Mit "Hart am Wind" wollen wir uns nun dem 'Schwesterschiff' des Geisterschiffes widmen - dem zweiten Teil von Stiers Doppelveröffentlichung also, die in genau diesen Tagen erscheinen wird.
Das "Geisterschiff" besitzt weit mehr als den Charakter einer 'schnöden Bonus-CD'. Neue und alte Songs werden in überaus eigenständigen, teilweise akustischen Versionen interpretiert. Allerdings erscheint mir "Hart am Wind" die Produktion zu sein, die den Stier beherzter an den Hörnern packt. Die See ist rau - der Wind stürmisch, durch den dieser 'Schoner' stampft. Diese 'gesunde Härte' schließt jedenfalls passgenau am Vorgänger, Reden, an.
Dessen ungeachtet glaubt man jedoch, "Hart am Wind" einen deutlich wahrnehmbaren Progress anzumerken. Die Kompositionen wirken in sich geschlossener - der Spannungsbogen ist von der eröffnenden Powerballade "Jeden Tag hinaus" bis zum still ausklingenden Liebeslied "Der Morgen" straff gespannt. Dazwischen wird sich geschickt der gesamten Partitur von brutal hartem ("Wonderworld") über einschmeichelnd-eingängigen Rock ("Mein Gott") zur druckvollen Halbballade ("Der Frost"), von energiegeladenem Metal ("Keine Zeit") über rüpelhaft-punkige Einschübe ("Mein Schatz") bis zur lyrischsten Ballade ("Der Morgen") bedient.
Diese breitfächrige Mixtur passt hörbar perfekt zum charismatischen Organ des Namenspatrons, der - seiner hünenhaften Figur scheint es geschuldet - über einen gewaltigen 'Resonanzkörper' verfügt. Mal füllt er mit dröhnendem Bass alle musikalischen Räume zum Platzen aus - mal schluchzt er vom Leben trübsalgeplagt leise auf. Kollers knallhartes Gitarrenspiel wird dabei nur zu gerne mal von Steinbergs filigranen Synthesizerfiguren konterkariert. Die kompakt-druckvolle Rhythmusfraktion fungiert zumeist als stabiles Bindeglied zwischen diesen Gegensätzen. Dass die allzu häufigen punkigen Ausflüge des vormaligen Gitarristen Lee C. Pinsky bei "Hart am Wind" auf ein Minimum zurückgefahren wurden, schadet dem in sich geschlossenen Gesamteindruck keineswegs - im Gegenteil!
Hitpotenzial hat so manches der dreizehn Stücke neben der ersten Single "Jeden Tag hinaus", die sich bereits seit Anfang März munter im Radio dreht, ist dies vor allem der knallige Rocker "Rauhaar". Eine Hommage an diesen munteren, kurzbeinigen Jagdbegleiter von Karl, dem Präsidenten des Dackelclub KTC in der TV-Satire "Hausmeister Krause" - »Die ganze Dackelrotte: Sitz!!« Geschrieben wurde der Song übrigens von Fans der Kultserie. Der Titelsong ist ein weiterer potenzieller Radiokandidat - der hymnische Charakter von "Nachtschicht" dürfte Metal-Fans glücklich mitgrölen lassen.
Meine Favoriten sind allerdings die Powerballade "Der Frost", das zartbittere "Der Fenstergucker", beide Stücke mit unverhohlener Gesellschaftskritik nur so gespickt, und natürlich das düstere "Schwarz". Also eher die Songs, die im ruhigeren Fahrwasser schippern...
Aber lassen wir mal die persönlichen Vorlieben außen vor: "Hart am Wind" glänzt vor allem durch seine kompakte, musikalische wie textliche Dichte und die geschickte Zusammenstellung der dreizehn Stücke, die mit Dramatik und Harmonie spielen, dabei aber durchgängig den Spannungsbogen straff haltend.
"Hart am Wind" ist bis dato das überzeugendste Album der Stiere - und dies vom ersten bis zum letzten Ton. Freunde von anspruchsvollem Deutschrock sollten hier dringendst mal ein, zwei Ohren 'riskieren'...
Line-up:
H. Martin Stier (Gesang)
Charlie Steinberg (Gitarre, Keyboards, Knöpfe, Gesang)
Peter Koller (Gitarre, Gesang)
Walter 'Diesel' Stöver (Bass)
Tom Günzel (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Jeden Tag hinaus (4:47)
02:Wonderworld (4:19)
03:Geisterschiff (3:21)
04:Mein Gott (3:46)
05:Der Frost (3:01)
06:Rauhaar (3:24)
07:Mein Schatz (3:41)
08:Der Fenstergucker (3:10)
09:Keine Zeit (3:49)
10:Schwarz (4:20)
11:Vampire (3:09)
12:Nachtschicht (2:55)
13:Der Morgen (1:51)
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