"Regeneration" - das klingt nach Entspannung, Erholung. Wovon müssen Styx sich fast 40 Jahre nach Erscheinen des Debüts erholen?
Man könnte meinen, vom anstrengenden Prozess des Song Schreibens, denn seit der wirklich großartigen "Cyclorama" (2003) gab es nur Recycling:
Egal ob Live-CDs, Coverversionen ( Big Bang Theory)
oder Aufbereitung alter Songs zusammen mit einem Orchester: One with Everything: Styx and the Contemporary Youth Orchestra.
Sachen, die anscheinend fast jede größere Band mal machen muss. Zwar längst nicht mehr originell, aber im Falle von Styx recht gut gelungen. Dennoch bleibt dabei immer ein fader Beigeschmack von Einfallslosigkeit und Wiederverwerten. Fan wünscht sich doch auch mal neues Material - oder sehe nur ich das so? Zumal die "Cyclorama" wirklich die Hoffnung weckte, die Zeiten der Turbulenzen und Krisen wären vorbei und es gäbe so etwas wie eine Wiedergeburt der Band, die ich früher und auch darauf wieder für ihr Songwriting schätz(t)e.
"Regeneration" bedeutet, dass es 2011 wieder (fast) kein neues Material gibt, sondern erneut eine Retrospektive. Tja, dann wird dieses Review hauptsächlich die Vergangenheit Revue passieren lassen…
1972 erschien das Debüt, es folgten "Styx 2", "The Serpent Is Rising" und "Man Of Miracles". Hörenswerte Scheiben, wenngleich nicht so eingängig und kommerziell erfolgreich wie später. Empfehlenswert ist die CD-Veröffentlichung "The Complete Wooden Nickel Recordings", die alle vier in remasterter Qualität enthält. Leider hat es kein Lied aus dieser Phase auf "Regeneration" geschafft, wirklich schade, mag aber an rechtlichen Problemen liegen oder an der Besetzung.
"Equinox" - kalendarisch der Tag ab dem im Frühjahr die Tage länger als die Nächte werden und im Herbst umgekehrt, markierte auch in der Geschichte von Styx eine Art von Wendepunkt. Es war die erste LP auf dem neuen Label A&M Records und zugleich die letzte mit John Curulewski.
Mit dem symbolträchtigen "Crystal Ball" stieß Tommy Shaw auf der gleichnamigen Scheibe hinzu.
Danach begann die goldene Zeit des Erfolges und der Hits. "The Grand Illusion" und "Pieces Of Eight" sind meiner Meinung nach die Highlights der Bandgeschichte, wobei letztgenannte die (hard-)rockigere der beiden ist. Kein Wunder, dass acht von sechzehn Tracks auf "Regeneration" aus dieser Phase stammen, während der (für mich enttäuschende) Nachfolger "Cornerstone" gerade mal mit "Boat On The River" vertreten ist, welches seltsamerweise in deutschsprachigen Ländern wesentlich beliebter war als in anderen. Verstehe ich bis heute nicht, denn gerade das folkige Element darin finde ich so reizvoll.
"Paradise Theater" dagegen ist mit zwei Songs vertreten, wobei ich mir als dritten "Half-Penny, Two-Penny" gewünscht hätte. "Kilroy Was Here" hingegen wurde gar nicht bedacht, was mich allerdings nicht wundert, markierte doch dieses Werk von 1983 den Höhepunkt in Bezug auf Konzept und Bühnenshow, erstickte jedoch gleichzeitig alles an Kreativität, was sich dem nicht unterordnen wollte. Schon damals fragte ich mich, wie es danach weiter gehen sollte.
Erst einmal gar nicht… war leider die Antwort. Es erschienen Soloscheiben der drei Hauptsongwriter Dennis DeYoung, James Young und Tommy Shaw. Letzterer formierte 1989 zusammen mit Ted Nugent und Jack Blades ( Night Ranger) die Damn Yankees, eine Band, die sich zwar musikalisch unterschied, doch im Prinzip auf der gleichen Basis funktionierte wie Styx: die Zusammenarbeit von drei Sängern/Musikern/Songschreibern. Diese 'Supergroup' traf dann auch noch den Nerv der Zeit und konnte sich nicht über mangelnden Erfolg beklagen.
