Wenn das Thema 'Progressive Rock' aus Hamburg thematisiert wird, dann spielen auch Sylvan eine der tragenden Rollen. Aber ob es sich nun bei einer Stilrichtung um Prog handelt oder nicht, das ist so was von langweilig und vor allen Dingen unwichtig. Sylvan haben auf alle Fälle im vergangenen Jahr mit dem Konzeptalbum Posthumous Silence eine Scheibe vorgelegt, die in vielen Kreisen einen positiven und nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatte und für viele zum Album 2006 avancierte.
Für mich gehören die Jungs in die Sparte 'New Artrock', eine stimmungsvolle und zugegebenermaßen eingängige Musik, die in der Regel von einer eher düsteren und spannungsgeladenen Atmosphäre getragen wird. Die neue Scheibe darf keinesfalls als ein Überbleibsel von "Posthumous Silence" bezeichnet werden. Dazu könnte man nämlich neigen, wenn man weiß, dass der überwiegende Teil der Kompositionen zur gleichen Zeit wie der erfolgreiche Vorgänger entstanden ist. Nein, die Band hatte von Anfang an angekündigt, die Musik für zwei Alben gleichzeitig zu schreiben. Also, das Wort wurde gehalten und jetzt haben wir den Nachfolger "Presets" vorliegen.
Was ist anders? Klar, es handelt sich nicht um ein Konzeptalbum, sondern die Spieldauer der einzelnen Songs ist deutlich kürzer und der thematische Inhalt ist nicht unbedingt zusammenhängend. Betrachtet man den beigefügten Waschzettel, dann sei der Hinweis erlaubt, dass Sylvan schon immer vom klassischen Prog so weit entfernt waren wie der entlegendste Stern in der Galaxie von der Erde. Viel mehr fand man sich zur meisten Zeit im Bereich des melodischen, von symphonischen Klängen getragenen, Prog wieder. Und da befinden sich Sylvan jetzt auch wieder.
Der Opener "One Step Beyond" beginnt mit dezenten Synthieklängen und der Bass von Sebastian Harnack legt den Grundsein für den folgenden Rhythmus. Das wummert ordentlich aus den Boxen und auch die Drums haben einen durchdringenden Sound. Sylvan drehen im nächsten Moment in gewohnter Manier auf und es ist unverkennbar, dass die Stücke zur gleichen Zeit wie "Posthumous Silence" entstanden sind. Marco Glühmann ist in entsprechenden Kreisen mehr als anerkannt und auch hier hören wir allseits bekannte und klagende Gesänge. Und auch die stimmungsvollen, ruhigen Passagen sind typisch und sehr hörenswert.
Im Grunde genommen gilt etwas Ähnliches für den Folgetrack "Signed Away". Misst man die Band an der Eingängigkeit ihrer gewählten Melodien, dann wird einem sehr schnell klar, dass wir uns bei einer der aufstrebendsten und talentiertesten deutschen Rockbands befinden, die Mut zu Effekten hat, wie man sie im Mainstream nicht entdecken kann. Ich teile nicht die Meinung einiger Kritiker, dass Sylvan hier einen Weg verlassen haben, der sie im Bereich des progressiven Rocks in jüngster Vergangenheit zu einem der größten Hoffnungsträger gemacht hatte.
Und doch räume ich gerne ein, dass ein Stück wie "For One Day" absolut nichts mit dem zu tun hat, was wir von der Band an sich erwarten. Aber deswegen kann man auch nicht behaupten, dass dies schlecht ist. Hier gibt es keine Schnörkel und es gab Zeiten, da hätten andere große Bands mit so einer Nummer richtig eingeschlagen. Sehen wir es eben als etwas Abwechselung im sonst gewohntem Repertoire. Aber schon mit "Former Life" und "On The Verge Of Tears" sind wir wieder im Reich des zu Erwartenden und mit Letzterem wird ordentlich auf die Tränendrüse gedrückt.
Sylvan sind vor allen Dingen eine Band, die es versteht, live authentisch und mit noch einer Prise mehr Druck rüber zu kommen. Davon konnte ich mich im vergangenen Sommer auf der Loreley bei der Night Of The Prog selbst überzeugen. Um so mehr freue ich mich, auch die auf "Presets" gewählten Songs in einer anderen Atmosphäre zukünftig hören zu können.
"Heal" treibt allerdings einem eingefleischten Prog-Fan die Wut in die Augen, das ist melodischer Rock wie ich ihn persönlich auch nicht erwartet hätte. Also werden wir die Band mal fragen, was sie sich dabei gedacht hat. Denn ich denke schon, dass auch textlich und inhaltlich eine Menge hinter den Stücken steckt.
Ein besonderes Augenmerk verdient sicherlich auch das 12-minütige Titelstück am Ende des Albums. Sylvan bauen Stimmung und Spannung auf. Tragende Piano-Klänge und Hintergründe, die der Synthie liefert, ermöglichen der Gitarre Akzente zu setzen. Und auch die Bass- und die Beckenarbeit von Schlagzeuger Matthias Harder lassen aufhorchen. Da wird es stellenweise richtig heavy, ohne gleich in Gefilde des Hard Rock eingeordnet zu werden. Neben einer Spur von Aggression erleben wir über weite Strecken Düsternis, sowie sich ins Ohr fräsende Melodien.
Bleibt die Aufgabe, ein Fazit zu ziehen. Ohne große Worte zu machen komme ich zu dem Schluss, dass "Presets" nicht an "Posthumous Silence" reichen kann. Dafür haben sich die fünf Hamburger die eigene Messlatte zu hoch angelegt. Allerdings ist "Presets" sehr wohl eine gelungene Scheibe und die Promoter haben Recht, sich einem größeren Publikum zu öffnen. Es scheint so, als wenn man sich bewusst auf nicht zu vertrackte Arrangements verständigt bzw. geeinigt hat, und trotz allem passt dieses Album ins Gesamtkonzept von Sylvan, einer Band, die einen weiteren Schritt unternommen hat, um auf der Skala von deutschen Bands, die über dem Durchschnitt liegen, empor zu klimmen. Sind wir also gespannt, wie es weiter geht und nutzen die Möglichkeit, die Band auf einem der kommenden Festivals live zu erleben.
Line-up:
Marco Glühmann (vocals)
Matthias Harder (drums)
Sebastian Harnack (bass)
Kay Söhl (guitars)
Volker Söhl (keyboards)
Tracklist |
01:One Step Beyond (7:16)
02:Signed Away (4:29)
03:For One Day (3:49)
04:Former Life (7:13)
05:On The Verge Of Tears (3:28)
06:When The Leaves Fall Down (4:57)
07:Words From Another Day (2:26)
08:Cold Suns (4:27)
09:Hypnotized (4:01)
10:Heal (3:25)
11:Transitory Times (4:09)
12:Presets (12.42)
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