Eigentlich stand Tony Spinner musikalisch schon ganz obern unter den Top-Acts der Rockmusik, denn ab 1999 gehörte er als zweiter Gitarrist und Background-Sänger zum Stammpersonal von TOTO, mit denen er bis zum Split der Band im letzten Jahr mehrmals auf Tour war und für die er auch auf etlichen Live-Alben zu hören ist. Doch diese etwas seichteren Sounds waren wohl doch nicht die wahre Liebe des im Jahr 1963 in Cape Girardean, Missouri geborenen Musikers. Auch die Zusammenarbeit mit Pat Travers und Paul Gilbert waren noch nicht das Ziel seiner Wünsche. Tony Spinner wollte auch unter seinem eigenen Namen bei den Fans punkten.
So spielte er schon am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder Solo-Alben ein und ging ab 2001 mit der Tony Spinner Band in Europa und Nordamerika auf Tour, so oft es ihm seine anderen Verpflichtungen erlaubten. Inzwischen hat der Gitarrist/Sänger sechs Alben veröffentlicht und mit Michel Mulder (bass) und Han Neijenhuis (drums) zwei feste Partner gefunden, die musikalisch optimal zu ihm passen. So verlegte Tony Spinner seinen Wohnsitz in die Niederlande, um näher bei seinen Mitspielern zu sein und beackert nun von dort aus regelmäßig die europäischen Bühnen.
Und so langsam scheint sich die Mühe auszuzahlen. Das letzte Studio-Album Rollin' & Tumblin' (2007) und vor allem die aktuelle Live-Scheibe Live In Europe (unter anderem mit Mitschnitten aus der Bluesgarage!) belegen die hohe Qualität der Truppe. Die Tony Spinner Band scheint mit ihrem Mix aus Eigenkompositionen und Coverversionen von alten Klassikern, die aber allesamt einen ganz persönlichen Stempel aufgedrückt bekommen, genau den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, um sich in die Herzen der Fans zu spielen. Es wurde also höchste Zeit, sich die Gruppe mal live on stage anzusehen.
Für mich etwas ernüchternd an diesem Freitagabend war das Publikumsinteresse. Es klafften doch sehr große Lücken in der Bluesgarage, als die Band um 21.00 Uhr auf die Bühne kam. Gut, am Vorabend war Mick Taylor mit seinen Allstars in Isernhagen, aber das ist im Normalfall kein Hindernis für das sachkundige Musikvolk in Isernhagen und Umgebung. Na ja, sei's drum, vielleicht sollten die Fans sich mal etwas mehr bei RockTimes informieren, um dann in Erwartung eines guten Gigs zu Henry in die Garage zu pilgern. Die Tony Spinner Band hätte jedenfalls mehr Interesse verdient.
Die Musiker selbst schien das aber nicht weiter zu stören. Schon beim Soundcheck merkte man ihnen an, dass sie auf den Gig brannten. Voller Elan ließen sie die Instrumente aufjaulen und hatten schon nach kurzer Zeit den optimalen Sound gefunden. Dabei versprühten die Drei eine fast ansteckende gute Laune, die auch während des gesamten zweiteiligen Sets nicht nachließ. Ganz locker arbeiteten sie sich durch die ersten Songs und hielten sich dabei anscheinend an keine festgelegte Setlist. Tony, wie immer barfuß, reagierte ein ums andere Mal auf Songwünsche, was zur Folge hatte, dass ein Song wie "Turn It Up" schon ziemlich früh angestimmt wurde.
Schnell war jedem Besucher klar, dass Tony Spinner wirklich ein Meister seines Faches ist. Grundsolide reihte er ein Solo an das nächste, ohne sich aber in den Vordergrund zu drängen oder in endlose Frickeleien zu verfallen. Er ist eben nur ein Teil der Gruppe, nicht mehr und nicht weniger, und das macht die Band eben so stark. Mulder und Neijenhuis pumpten die Rhythmen kraftvoll aus den Boxen, sodass Tony keine Mühe hatte, seine Gitarren-Attacken perfekt darüber zu legen und immer wieder zu brillieren. Der Mann ist wirklich echt stark und das gleichermaßen mit Bottleneck oder auch am Wah Wah-Pedal. Außerdem ist er in fast allen Stilen zu Hause, denn das Konzert bot eine Mischung aus Funk, Rock'n'Roll und Blues (Rock).
Und trotzdem sprang der letzte Funke nicht immer über ins Publikum. Ob es daran lag, dass einige Songs durch viele Rhythmuswechsel etwas zu kompliziert angelegt waren und sich so selbst die Eigendynamik nahmen, oder einfach nur an der relativ geringen Zahl von Zuhörern, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls fehlte ab und zu die Gradlinigkeit, die das Publikum immer wieder begeistert. Lediglich beim Little Richard-Klassiker "Lucille" gingen die Fans mal etwas mehr aus sich heraus. Sonst wirkte die Stimmung auf mich irgendwie reserviert, was aber die Leistungen der Musiker auf gar keinen Fall schmälern soll. Schließlich kann man ja nicht bei jedem Gig total ausrasten…!
Wie schon erwähnt, spielen Coverversionen eine wichtige Rolle in der Setlist der Tony Spinner Band. Diesmal waren neben den alten Blueslegenden B.B. King, Leadbelly ("CC Rider") und Howlin' Wolf ("Killing Floor") auch ZZ Top ("Thunderbird") und natürlich Jimi Hendrix ("The Wind Cries Mary", "Spanish Castle Magic") mit dabei. Diese Songs hört man ja immer wieder gern, zumal sie durch die ausgedehnten Gitarrenattacken auch perfekt rüber gebracht wurden. Auch die Vocals vom Frontmann sind durchaus hörenswert und kommen zu jedem Song passend - mal rau, mal gefühlvoll, genau auf den Punkt.
Die Highlights dieses Konzertes aber waren für mich die Songs von Albert King, dessen Gitarrenstil Tony wirklich perfekt beherrscht. So steht für mich "Born Under Bad Sign" ganz oben in der Tracklist dieser Show. Hier hatte die Band wirklich den totalen Blues, allerdings nur im positiven Sinn. Hätte die Gruppe noch mehr von diesen Losgehnummern gebracht, dann wäre die gesamte Stimmung mit Sicherheit noch besser gewesen. Bei diesem Titel wurde der Lärmpegel an diesem Abend jedenfalls mal erheblich gesteigert.
Als wir kurz nach Mitternacht den Heimweg antraten, waren wir uns einig, dass wir soeben 160 (!) Minuten voller abwechslungsreicher und qualitativ hochwertiger Rockmusik erlebt hatten. Allerdings sind sympathisches Auftreten und unbändige Spielfreude immer noch nicht alles, um ein Konzert zu einem Super-Event zu machen. Wenn die Tony Spinner Band noch etwas mehr an ihrem Entertainment arbeitet und es dadurch schafft, das Publikum zu pushen, dann können zukünftige Shows zu wahrhaften Erlebnissen werden, bei denen die Fans so richtig Spaß haben und total abfeiern können. Ist diese Distanz verschwunden, so werden wir an dieser Gruppe noch sehr viel Freude haben. Natürlich müssten sich dazu auch wesentlich mehr Leute vor die Bühne verirren, als an diesem Freitagabend in der Bluesgarage.
Line-up:
Tony Spinner (guitar, vocals)
Michel Mulder (bass)
Han Neijenhuis (drums)
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