Der Rest von Styx versuchte mit der "Egde Of The Century" dagegen zu halten, was zwar verkaufstechnisch funktionierte, aber (mich) nur stellenweise überzeugte. So sind dann auf "Regeneration" keine Songs von dieser Scheibe enthalten, wohl aber zwei von Damn Yankees (wobei ich da andere bevorzugt hätte, z.B. "Runaway" oder "Someone To Believe".)
Danach war erst einmal wieder Pause, bis man sich bei der Beerdigung von John Panozzo traf, der 1996 an Leberzirrhose starb. Danach erschien die Live-Doppel-CD "Return To Paradise", die auch einzelne neue Tracks enthielt. Die erste gemeinsame Studio-CD war "Brave New World", obwohl diese eher zerrissen als gemeinsam wirkte, zwischen Dennis DeYoung auf der einen Seite und James Young und Tommy Shaw auf der anderen war eine hörbare Kluft.
So war ich dann nicht weiter verwundert als bei der ersten Deutschland-Tour seit 19 Jahren im Jahre 2000 ein anderer Keyboarder und Bassist (bei Chuck lag es allerdings an gesundheitlichen Gründen) auf der Bühne standen. Diese Besetzung wirkte lebendig und vermittelte Spaß an der Musik. Als dann die "Cyclorama" mit den gleichen Leuten diesen Effekt auch auf CD wiederholen konnte, dachte ich, dass es zwar nicht mehr so wie früher ist, sondern eher ein Neuanfang sozusagen als 'Styx 2.0' der beiden Gitarristen.
Doch wie oben bereits erwähnt wurde meine Hoffnung enttäuscht. Auch "Regeneration" ändert daran nichts, ist es doch nichts weiter als ein Sampler mit Neueinspielungen der früheren Hits, quasi als 'Styx 2.0'-Versionen. Die Auswahl ist zwar wirklich gut, aber…
Halt, etwas ganz Neues gibt es doch: "Difference In The World", ein recht ruhiges Stück. Nett, mehr aber nicht.
Was bleibt ist die Frage: Werden die Herren sich bald genug regeneriert haben und endlich wieder eine richtige CD herausbringen? Oder kommt nach "Regeneration" die Rente?
Jetzt habe ich es tatsächlich geschafft, einen langen Text über eine 'Recycling'-CD zu schreiben - muss sich die 'grüne Ader' auch auf die Musik erstrecken? Auf der Homepage stehen doch sinnvollere Ideen…
Oder ist die Kreativität schon längst mit Fährmann Charon über den Fluss Styx in den Hades gefahren?
Los! Beweist mir das Gegenteil - oder muss ich erst einen Sack Karotten spendieren?...
Line-up:
James 'J.Y.' Young (guitar, vocals)
Tommy Shaw (guitar, vocals)
Chuck Panozzo (bass on #2)
Todd Sucherman (drums)
Lawrence Gowan (keyboard, vocals)
Ricky Philips (bass, vocals)
Tracklist |
CD 1:
01:The Grand Illusion [The Grand Illusion]
02:Fooling Yourself (The Angry Young Man) [The Grand Illusion]
03:Lorelei [Equinox]
04:Sing For The Day [Pieces Of Eight]
05:Crystal Ball [Crystal Ball]
06:Come Sail Away [The Grand Illusion]
07:Difference In The World [neu] |
CD 2
01:Blue Collar Man (Long Nights) [Pieces Of Eight]
02:Miss America [The Grand Illusion]
03:Renegade [Pieces Of Eight]
04:Queen Of Spades [Pieces Of Eight]
05:Boat On The River [Cornerstone]
06:Too Much Time On My Hands [Paradise Theater]
07:Snowblind [Paradise Theater]
08:Coming Of Age [Damn Yankees]
09:High Enough [Damn Yankees] |
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Externe Links:
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