Barbara Thalheim / Immer noch Immer
Immer noch Immer Spielzeit: 51:10
Medium: CD
Label: pläne records, 2007
Stil: Kritisches Lied

Review vom 31.01.2007


Norbert Neugebauer
Deutsches Chanson in RockTimes?

Mit Verlaub!

Auch das.
Zugegeben, oft kommt uns eine solche CD nicht unter. Aber oft gibt es solche auch nicht und schon gar nicht von diesem Format. Barbara Thalheim ist eine der Wenigen, die das kritische, politische, aufmüpfige und anspruchsvolle Lied noch lauthals singt. Ihre selbstgeschriebenen Songs sind intelligent, bissig, aber auch amüsant. Und die trägt sie mit Schnauze, mit kehliger Stimme und mit großer Ausdruckskraft vor, eingebunden in abwechslungsreiche Arrangements. Teilsweise auf Volksliederbasis, als aggressiver Blues, als Foxtrott, als Walzer, als Musette, kammermusikalisch begleitet, aber auch mit durchaus aktuellen Zutaten, die wenn, dann aber gekonnt eingesetzt werden. So geht das, Herr Wader! An ihrer Seite, wie immer, Partner Jean Pacalet und eine beachtliche Schar von Begleitmusikern.
Barbara Thalheim, in Leipzig geboren, ist seit ihrer Kindheit in Berlin daheim (mit einem Zwischenaufenthalt in Paris), erst in Ost, dann in West und nun wieder in Ost. Keine Angepasste auf beiden Seiten, mit großen Erfolgen, aber auch Tiefschlägen, am sozialen Minimum und schwer krank. Sie hat von Klassik bis Rock alles hinter sich, nicht immer mit Erfolg. Dass sie sich ihren Abschied 1995 nochmals überlegt hat, war ein guter Entschluss. Die links-intellektuelle Thalheim ist eine starke Stimme in der deutschsprachigen Liederlandschaft, eine, die zweifelsohne in die Garde der großen internationalen Chanson-Künstler zu stellen ist. Bereits das Vorgänger-Album "Insel Sein" (2004) wurde mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet und ich wette drauf, dass sich das mit "Immer noch immer" wiederholt.
Frau Thalheim wundert sich berlinernd und mit allerlei Klamauk über Herrn und Frau Müllers Lust, bluest in großer Besetzung gekonnt, transferiert den bekannten Brunnen vor das Brandenburger Tor und singt ein böses Lied auf ihren zwischenzeitliches Kietz-Wohnsitz:
»Es gibt überall schönere Höllen als Neukölln!«
Doch sie kann's auch hörenswert lyrisch: "Einmal", "Kinderland" und "Immer noch immer", lobhudelt (na ja …) über Frauen in der Spitzenpolitik (gilt das auch für unsere Kanzlerin?), versetzt sich in die nachvollziehbar verständnislose Sicht einer Afrikanerin, bringt es bitter auf den Punkt ("Arbeit los"), lässt collagenhaft den "Alten Sozi" (Willy Brandt) sprechen. Mit "In eigener Sache" in deutsch und französisch gibt es eine Zugabe für treue Fans. Das neu arrangierte Lied erschien erstmals auf der gleichnamigen 1998er CD, die vergriffen ist.
Der Digipack enthält ein mit vielen Fotos illustriertes Booklet, den Texten und Anmerkungen der Künstlerin.
Da es nicht mehr wirklich viele Lied-Künstler ihres Kalibers im ehemaligen Land der Dichter und Denker gibt, wünsch ich ihr bald wieder ein großes Publikum. Zumindest bei den diesjährigen Songs an einem Sommerabend wird sie es bekommen und hoffentlich merken es dann auch die meinungsbildenden Medien, was wir an dieser Barbara Thalheim haben!
Tracklist
01:Das Wundern ist Herrn Müllers Lust
02:Blues
03:Vorm Brandenburger Tore
04:Nur weg
05:Einmal
06:Intro
07:Frauenmacht
08:Die Afrikanerin
09:Arbeit los
10:Intro
11:Der alte Sozi
12:Kinderland
13:Immer noch immer

Bonus
14:In eigener Sache (deutsch)
15: In eigener Sache (französisch)
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