Soul und anderen Genres hergenommen hat. Dabei erweist sich die Kollektion als sehr vielseitig. Der Streifzug mit Songs von zum Beispiel den Beatles ("Baby You Can Drive My Car"), Isley Brothers ("Harvest For The World"), Michael Sembellos und Dennis Matkoskys "Maniac" aus "Flashdance" oder Smokey Robinsons "The Tears Of A Clown" ist äußerst individuell gestaltet. Man muss dem Künstler ein sehr hohes Maß an Fantasie zugestehen, denn sonst könnte es nicht zu solchen Lesungen kommen. Oder sollte man besser von Souveränität sprechen. Ja, man braucht einen gewissen Abstand zu den Liedern, um sie in Scheuss' Art in neue Gewänder zu stecken, so meine ich.
Neben dem Gespür, durch Schwingungen des Hörers Glückshormon aus dem Hinterzimmer zu locken, ist der Mann ein Meister an der Gitarre. Wird die akustische Reise durch die dreizehn Tracks angetreten, ist man auch noch von seiner herausragenden Stimme fasziniert. Die gezogenen Gesangsregister gehen bis zum Falsett.
Vornehmlich serviert Scheuss die Coversongs in allen möglichen Spielarten des Jazz. Prägenden Eindruck hinterlassen nach meinem Geschmack besonders "Maniac", "The Tears Of A Clown" und die Marvin Gaye-Nummer "What's Going On". Jaja, die besten Dinge spart man sich bis zum Schluss auf. Da kommt es dann nochmals zu einem Rohdiamanten, der Scheuss' musikalische und gesangliche Fähigkeiten zusammenfasst. Der gesamten Chose setzt er auch noch eine gehörige Portion Selbstverständlichkeit oben drauf. Auch wenn ich meine persönlichen Highlights benannt habe, sind alle anderen Coversongs hinreißend gut.
Die eigenen Kompositionen kuschen sich prächtig an die Auslassungen zu den anderen Stücken. "No Blues" (der Text stammt von Amy Antin) hat dann doch das Feeling des 12-Takters und groovt ganz klasse und stimmlich bringt Scheuss eine Trompete mit Dämpfereinsatz zu Gehör. Zumindest treibt er meine Vorstellungen in diese Richtung.
Bei dem Sound der Platte ist es fast unglaublich, wenn man auf der Jewelcase-Rückseite liest: »Recorded by Stephan Scheuss @Home ...« Nachdem mich Edgar Knecht und sein
Good Morning Lilofee mit anderen musikalischen Vorlagen begeistert hat, zieht Stephan Scheuss als Alleinunterhalter gleich. Welch ein herrliches Album! Diesem Künstler gehört Beachtung und wenn es sich ergibt, sollte man sich über seine Tourtermine informieren. Wer eine solch herausragende Platte zuhause auf die Beine stellen kann, muss live zu einem Überzeugungstäter werden, ohne dafür auf der Anklagebank zu laden. In diesem Sinne: "One Pure Soul" ist Futter für die Sinne. Um es mit einer Zeile aus dem Richard Rogers/Lorenz Hart-Song zu halten ... »each day is valentines day « bei diesem Album.
Line-up:
Stephan Scheuss (vocals, acoustic guitars, vocal efx)
Tracklist
01:Baby You Can Drive My Car (3:53)
02:Drowning In The Sea Of Love (4:21)
03:Everytime (2:51)
04:Harvest For The World (6:10)
05:Help The Poor (4:04)
06:Just Go (3:48)
07:Maniac (4:37)
08:Reason To Move (3:50)
09:My One And Only Love (4:09)
10:My Funny Valentine (3:59)
11:No Blues (3:16)
12:The Tears Of A Clown (4:49)
13:What's Going On (4:58)
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