Welcher jüngere britische Blues-Musiker schwärmt nicht von The Hoax (auch ein Aynsley Lister), die sich 1991 in die Insel-Szene katapultierte.
Immer noch aktiv, feiert das Quartett mittlerweile das zehnte Jubiläum ihres "Humdinger"-Albums.
Was haben die Hoax mit Joanne Shaw Taylor, dem neuen englischen Blues-Stern zutun?
Die junge, aus Birmingham stammende Sängerin und Gitarristin hat sich einen Song für ihre neue CD "White Sugar" von den Jungs ausgeliehen, um ihn im Trio, zusammen mit Bass-Mann David Smith sowie Steve Potts am Schlagzeug in den Bessie Blue Studios (Counce, Tennessee) einzuspielen.
Der Vollständigkeit halber: Alle anderen Tracks stammen von der Protagonistin und wurden auch in Amerika aufgenommen. Die Drähte zwischen der Platten-Firma Ruf Records und dem Produzenten Jim Gaines erkalten wohl nie, denn er hat für dieses Album auch die schon so erfahrene Blueserin unter seine Fittiche genommen.
Bereits in frühen Jahren stand sie auf der Bühne, selbst von renommierten Clubs und bei einem ihrer Auftritte war ein gewisser Herr Stewart von den Eurythmics anwesend und der initiierende Funke für Größeres wurde dadurch aktiviert.
Wie holt man sich denn Blues-Anhänger auf der Konsumenten-Seite ins Boot?
Als erste Sinnesorgane sind natürlich die Augen an der Reihe: Cover-Foto... Das haut schon einmal hin. Hübsch sieht sie aus, die Taylor und einen Blick hat sie. Abgelichtet wurde sie mit ihrem Arbeitsgerät. Man dreht die Verpackung um und da hängt die Fender Telecaster genau dort, wo der Rücken seinen Namen wechselt. Zehn Songs beinhaltet die CD und groß, wie auf einem Sticker wird verkündet: »File under Blues«.
Also sind die Vorgaben auf dem visuellen Kanal aber so etwas von voll erfüllt.
Danach ist, gerade bei zehn Tracks, die Spielzeit von Interesse. Auch bei diesem Punkt kann man zufrieden sein: knapp 52 Minuten.
Die CD ist, wie so oft bei den Ruf Records-Platten, auf der oberen Seite wie eine LP aufgemacht und unten ganz schwarz. So schwarz wie der Blues? Hören wir doch rein...
Joanne Shaw Taylor nennt ihren ersten Track "Going Home" und gemäß der weiter oben gestellten Frage macht sie mit diesem Song genau das Richtige. Nach einer kurzen Gitarre/Bass-Einleitung ist es Herr Potts, der für einen Super-Groove sorgt. Smith pumpt sich ein und die Mischung stimmt. Das geht in die Beine, animiert zum Tanzen, oder wenn man das nicht möchte, die beidseitige Fußwippe. Die Gitarre ist kräftig und dann das Break. Potts bedient die Bass-Drum und tingelt auf den Becken herum, Smith verschärft den Groove. Solo von der Taylor. Gut, nein sehr gut macht sie das, indem das gesamte zur Verfügung stehende Griffbrett ausgenutzt wird. Zwischendrin immer einige Riffs parat stellen und fertig ist der Ohren-Fänger, der genau die Nerven aktiviert, um den Hörer bei der Stange zu halten.
Den Blues lässt Taylor ein wenig von sich abgleiten und auch der zweite Track erreicht den Hörer. Es groovt etwas anders, die Gitarre macht es funkig und das Solo von ihr ist eine glasklare Angelegenheit. Mit ihrer etwas rauchigen Stimme macht sie auch als Sängerin eine gute Figur.
Ups, was ist das denn jetzt?
Die Hoax-Nummer ist dran und, verdammt, das Riffing erinnert sofort ganz stark an "Time After Time" von Coen Wolters' erster CD Broken Glass. In ihrer Interpretation lässt sie der Nummer das rockige Gewand, allerdings hat sie einiges mehr an Blues in ihrem Solo als die 'Falschmeldung' aus England. Das Stück groovt bei allen… fein auch die Akkorde am Ende.
Mit Gerifftem und Soliertem endet ein weiterer klasse Song, in dem ein treibender Beat vorherrscht. Begleitet wird die Protagonistin von zwei Uh- und Ah-Sängerinnen namens Vicky und Heather. Klasse! Auch wieder ihr Solo, laut und kräftig.
Taylor beginnt den nächsten Track direkt mit einer kurzen Einzel-Einlage und es ist Slow-Blues angesagt. Ihre Stimme klingt noch einen Tick engagierter und der Blues in seiner langsameren Taktung ist der Spreu vom Weizen-Trenner. Jetzt heißt es Farbe bekennen! Die junge Frau legt sich aber so etwas von ins Zeug. Man könnte fast sagen: Vergesst die vergangenen zirka 17 Minuten. Die Lady legt mit "Time Has Come" ihre Reifeprüfung ab. Gleich noch einmal, bitte... Dieser Song ist der Stolperstein. Wenn man irgend etwas nebenbei macht, spätestens hier lässt man es sein und die Taylor hat den Hörer in Haft genommen.
Da wird es schwer, nach einer solchen Darbietung die Spannung aufrecht zu halten. Potts trommelt akzentuiert aber vertrackt. Ihr Solo kommt gut und das Warten auf eine oder mehrere Zeilen gesungenen Textes ist zwecklos… "White Sugar" ist ein Instrumental. Und sie schafft es, die Spannung zu halten. Gemessen an ihrem Solo-Furioso kommt einem die Hintermannschaft wie in den Hintergrund gemischt vor.
Für "Kiss The Ground Goodbye" schlüpft Taylor in die Rolle einer rockenden Roots-Musikerin und "Heavy Heart" wirkt deeskalierend auf die Situation vor den Boxen.
"Watch 'Em Burn" knüpft an die CD-Eröffnung an und dann kommt es mit "Backest Day" zu einem verlängerten Ende des Silberlings, wieder, wie in "Time Has Come" in der verlangsamten Version. Die Frau hat den Rezensenten auf die Knie gespielt.
Dieses Album ist raffinierte Saccharose. Hat Zucker ein Haltbarkeitsdatum?
Joanne Shaw Taylor ist Teil der Blues Caravan 2009 und die bisherige Frage nach der Unbekannten im Trio mit Oli Brown, übrigens ebenfalls aus England, sowie Erja Lyytinen dürfte mit "White Sugar" beantwortet sein.
Line-up:
Joanne Shaw Taylor (guitar, vocals)
David Smith (bass)
Steve Potts (drums)
Vicky (backing Vocals - #4)
Heather (backing vocals - #4)
Tracklist |
01:Going Home (4:50)
02:Just Another Word (4:08)
03:Bones (5:23)
04:Who Do You Want Me To Be? (3:35)
05:Time Has Come (5:52)
06:White Sugar (4:28)
07:Kiss The Ground Goodbye (4:41)
08:Heavy Heart (5:21)
09:Watch 'Em Burn (5:09)
10:Blackest Day (8:18)
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